Renault

Test

Renault Megane E-Tech Electric (60 kWh) im Test

Klare Stärken, klare Schwächen

renault megane e-tech electric (60 kwh) im test

Was ist das?

Das Auto, welches in den nächsten Jahren Schritt für Schritt den „richtigen“ Mégane ablösen soll. Vielleicht nicht ganz alleine (eventuell kommt da noch etwas Größeres nach), aber doch als Hauptakteur.

Renault weiß, dass man bei der reinen E-Mobilität einen großen Vorteil gegenüber den meisten Konkurrenten hat, einfach, weil man früh dran war und in den letzten 10 Jahren bereits mehr als 400.000 EVs verkauft hat. Diese Erfahrung soll der Kunde beim neuen Megane E-Tech Electric (neuerdings ohne Accent auf dem ersten „e“) natürlich spüren.

Wobei: Die Plattform ist schon mal komplett anders als bisher. Der E-Tech kriegt als erster Renault den CMF-EV-Unterbau, den wir bereits von Nissan Ariya kennen. Allerdings wurde selbiger ein wenig zusammengestaucht, denn der Elektro-Megane ist überraschend kompakt. 4,21 Meter sind für klassisches C-Segment inzwischen fast schon niedlich.

Gegen diesen Eindruck setzt sich das Auto mit einem recht bulligen Körperbau samt Schießscharten-artiger Fensterflächen, flachem Dach (1,50 Meter Höhe) und sehr knappen Überhängen zur Wehr. Der Radstand beträgt immerhin 2,70 Meter. Zum Vergleich: Der fünf Zentimeter längere VW ID.3 radstandet auf 2,77 Meter.

Ich warne Sie hiermit schon mal vor, dass der Vergleich „zu einem bekannten deutschen C-Segment-Mitbewerber“, wie es in der Pressekonferenz circa 34-mal gesagt wurde, uns in diesem Test durchaus häufiger beschäftigen wird.

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Stolz sind die Franzosen aufs Gewicht von 1.620 Kilo mit dem großen 60-kWh-Akku (100 Kilo weniger als besagter deutscher Mitbewerber) und einen neun Zentimeter niedrigeren Schwerpunkt als beim Verbrenner-Mégane. Außerdem ist der E-Tech der erste Kompakte von Renault, der eine Mehrlenker-Hinterachse bekommt. Und er hat mit 1:12 eine verflucht direkte Lenkübersetzung. Das sind Fiesta ST-Ausmaße. Renault spricht dann auch ganz ungeniert von Dynamik.

An seinem Fronttriebler-tum ändert das nichts. Eine Allrad-Version ist nicht vorgesehen. Auf den ersten Blick ebenfalls ein bisschen knausrig: Die Akku-Kapazitäten (hier brutto angegeben). Dass besonders viele Menschen zur 40-kWh-Batterie greifen werden, glaubt man bei Renault selbst nicht. 85 Prozent würden auf die 60-kWh-Variante gehen, heißt es vom Hersteller. Theoretisch wäre aus dem Ariya-Baukasten ja auch noch ein 87-kWh-Akku verfügbar, aber besonders scharf ist man auf das Teil aus Packaging- und Gewichtsgründen offenbar nicht.

Je nach Ausstattung gibt es dazu verschiedene Lademöglichkeiten vom 7,6-kW-AC-Lader (wer in aller Welt würde das Ding bestellen?) über 22kW AC und 85 kW DC bis zum DC-Schnellschaufler mit 130 kW. Damit soll man in 30 Minuten 300 Kilometer WLTP-Reichweite draufpacken können. Oder 200 Kilometer, wenn man konstant 130 km/h auf der Autobahn fährt.

Der ESM-Motor verzichtet auf seltene Erden, ist ölgekühlt und in zwei Leistungsstufen mit 131 und 218 PS zu haben. Die schwächere Variante geht in knapp 10 Sekunden auf 100 km/h, das Topmodell braucht 7,4 Sekunden. Schluss ist bei 160 km/h. In entgegengesetzte Richtung arbeitet der E-Tech mit gleich vier durch Lenkradpaddles einstellbare Rekuperationsstufen. Maximal wird die Energie mit 96 kW zurückgeholt.

Innen fällt vor allem das neu designte Anzeigen-Infotainment-Konglomerat mit insgesamt 24 Zoll auf, das jetzt komplett Google-basiert arbeitet und dazu noch richtige Knöpfe für die Klima-Bedienung aufweist. Eine sehr sehr gute Entscheidung, wie wir gleich noch sehen werden.

Der Megane E-Tech steht in Deutschland ab Mai beim Händler und kostet (vor Umweltbonus) ab 35.200 Euro. Als Basismodell werden ihn aber etwa ..moment.. ziemlich genau 0 Prozent der Kunden bestellen. Das ist mit der kleinen Batterie und dem langsamen AC-Lader wirklich nur ein Zweit- bis Drittauto für Wenigfahrer. Den größten Anteil wird nach Renault-Vertrieb die zweithöchste Austtatung „Tecno“ mit dem großen Akku ausmachen. Hier legt man mindestens 44.700 Euro auf den Tisch. Eine Wärmepumpe ist optional für 1.100 Euro zu haben.

