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Report: E-Mobilität unter Strompreis-Schock

Vor allem “Laternenparker” haben das Nachsehen

Aufgrund zwischenzeitlich kräftig steigender Spritpreise galt der Wechsel vom vermeintlich schmutzigen Verbrenner zum sauberen Stromer, dessen Energie ja schließlich aus der Steckdose kommt, als lohnendes Investment. Doch seit vergangenem Jahr hat sich in vielen Fällen der einstige finanzielle Vorteil ins Gegenteil verkehrt. Vor allem für Laternenparker ohne heimischen Ladeanschluss sind die Energiekosten der E-Mobilität regelrecht explodiert.

Auch wenn es sich kaum mehr jemand traut zu sagen: Vor allem Vielfahrer wären finanziell aktuell oftmals besser dran, wenn sie mit einem Diesel, statt einem Stromer unterwegs wären. Noch gibt es Potenziale, mit einem E-Auto seine Energiekosten niedrig zu halten. Zum Beispiel mit einer Photovoltaik-Anlage auf dem eigenen Hausdach. Doch das können längst nicht alle E-Auto-Besitzer umsetzen. Für viele, so steht zu befürchten, dürfte das Elektroauto in seiner jetzigen Form deshalb aus finanzieller Sicht zunehmend unattraktiv werden.

Gut 10 Jahre ist es her, als die E-Mobilität mit neuen Modellen wie Tesla Model S oder BMW i3 (hier im letzten Test) allmählich Fahrt aufgenommen hat. Die Elektro-Ikone i3 zum Beispiel verursachte mit einem Realverbrauch zwischen 14 und 16,5 Kilowattstunden bei einem damaligen Preis von 25 Cent pro kWh rund gut vier Euro Energiekosten auf 100 Kilometer. Ein Benziner mit dem Leistungsniveau eines i3 verbrauchte um sieben Liter, was angesichts von damaligen Spritpreisen um 1,60 Euro pro Liter rund dreifach höhere Energiekosten verursachte.

Das Ende der Schönrechnerei

Autoexperten und Hersteller von E-Autos rechneten damals gerne vor, wie schnell sich die Mehrinvestition in ein elektrisch angetriebenes Modell amortisieren kann. Doch mit dieser Schönrechnerei ist es nun vorbei. In den letzten zehn Jahren sind die Preise für Benzin lediglich geringfügig gestiegen. Zwischenzeitlich kletterten die Spritpreise vergangenes Jahr aufgrund der Ukraine-Krise zwar in schwindelerregende Höhen, doch Ende 2022 bewegten sich die Benzinpreise in Deutschland nur noch leicht über dem Jahresmittel von 2012.

Anders sieht es bei Preisen für Strom aus. Laut dem Verivox-Verbrauchspreisindex kostete die Kilowattstunde Ende 2012 im Bundesdurchschnitt noch 24,93 Cent. Zehn Jahre später waren es 43 Cent, was einem Plus von 72 Prozent entspricht. In einigen Fällen, etwa beim Kölner Unternehmen Rheinenergie, wurde Anfang 2023 der Preis der Kilowattstunde in der Grundversorgung von 31 auf sogar 55 Cent angehoben, ein Plus von 77 Prozent. Allerdings auf einem Schlag.

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Mehr E-Autos mit immer größeren Batterien

Verschärfend zum generell hohen Strompreis kommt hinzu, dass die Zahl verbrauchsintensiver E-Autos am Markt wächst. Ein Grund dafür sind zunehmend größere Batterien für größere Reichweiten. Das ist der Alltagstauglichkeit zwar zuträglich, doch viele BEV-Modelle entfernen sich damit vom Verbrauchsideal zum Beispiel eines BMW i3. 20 kWh pro 100 Kilometer gelten heute bereits als effizient, lassen sich bei vielen Modelle aber auch nur unter Idealbedingungen erreichen.

Steigt die Autobahngeschwindigkeit über 120 km/h, verändern sich Wetter- und Temperaturlage, erhöht sich der Verbrauch teils drastisch. Oberklasse-Stromer vom Kaliber eines Porsche Taycan, BMW i7 oder Audi e-tron verbrauchen indes schnell 30 kWh und mehr auf 100 Kilometer. Angesichts der gestiegenen Strompreise geht mit solchen Verbrauchswerten bereits mit Strom aus der heimischen Wallbox der einstige Kostenvorteil verloren.

Auf der Langstrecke droht die Kostenfalle

Sogar richtig teuer kann es werden, wenn man unterwegs nachladen muss. Das gilt vor allem an den mittlerweile entlang von Autobahnen zahlreich vorhandenen 300-kW-Schnellladesäulen. Der dort angebotene DC-Gleichstrom ist seit jeher teurer als der Strom aus den Wechselstrom-AC-Ladern oder der heimischen Wallbox. Hinzu kommt ein intransparenter Markt für Ladesäulen-Fahrstrom.

Nicht jeder E-Auto-Fahrer zahlt an ein und derselben Ladesäule den gleichen Kilowattpreis. Abhängig ist dieser maßgeblich vom Roaming-Vertrag, den auch viele Autohersteller ihren Kunden die ersten Jahre stark subventioniert oder sogar kostenlos zur Verfügung stellen. Wer dagegen ohne einen solchen Vertrag (ob über den Hersteller oder einen Drittanbieter abgeschlossen) ad-hoc lädt, zahlt in Extremfällen für die Kilowattstunde bis zu 1,00 Euro, wie eine aktuelle Recherche über die App Ladefuchs zeigt.

