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Original-Test: Porsche 911 Turbo: Neuauflage des ultimativen Porsche

Früher als erwartet bringt Porsche den neuen 911 Turbo. 320 PS und die enge Verwandtschaft mit der neuen 911-Generation versprechen den längst fälligen Fortschritt. Erfüllt die Neuauflage die hochgesteckten Erwartungen? Hier die damalige Vorstellung aus Heft 06/1990 – verfasst von Wolfgang König.

original-test: porsche 911 turbo: neuauflage des ultimativen porsche

75 Jahre AMS Porsche 911 Turbo 06 1990

Der König ist tot. Es lebe der König. Gerade sieben Monate ist es her, dass Deutschlands King of the Road die Krone abgab, um sich sogleich in die noble Ahnenreihe der Investment-Klassiker einzureihen. Der Porsche Turbo, ein Beschleunigungs-Potentat von wahrhaft legendärer Größe, war Vergangenheit.

Jetzt hat die Trauer ein Ende. Auf dem Automobilsalon in Genf, schneller als erwartet, präsentiert Porsche den Thronfolger. Doch wer zugleich den Anfang einer neuen Ära erhofft, sieht sich enttäuscht. Seinem Vorgänger ist der neue Porsche Turbo wie aus dem Gesicht geschnitten. Das klassische, seit 1976 gepflegte Turbo Konzept, feiert in Genf seine Wiederauferstehung. ,

Turbo wie gehabt

Dabei mangelte es ursprünglich keineswegs an neuen Ideen. Inspiriert vom Technik-Monster 959 laborierte die Weissacher Entwicklungscrew an titanischen Bi-Turbo-Motoren, tüftelte an komplexen Allradsystemen und spielte mit schwungvollen Karosserievarianten. Dann jedoch kam Ulrich Bez. Der neue Hausherr im Porsche-Entwicklungszentrum, seit Oktober 1988 im Amt, hält wenig von kostspieligen Experimenten, aber viel von kurzen Entwicklungszeiten und profitabler Modellpolitik. Ingenieure, dicht auf der Spur des technisch Machbaren, wurden zurückgepfiffen, die ehrgeizigen Pläne gestoppt, der Über-Porsche verschwand kurz und bündig in der Schublade.

Statt dessen Turbo wie gehabt. “Die Lücke, die der alte Turbo hinterließ, sollte so schnell wie möglich gefüllt werden”, argumentiert Horst Marchert, zuständiger Entwicklungsleiter. Und schnell ging es in der Tat, wenn auch nicht so schnell wie der vorgezogene Vorstellungstermin suggeriert. Der Startschuss für den neuen Turbo fiel im Februar vergangenen Jahres, die Produktion soll im kommenden November anlaufen.

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Allradantrieb? Fehlanzeige

Da wundert es denn auch nicht, dass technische, aber auch stilistische Neuerungen auf das unvermeidliche Minimum beschränkt wurden. Die turbospezifische Optik folgt dem überlieferten Muster. Wuchtige Kotflügelverbreiterungen, ein gewaltiger Heckflügel und breitere Räder unterscheiden den Turbo von den schwächeren Carrera-Modellen der neuen Generation, deren charakteristische Merkmale er im Übrigen teilt. Den Spoiler, der bei langsamer Fahrt dezent im Heck verschwindet, gibt es beim Turbo allerdings nicht. Wie beim Vorgänger findet im Spoileraufbau der Ladeluftkühler Platz. Auch der Blick in den Innenraum lässt nichts Neues erkennen. Die Einrichtung entspricht dem aktuellen Carrera, präzise gesagt dem Carrera 2, denn einen Schalter zur Aktivierung der Differentialsperren, charakteristisch für den allradgetriebenen Carrera 4, sucht man im Turbo vergebens.

