Finanzen

Rolls-Royce

Wirtschaft

Wirtschafts-nachrichten

„Rolls-Royce ist eine brennende Plattform“

„rolls-royce ist eine brennende plattform“

Tufan Erginbilgic

Erst seit Anfang Januar ist Tufan Erginbilgic offiziell Vorstandschef des britischen Triebwerke- und Industriekonzerns Rolls-Royce . Nun hat er eine Rede vor der Belegschaft gehalten, die mit brutaler Offenheit wie eine mittlere Bombe einschlug und einen neuen Spar- und Effizienzkurs vorbereitete. „Mit jedem Investment, das wir machen, zerstören wir Wert“, sagte Erginbilgic in seiner Videoansprache am Konzernsitz Derby, die auch an die Mitarbeiter der deutschen Standorte übertragen wurde. Rolls-Royce nannte er „eine brennende Plattform“. Der britische Konzern schneide gegenüber allen Schlüsselwettbewerbern schlecht ab und erziele niedrigere Gewinnmargen. Erginbilgic nannte die US-Konzerne General Electrics , Raytheon und Caterpillar. Letzterer stellt wie die Rolls-Royce-Tochter MTU Friedrichshafen auch Dieselmotoren her.

Rolls-Royce gehe es nicht erst seit dem Corona-Einbruch schlecht, der die zivile Luftfahrt auf den Boden zwang und hohe Umsatzeinbußen für den Triebwerksbereich bewirkte. In den vergangenen fünf Jahren ist der Aktienkurs des Unternehmens um 63 Prozent gefallen. Die Pandemie halbierte den Wert, aber schon vorher ging es deutlich bergab. Der Börsenwert von Rolls-Royce liegt aktuell knapp über 9 Milliarden Pfund (10,3 Milliarden Euro). Erginbilgic kündigte ein „Transformationsprogramm“ zur Effizienzsteigerung und „Optimierung“ an. Er bezeichnete dies als „unsere letzte Chance“. Details nannte er indes noch nicht in seiner frei gehaltenen Rede.

Die Reaktionen der Mitarbeiter schwankten zwischen Besorgnis und Unterstützung. „Er hat voll Leidenschaft gesprochen und die Herzen der Leute erreicht“, sagte ein ranghoher Rolls-Royce-Manager in Derby gegenüber der F.A.Z. „Erginbilgic ist ein Mann mit einem Plan.“ Der neue Vorstandschef, der zuvor lange beim Energiekonzern BP arbeitete, habe schon seit Monaten mit Mitarbeitern von Rolls-Royce gesprochen, Zahlen studiert und mit Investoren konferiert. Allerdings fürchten die Mitarbeiter nun eine neue Entlassungsrunde. „Rolls-Royce ist ja geschunden und schon durch x Restrukturierungen durchgegangen“, sagte ein Manager der F.A.Z. „Die Stimmung ist: Haben wir nicht schon genug gespart?“

Das Werk Derby musste darben

Während der Corona-Krise hatte Vorstandschef Warren East, Erginbilgic’ Vorgänger, rund 9000 Stellen abgebaut, um die Kosten um 1,3 Milliarden Pfund pro Jahr zu reduzieren. Jetzt hat der Konzern noch etwa 43.000 Mitarbeiter. In Deutschland sind es noch rund 10.000 Mitarbeiter, davon fast 6000 in Friedrichshafen am Bodensee, wo MTU (Rolls-Royce Power Systems) sitzt, etwa 2300 in Dahlewitz nahe Berlin, wo Rolls-Royce Motoren für Privatjets baut, und 800 im kleineren Werk Oberursel bei Frankfurt. Besonders am Standort Friedrichshafen, wo unter anderem Motoren für die Panzer Leopard 1 und 2, Puma und Marder gebaut werden, gibt es Besorgnis in der Belegschaft über den künftigen Kurs.

Der Großteil des Stellenabbaus der vergangenen zwei Jahre fand im englischen Werk Derby statt. In der Londoner Wirtschaftszeitung „Financial Times“ hieß es nun, der kommende Stellenabbau würde vor allem Büromitarbeiter in der Verwaltung des Bereichs zivile Luftfahrt betreffen. „Diese Aussage hat Erginbilgic nicht getroffen“, sagte ein Augenzeuge der F.A.Z. Überhaupt sei vage gewesen, was der Konzernchef plane. Er habe bewusst seine Ideen noch nicht konkretisiert. Unter den Mitarbeitern gebe es aber besorgte Erwartungen, sagte ein Rolls-Royce-Manager. Dem 62-jährigen neuen Konzernchef mit britischer und türkischer Staatsbürgerschaft eile ein harter Ruf voraus. „Jetzt kommt Tufan, der harte Hund“, heiße es unter Rolls-Royce-Mitarbeitern.

Konkrete Zahlen zur jüngsten Entwicklung im Geschäftsjahr 2022 durfte Erginbilgic in seiner Rede nicht nennen. Erst in vier Wochen, am 23. Fe­bruar, wird der Jahresbericht vorgestellt, bis dahin muss er schweigen. Im November hatte sich Vorstandschef East optimistisch gezeigt. Er hatte eine Erholung des Geschäfts mit Flugzeugmotoren und Rekordaufträge für Energie- und Antriebssysteme (Power Systems) hervorgehoben. Die geflogenen Stunden der Triebwerke haben sich auf 65 Prozent des Vor-Corona-Niveaus erholt. Der Umsatz von Rolls-Royce werde im niedrigen bis mittleren einstelligen Bereich wachsen. In den vergangenen drei Monaten hat sich der Aktienkurs erholt, weil Chinas Öffnung nach den Corona-Lockdowns der Luftfahrtbranche half. Am Freitag, nachdem Erginbilgic’ Rede bekannt wurde, sank der Kurs zeitweise um mehr als 4 Prozent.

TOP STORIES

Top List in the World