Rolls-Royce

Praxistest: Rolls-Royce Phantom Series II Parken inklusive

Irgendwann ist Schluss mit den Zwölfzylindern – selbst bei Rolls-Royce. Mit dem Spectre bringen die Briten noch in diesem Jahr ihr erstes Elektromodell auf den Markt; weitere werden folgen. Das spektakuläre Luxuscoupé mit imposanten Fahrleistungen, eindrucksvollem Design und gewohnt elitärer Innenausstattung soll die BMW-Marke in ein neues Zeitalter katapultieren und rein elektrisch neue Kunden begeistern. Noch ist jedoch der mächtige Rolls-Royce Phantom das Aushängeschild der Briten – auch ohne Elektroantrieb ist vom V12-Triebwerk unter der langen Haube nichts zu vernehmen, außer man nimmt ihn auf der Autobahn sportlich ran. Doch selbst dann gibt es nicht viel mehr als ein leises Säuseln und einen Ausschlag auf dem linken Rundinstrument.

Parken inklusive

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© press-inform – das Pressebuero

Rolls-Royce Phantom Series II

Auf großer Reise mit einem Rolls-Royce Phantom ist wie der Sprung in eine andere Ära. Es geht von München via Sankt Moritz an den Comer See – kaum weniger elitär als die teuerste Serienlimousine der Welt. Eine Reise mit flottem Autobahnstart in Deutschland, seichten Landstraßen in der Schweiz und kleinen Gassen am Comer See. Zunächst überrascht jedoch das positive Interesse, das einem in dem 5,76 Meter langen Phantom entgegenschwappt. Es wird sich umgedreht, Handykameras klicken, die Köpfe drehen sich und nicht nur im Münchner Süden werden bei der Passage ein paar Daumen hochgerecht – gerade erst von einem Mittvierziger, der aus seinem Ferrari seine Hand nach oben reckt – vielleicht hat er ja auch einen Rolls-Royce Phantom. Als ein älteres Ehepaar aus einer wollweißen Mercedes Pagode winkt und die Daumen gen Himmel zeigen, ist man überrascht. Der kunterbunt getünchte Rolls-Royce Phantom kommt scheinbar überaus gut an – und zwar nicht nur bei seinen Insassen.

Die schwelgen in grenzenlosem Luxus, spektakulär bequemen Ledersitzen, genießen die grandiose Stille während der Autobahnfahrt Richtung Garmisch. Die Verarbeitung, das Ambiente – spektakulär und klassisch. Trotzdem ist das ein oder andere in die Jahre bekommen. Die Instrumente wirken trotz moderner Darstellung ebenso betagt wie die Klimabedienung, die man in Sachen Drehreglern und Temperaturrädern nicht verändert hat. Sie ist typisch Rolls-Royce, jedoch optisch angestaubt. Hier täte selbst einer elitären Luxuslimousine wie dem Phantom eine Frischzellenkur vorne wie hinten gut. Die Bedienung per Touch ist wohl nicht majestätisch genug, denn der Zentralbildschirm befindet sich ebenso hinter einer Schutzscheibe wie die Kunstinstallation vor dem Beifahrersitz, die der bestens betuchte Kunde ganz nach Gusto festlegen kann. Das hier fehlende Beifahrerdisplay gibt es in den Rückenlehnen der Frontsitze, sodass die beiden Fondinsassen hier nicht nur allein in den Langflorteppichen ihre Füße verstecken, sondern auch Filme schauen oder im Web surfen können. Den Spagat zwischen gestern und heute bekommt der Rolls-Royce Phantom nicht nur beim Außendesign perfekt hin – gerade im Innern ist die Nobellimousine eine wahre Schau. Und wem die bereits mehr als imposante Normalversion nicht reicht, der kann sich für die Variante mit verlängertem Radstand entscheiden, dann gibt es in der zweiten Reihe für ein paar Zehntausend Euro noch mehr Platz, Luxus und weitere Möglichkeiten zur Individualisierung.

Der Fahrer hinter dem gewohnt dünnen Steuer weiß es jedoch nicht erst bei Park- und Rangiermanövern am Comer See zu schätzen, in der Normalversion unterwegs zu sein. Bereits sie bringt den entgegenkommenden Verkehr in den kleinen Schweizer Ortschaften an ihre Grenzen. Der Reise- und Federungskomfort ist dabei ebenso spektakulär wie das Geräuschniveau, denn es huscht auch bei höheren Tempi kaum mehr als ein leises akustisches Lüftchen durch die belederte Kabine. Das V12-Triebwerk aus dem Hause BMW wurde traditionsbeladen auf 6,75 Liter Hubraum erweitert, während die Leistung mit 420 kW / 571 PS auf dem gleichen Niveau liegt, wie zuletzt der deutlich sportlicher ausgelegte BMW M 760i. Auf der Autobahn zeigt der Phantom auf Wunsch bis zu 250 km/h und animiert Sportwagenfahrer und Golf-GTI-Clubs bisweilen zu einem Zwischenspurt. Nicht weniger als eine Majestätsbeleidigung und kein Grund in die Hochgeschwindigkeitsetappen einzusteigen.