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Was sich bereits ahnen lässt, wird spätestens beim Studium der technischen Spezifikation offenkundig. Auch der neue Turbo begnügt sich mit Zweiradantrieb, selbst aufpreiswilligen Turbo-Kunden will man die Vorteile des Allradantriebs vorenthalten – ein Verzicht, der angesichts der im Carrera 4 ja bereits vorliegenden Antriebstechnik schwer zu verstehen ist. Warum also gerade der Turbo, das stärkste und teuerste aller 911-Modelle, ohne Allradantrieb? Turbo-Entwickler Marchert ist um eine Antwort nicht verlegen. “Unsere Kunden erwarten die Fahrmaschine, die dem aktiven Fahrstil entgegenkommt”, lautet die offizielle Begründung. Der traktions-, aber auch stabilitätsfördernde Vierradantrieb könnte sie vergraulen. Stichhaltiger noch ist freilich eine Erkenntnis, die weniger die Fahreigenschaften als die Fahrleistungen des Turbo betrifft. Müsste der aerodynamisch schlechtere Turbo (cw 0,36 statt 0,32) noch die mindestens 100 Kilogramm schwere Allradtechnik mitschleppen, wäre er dem Carrera 2 hier nur noch unwesentlich überlegen.

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Alter 3,3 Liter-Turbomotor

Aber auch ohne Allradantrieb hat der Turbo schon kräftig zugenommen. Mit serienmäßiger Komplettausstattung rutschte das Eigengewicht von vormals 1.335 auf stattliche 1.470 Kilogramm, 120 Kilo mehr als ein Carrera 2. Schon deshalb schien eine flankierende Leistungssteigerung geboten. Viel Spielraum blieb den Porsche Technikern indessen nicht. Das Diktat einer schnellen, kosten-günstigen Entwicklung verlangte die Beibehaltung vorhandener Technik. So blieb es beim Alten 3,3 Liter-Turbomotor. Eine Turboaufrüstung des weitaus moderneren 3,6-Liters der neuen Carrera-Generation wurde verworfen. Gleichwohl galt es ein anspruchsvolles Lastenheft zu erfüllen. Abgasreinigung mit geregeltem Katalysator bei gleichzeitiger Leistungserhöhung, verbessertes Ansprechverhalten und die Erfüllung der strengsten Geräuschvorschriften waren gefordert – Punkte, die zumindest in der Peripherie des Boxermotors intensive Entwicklungsarbeit nach sich zogen.

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Die neue Basis, der Carrera 2, kam dabei zustatten. Werksintern mit der laufenden Entwicklungsnummer 964 belegt, bietet dieser weitaus bessere Voraussetzungen für die Unterbringung eines durchsatzfreudigen Katalysators als frühere 911-Modelle. Die Verlegung des Öltanks vor die Hinterachse schafft Freiraum für das Auspuffsystem, dessen Endschalldämpfer neuerdings seitlich neben dem Motor Platz findet. Sein ursprünglicher Platz, quer hinter der Heckschürze, kann jetzt für einen doppelten Metall-Katalysator genutzt werden.

Nennenswerter Leistungszuwachs

Wie ernsthaft man sich bei Porsche um die Abgasqualität sorgt, zeigt eine weitere Neuerung. Auf Abgase, die bei Erreichen des maximalen Ladedrucks (0,75 bar) durch das Bypass-Ventil entfleuchen, wartet ein zusätzlicher Katalysator, der zusammen mit einem Schalldämpfer im Bypass-Endrohr steckt. Der Turbolader selbst bleibt in Anordnung und Abmessung unverändert. Eine modifizierte Turbinenradgeometrie soll jedoch das Ansprechverhalten beschleunigen.

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Dass sich zugleich auch ein nennenswerter Leistungszuwachs einstellt, geht weitgehend auf das Konto des Ladeluftkühlers. Dieser wurde deutlich vergrößert, die entsprechend kühlere Ladeluft ermöglicht eine intensivere Füllung der Zylinder.