Im Leasing soll es den E-Tech ab 230 Euro im Monat geben. Angesprochene Tecno-Version ist dann ab 370 Euro zu haben. Außerdem kann drei Mal im Jahr für insgesamt 30 Tage kostenlos ein Verbrenner geliehen werden, wenn man mal ein bisschen weiter fahren muss.

Wie fährt er?

Hier möchte ich zuerst einmal mit einem Missverständnis aufräumen. Auch wenn uns die Verantwortlichen „Dynamik“ weis machen wollen und sich Kommunikationsdirektor Christian Stein sogar zur Aussage hinreißen ließ, dass es sich hier um den GTI unter den Elektroautos handelt (spätestens jetzt sollte es Renault-Sport-Fans eiskalt den Rücken runterlaufen; Ja Freunde, es ist vorbei!), kann ich nur sagen: Öhm … nein! Nicht so wirklich.

Ich möchte den E-Tech nicht alleine dafür verantwortlich machen, denn ich denke, dass ein Großteil seiner Fahr“performance“ auf die eher dürren, ziemlich ungrippigen 215er-Goodyear-Ecopneus zurückzuführen ist. Aber an sportlicher Balance, Handling-Gefühl und ein paar weiteren Grundzutaten mangelt es dem Auto trotz sehr ordentlicher 54:46-Gewichtsverteilung wohl auch ohne die Spritspar-Gummis.

Die Lenkung ist in der Tat sehr schnell und direkt, hat eigentlich ein recht brauchbares Handmoment, aber es fehlt ein wenig an Natürlichkeit und Verbindung zur Vorderachse. Selbige ist hauptsächlich damit beschäftigt, in Kurven massiv zu untersteuern (wie gesagt, das schiebe ich größtenteils den Reifen in die Schuhe) und stark einzufedern, was auch mal von einem satten, eher unattraktiven Durchschlage-Klonk aus dem vorderen Radhaus begleitet wird.

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In der Folge staucht der ESP-Bremseingriff das Auto dann relativ brüsk zusammen, es schaukelt ein wenig, das Heck mogelt sich irgendwie mit durch die Biegung und weiter geht die wilde Fahrt. Übrigens relativ unabhängig davon, ob das ESP „deaktiviert“ ist, wie es im Display angezeigt wird, oder nicht.

Ein weiteres Problem ist das Bremsgefühl. Der Druckpunkt ist ungewöhnlich weich und undefiniert. Das sorgt sowohl beim ambitionierteren Fahren als auch im Stop&Go für den ein oder anderen Verbremser. Auch weil sich das Auto viel zu früh und ständig in den ABS-Regelbereich wegduckt.

Die Herbeiführung größerer Mengen an Adrenalin oder Gänsepelle auf einer gewundenen Landstraße gehört also nicht unbedingt zu den Primärtugenden des elektrischen Megane. Wenn Sie das erfolgreich im Ordner „Alles klar, könnte mir nicht egaler sein“ abgespeichert haben, dann ist schon viel gewonnen und Sie können sich auf das konzentrieren, was dieses Auto wirklich kann. Das ist nicht eben wenig.

Was kann das Auto denn?

Fahrkomfort zum Beispiel. Der E-Tech federt tatsächlich eher weich, aber in aller Regel blitzsauber. Lediglich ganz große Bodenwellen können ihn ein wenig aus der Fassung bringen. Kleinere Stöße steckt er dagegen ziemlich sauber weg. Das wirkt alles sehr erwachsen und geschliffen.

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Die Beschleunigung ist Elektro-typisch ansatzlos und satt bis in höhere Autobahn-Tempi (zum Test stand lediglich die Variante mit 218 PS zur Wahl). Etwas seltsam ist nur, dass es keinen spürbaren Unterschied im Ansprechverhalten zwischen dem Comfort- und dem Sport-Modus gibt. Auf der entgegengesetzten Seite überzeugt die sinnvolle Abstufung der Rekuperationsmodi. Zwischen „Lass mich in Ruhe mit dem Kram“ und einem weitgehenden One-Pedal-Driving ist eigentlich alles möglich.

Auffällig: Durch die gute Dämmung rund um die Batterie (welche übrigens nur elf Zentimeter dick ist) ist es im E-Tech grundsätzlich sehr leise. Abrollgeräusche und Co. nimmt man nicht wirklich wahr. Obenrum war man aber offenbar etwas legerer eingestellt, denn der Fahrtwind dringt bei 120 aufwärts schon etwas ans Ohr. Insgesamt nichts Tragisches, aber erwähnt haben will ich es schon.

Wie siehts mit Reichweite und Verbrauch aus?

Hier schlägt die Stunde des Megane E-Tech. Und seien wir ehrlich – was ist denn für C-Segment-EV-Kunden wirklich von Bedeutung? Ob der Eimer gottgleich um die Kurve fräst oder ob er wenig Strom frisst aka vernünftig weit fährt?