Der Phantom ist ein großer Reisewagen – vielleicht einer der letzten seiner Art. Sein Reisekomfort ist nicht weniger als einzigartig. Dabei geht es nicht allein um das Geräuschniveau, die dutzende Kilo von verstecktem Dämmmaterial, Doppelglasscheiben oder die Luftfederung, sondern die Symbiose aus allem. Dazu gehört für jeden Insassen eben auch das Ambiente, die spektakuläre Verarbeitung und die Bedienung. Rolls-Royce ist eben in erster Linie Rolls-Royce – hier passt der schwäbische Slogan „das Beste oder Nichts“ erstmals wirklich. Der Reisekomfort nach ein paar Stunden hinter dem Steuer ist einzigartig, wenn man es nicht zu flott angehen lässt. Dabei ist die Leistungsentfaltung kaum weniger beeindruckend als der Reisekomfort, doch er Chauffeur muss sich an die präzise, aber allzu leichtgängige Lenkung ebenso erst gewöhnen wie an den spürbaren Wankbewegungen bei schnell gefahrenen Schweizer Kurvenpassagen zwischen Scoul und Sankt Moritz. Der Phantom ist bedingungslos auf den Komfort der Fondinsassen ausgelegt und verbietet dadurch jegliche Härte bei einer Wankstabilisierung. Auch wenn Rolls-Royce mit seiner exzellenten Achtgang-Automatik aus guten Gründen auf Fahrprogramm verzichtet – hier wären wechselnde Modi durchaus zeitgemäß, um Dämpfer und Luftfederung anzupassen, wenn die 900 Nm maximales Drehmoment einmal artgerecht eingesetzt werden sollten. Doch wie flott oder schnell man auch unterwegs sein mag – das Geräuschniveau bleibt nahezu auf Null-Niveau und insofern müssen sich die potenziellen Kunden der zukünftig elektrischen Royce-Modelle nicht umstellen. Die Sitze lassen sich auch im Fond zahllos elektrisch verstellen, klimatisieren und in eine Ruheposition bringen, sodass der dortige Gast mit Blick in den LED-Sternenhimmel träumen kann. Was fehlt, ist die elektrische Verschattung der hinteren Scheiben – doch bestellen lässt sich beim Phantom ohnehin fast alles – selbst, wenn es einmal nicht in der Liste der Extras stehen sollte.

Nach den eher weitläufig geschwungenen Kurvenradien wird es nach einem kurzen Zwischenstopp in Sankt Moritz bei der Abfahrt Richtung Italien enger und trotz der Allradlenkung muss der Fahrer nun erstmals ernsthaft arbeiten. Das Tempo ist gemächlich, denn rund eine halbe Stunde bis zu Grenze setzen sich die Schweizer Ordnungsbehörden mit der ihnen naturgegebenen Gelassenheit hinter den Phantom und lassen die Fahrt ähnlich dynamisch wie eine Kinderkutschfahrt am Sonntagnachmittag werden. Tempo 80, 60, 50 und wieder 80 – das ganze immer wieder hin und her – her und hin bis zur Grenze nach Chiavenna, wo sowohl die Schweizer als auch die italienischen Grenzer ein imposantes Interesse an dem allzu auffällig lackierten Rolls-Royce haben. Ob ein vermeintlicher Finanzschmuggler nicht vielleicht doch ein unauffälligeres Fahrzeug für seine strafbare Handlung gewählt hätte? Immerhin der italienische Grenzer interessiert sich augenscheinlich mehr für die rund 500.000 Euro teure Luxuslimousine aus Goodwood als für die bereits kontrollierten Papiere seiner Insassen.

Beim nächsten Stopp zum Abendessen in Delebio kommt der Series II erstmals an seine Grenzen. Die kleinen Ortschaften haben bereits Probleme, moderne normalen Fahrzeuge problemlos durchzulassen; ein Parkplatz für die XXL-Version mit Emily- Kühlerfigur ist dann doch gefunden – wo sonst die Kleintransporter der regionalen Stadtverwaltung parken. Die lokale Dorfjugend ist begeistert vom Ufo aus Great Britain. Auf zunehmend schlechter werdenden Straßen geht es zur Finaletappe Richtung Como. Dass die Fahrbahnen oftmals zerborsten und zahllos ausgebessert sind, überspielt die Luftfederung gekonnt. Seinen Die spätabendliche Stunde erleichtert das Durchkommen und erst als es ins Oberdorf von Cernobbio geht, wird es wirklich eng, denn die Kurvenradien des historischen Ortes passen nur sehr mäßig mit den knapp 5,80 Metern Länge zusammen. Doch im Gegensatz zu den hier sonst verkehrenden Fiat Ducato älteren Jahrgangs bietet der überlange Phantom eine Hinterachslenkung – das erleichtert das Rangieren allemal. Seinen größten Auftritt hat der Rolls-Royce Phantom jedoch am Zielhotel. Da er nicht in die Tiefgarage passt, möchte ihn der Concierge gerne direkt vor dem Hoteleingang parken lassen – kostenlos. „Das ist für uns natürlich eine tolle Werbung.“ Parken inklusive – nicht schlecht.

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