Beim E-Auto-Kauf auf den Realverbrauch und den passenden Ladestromanbieter achten

Doch auch bei großen Fahrstrom-Anbietern wie EnBW wurden die zuvor noch moderaten Preise Mitte Januar deutlich erhöht. Wer zum Laden die EnBW-App „mobility+“ mit Basistarif nutzt, muss an nicht von EnBW betriebenen Ladesäulen statt 45 Cent nun für die Kilowattstunde 65 Cent zahlen. An den Autobahn-Schnellladern von Ionity bleibt es hingegen bei den ohnehin schon happigen 79 Cent. Ob nun 65, 79 oder 98 Cent – mit einem E-Auto aus der Mittelklasse, dass bei Überlandfahrten zwischen 20 und 25 kWh auf 100 Kilometer verbraucht, können leichthin 20 Euro Energiekosten pro 100 Kilometer anfallen. Um es in drastischer Relation zu sehen: Ein üppig dimensioniertes SUV mit einem modernen V8-Benziner erzeugt kaum höhere Energiekosten.

Wer weiterhin günstig elektrisch fahren will, sollte sich deshalb bei der Wahl des Modells vor allem über deren Realverbräuche informieren. Hier gibt es mittlerweile große Unterschiede. Zusätzlich gilt es regelmäßig die Fahrstrom-Tarife zu vergleichen und, sollte man nicht an einen ohnehin schon günstigen Hersteller-Tarif gebunden sein, immer mal wieder nach attraktiveren Angeboten Ausschau zu halten. Flexibilität und mehrgleisige Strategien können dabei nicht schaden. EnBW hat zum Beispiel parallel zur Preisanhebung drei Tarifstufen eingeführt. Für den neuen Tarif L werden Grundgebühren von 18 Euro pro Monat fällig, zugleich sinkt der Preis für eine Kilowattstunde auf 39 Cent an von EnBW betriebenen Ladesäulen sowie auf 50 Cent bei Fremdanbietern. Wer lange Strecken fährt, sollte als Nutzer der mobility+-App zum Beispiel in diesen Tarif wechseln. Bereits bei einer längeren Fahrt kann sich das rechnen.

Kostenloser Fahrstrom – gibt es das noch?

Die noch bessere Alternative ist kostenloser Fahrstrom. Unter anderem Supermarktketten haben in den vergangenen Jahren von sich Reden gemacht, da sie E-Auto-Nutzern beim Einkauf diesen zur Verfügung stellen. Zu diesen Anbietern gehörte bis vor kurzem auch die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland. Ende 2022 wurde allerdings hier auf ein Bezahlmodus umgestellt. Mittlerweile sind nur noch wenige Anbieter kostenlosen Fahrstroms übrig – wie etwa Aldi Süd, wo man an den Ladesäulen während der Geschäftsöffnungszeiten mittlerweile reges Treiben sowie gelegentlich auch eine gereizte Stimmung erleben kann.

Eigentlich ist das Angebot bei Aldi Süd für Supermarkt-Kunden gedacht, doch mittlerweile kommen viele Ladegäste, zum Teil sogar täglich, um kostenlosen Fahrstrom abzugreifen. Sie belegen längerfristig den Ladeplatz, während mancher Aldi-Kunde leer ausgeht. Insofern sollte es nicht wundern, wenn auch dieses Kostenlos-Angebot bald eingestellt wird.

Entspannung bei den Strompreisen ist nicht zu erwarten

Anders als etwa bei den Spritpreisen, die nach Rekordhöhen im Frühjahr 2022 wieder deutlich gesunken sind, ist eine Entspannung am Strommarkt und eine Rückkehr zu alten Preisen zumindest mittelfristig nicht zu erwarten. Experten gehen vielmehr davon aus, dass sich Verbraucher an die in jüngster Zeit stark gestiegenen Strompreise gewöhnen müssen. Wohl auch deshalb gilt mittlerweile die Solaranlage als das probateste Mittel, die Kosten für Fahrstrom zu senken. Wer zuhause lädt und zusätzlich zum Strom vom Versorger vor allem Strom aus der Eigenproduktion nutzt, kann seine Fahrkosten sogar deutlich senken und reduziert gleichzeitig seinen eigenen CO2-Fußabdruck.

Ein weiterer Vorteil: Nicht getankter Strom der Solaranlage wird ins Netz eingespeist und mit 7,1 bis 8,2 Cent pro kWh vergütet, was die Wirtschaftlichkeit einer Solaranlage weiter erhöht.

Fazit

Günstig mit Strom fahren – die Zeiten scheinen für viele erst einmal vorbei. Wer nicht gerade ein Eigenheim samt PV-Anlage (oder einen elektrischen Firmenwagen) sein Eigen nennen kann, ist auf die öffentliche Ladeinfrastruktur angewiesen und muss sich überdies einen Durchblick im stets wandelnden Tarif-Dschungel verschaffen. Dass die Akzeptanz der E-Mobilität so auf breiter Basis steigt, scheint unwahrscheinlich. Zwar locken weiterhin Zuschüsse wie der Umweltbonus, niedrigere Unterhaltskosten und die Kfz-Steuerbefreiung – beim Nachladen folgt dann allerdings oftmals der Strompreis-Schock. Möglicherweise ist es an der Zeit, dass die Politik umschwenkt. Weg von einer Kauf- hin zu einer Ladesubvention. Individuelle Mobilität darf kein Luxusgut werden. Das gilt übrigens in den kommenden Jahren auch noch für die Millionen Verbrennerfahrzeuge, die auf Benzin und Diesel angewiesen sind. Auch der fossile Kraftstoff wird in den kommenden Jahren immer teurer werden. (Text: tv, mh/sp-x | Bilder: Hersteller, tv/as24)

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