Eben. Und genau da liefert dieses Auto wirklich ab. Auf der Testfahrt, die einen Mix aus Autobahn, Stadtverkehr und sehr viel Bergstraßen-Kurvengeschlängel beinhaltete (sprich: besonders schonend wurde das Auto nicht bewegt), zog der Megane Electric im Schnitt 17,5 kWh/100 Kilometer aus dem Akku. Legte ich es darauf an, war auch eine 15 vor dem Komma kein Problem. Das sind fantastische Werte.

Die Reichweite des vollgeladenen Autos zum Start der Testfahrt betrug laut Bordcomputer 347 Kilometer. Nach der 218 Kilometer langen Fahrt waren laut Display noch 121 Kilometer Restreichweite verfügbar. Das alles natürlich bei Top-Wetterbedingungen um die 20 Grad, das soll aber diese hervorragende Leistung nicht schmälern.

Wie ist er innen?

Auch hier überzeugt der E-Megane größtenteils. Ein Schwachpunkt sind die Sitze. Die Beinauflage ist zu kurz und so richtig bequem sind sie bei längeren Fahrten auch nicht. Dass der Wagen im Fond nicht unbedingt glänzen kann, sieht man ihm ja irgendwie schon von außen an. Da war die schnittige Dachlinie wohl wichtiger als der Komfort in Reihe Zwei. Die Beinfreiheit ist so lala und den Kopf stößt man sich ab 1,80 Meter ziemlich sicher, wenn man gerade sitzt. Da bietet der ID.3 deutlich mehr.

Für innen war’s das aber auch mit Kritik, denn alles andere in dieser Kabine ist ziemlich grandios und liefert genügend Argumente den Wolfsburger Hauptkonkurrenten links liegen zu lassen.

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Die Platzverhältnisse vorne sind luftig, es gibt genügend Ablagen (die in den Türen könnten etwas größer sein) und Optik/Haptik passen auch. Dazu kommt ein 440 Liter großer Kofferraum mit einer erschreckend großen Ladekante. Hier lohnt sich wohl der Griff zum doppelten Ladeboden.

Etwas gewöhnungsbedürftig ist der Kamera-Rückspiegel. Da braucht man wohl ein wenig Eingewöhnungszeit. Schaltet man ihn aus, merkt man, wie winzig, das Heckfenster ist, weil man einfach nicht besonders viel sieht.

Bewegen wir uns vom Spiegel etwas nach unten kommen wir zum unangefochtenen Star der Kabine. Die Rede ist vom neuen XL-Anzeigenverbund aus Instrumenten- und Infotainmentdisplay. Gerade das Google-basierte Infotainment ist eine helle Freude. Es ist übersichtlich aufgebaut, trotz Touchfunktion gut bedienbar, hat eine sehr brauchbare Sprachfunktion, messerscharfe Grafiken und vermutlich die schnellsten Reaktionszeiten, die ich je gesehen habe.

Dass auch die Navigation ziemlich überlegen ist, bräuchte ich vermutlich gar nicht zu erwähnen. Sehr schön zudem: Unten links im Display wird die errechnete Restreichweite am Zielort angezeigt.

Einen weiteren Pluspunkt gibt es für die Klimabedienung. Die wurde unter dem großen Screen noch mit richtigen Tasten versehen. Das Thema geht also auch locker von der Hand. Bravo Renault, viel mehr geht nicht.

Fazit: 7/10

Fahrdynamisch und beim Raumangebot im Fond ist der neue Megane E-Tech Electric eine kleine Enttäuschung. In allen anderen Disziplinen macht er allerdings einen hervorragenden, sehr geschliffenen Eindruck.

Gerade in puncto Verbrauch und Infotainment fährt er an die Spitze des Feldes. Die Preisgestaltung ist sicher nicht ohne, allerdings gibt es vielversprechende Leasingraten. Auch wenn er nicht so aussieht: Ein angenehm normales E-Auto, das im Alltag sicher sehr gut funktionieren wird. Insbesondere aufgrund der Bedienung eine echte Alternative zum ID.3.

Bildergalerie: Renault Megane E-Tech Electric (2022) im Test

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Technische Daten und Preise Renault Megane E-Tech Electric IconicEV60 220hp Optimum Charge

Motor elektrisch erregter Synchronmotor

Getriebeart 1-Gang-Automatik

Antrieb Vorderradantrieb

Leistung 160 kW (218 PS)

Max. Drehmoment 300 Nm

Beschleunigung 0-100 km/h 7,4 Sekunden

Höchstgeschwindigkeit 160 km/h

Elektrische Reichweite Testreichweite ca. 340 km

Verbrauch Testverbrauch: 17,5 kWh/100 km

Ladeanschluss DC mit dreiphasigem AC-Lader (130 kW und 22 kW)

Leergewicht 1.624 kg

Zuladung k.A.

Anhängelast 900 kg

Batterie 60 kWh

Basispreis 47.500 Euro

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