97 PS pro Liter

Damit waren die Möglichkeiten auch schon weitgehend erschöpft. Motronic und Doppelzündung, beim Carrera-Motor Merkmale des technischen Fortschritts, sind dem Turbo nicht vergönnt. Die Gemischbildung übernimmt weiterhin eine mechanische K-JetronicEinspritzung. Die bisherige Hochspannungs-Kondensator Zündung (HKZ) ersetzt jetzt allerdings eine modernere Kennfeld-Zündung, was sich positiv auf Ansprechverhalten und Verbrauch auswirken soll. Porsche rechnet mit einer Verbrauchseinsparung von durchschnittlich etwa fünf Prozent. Eine stärkere Lichtmaschine, eine neue Auslegung des Kühlgebläses und ein schwingungsdämpfendes Zweimassen-Schwungrad runden die insgesamt überraschend sparsame Turbo-Sanierung ab.

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Immerhin kann sich das Ergebnis durchaus sehen lassen. 320 PS (236 kW) bedeuten eine spezifische Leistung von 97 PS pro Liter Hubraum, was dem Porsche unter katalysatorgereinigten Turbo-Motoren einen der vorderen Plätze sichert. Bemerkenswert auch das Drehmoment: 450 Nm bei 4.500/min werden geboten, 20 Nm mehr als zuvor, damals noch ohne Katalysator, 20 Nm mehr auch als im Fünfliter-V8 des Porsche 928 GT. Nicht ohne Stolz verweisen die Turbo-Entwickler dann noch auf einen weiteren Effekt der Rundum-Behandlung. Der neue Turbo genügt jetzt auch den scharfen Geräuschvorschriften der Schweiz, und das ganz ohne Geräuschkapsel. Selbst das Getriebe musste das Seine dazu beitragen. Um bei der behördlich vorgeschriebenen Vorbeifahr-Messung besser abzuschneiden, wurden die mittleren Übersetzungen des im Übrigen unveränderten Fünfganggetriebes geringfügig modifiziert. Für das bereits im Porsche 959 erprobte Sechsganggetriebe fehlte im Turbo der Platz.

Neue Reifen und neue Bremsanlage

Doch nicht die Antriebsverbesserungen sind es, die beim neuen Turbo den größten Fortschritt bringen. Dieser geht zweifellos auf das Konto der neuen Basis. Der Generationswechsel, der den Carrera in Karosserie und Fahrwerk von Grund auf verjüngte, kommt in vollem Umfang auch dem Turbo zugute. Bodengruppe und Radaufhängung entsprechen prinzipiell dem Carrera 2. Vorne mussten zur Spurverbreiterung (von 1.380 auf 1.436 mm) die Achshälften ebenso wie die Anlenkpunkte der Federbeine weiter nach außen wandern. Den gleichen Zweck erfüllen hinten neue Schräglenker, welche die Spur von 1.372 auf 1.501 mm vergrößern.

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Besonders viel versprechen sich die Fahrwerkstechniker von der neuen Bereifung. Als erstes Serienauto rollt der Turbo auf 17 Zoll-Rädern, üppig bestückt mit Reifen der Dimensionen 205/50 (vorne) und 255/40 (hinten). Turbospezifisch auch die neue Bremsanlage: Vorne stammen Scheiben und Bremssättel vom Porsche 928, hinten bediente man sich der Vorderradbremsen des 944 Turbo – ein Griff in den Baukasten, der zwar die Bremsleistung gegenüber dem Vormodell kaum erhöht, dafür aber die Kosten senkt. ABS gehört serienmäßig dazu, auch ein hydraulischer Bremskraftverstärker wie im Carrera 4. Den Segen des allgemeinen 911-Fortschritts dokumentiert schließlich die Lenkung. Vorderachsgeometrie und Servolenkung gleichen dem Carrera 2, ihr wohltuender Effekt auf die Fahreigenschaften ist daher bereits bestens bekannt.

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Preis: 170.000 Mark

Karosserieseitig beschränkt sich die Aufwertung gegenüber dem zugrunde liegenden Carrera auf eine Erweiterung der Serienausstattung. Ein Bordcomputer, hier mit digitaler Ladedruckanzeige, zählt jetzt ebenso dazu wie die Klimaanlage, angesichts des Grundpreises von voraussichtlich 170.000 Mark sicher kein übertriebener Luxus. Weiterhin aufpreispflichtig bleibt dagegen der doppelte Airbag für Fahrer und Beifahrer.

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Bleibt die Frage, um die sich beim Turbo letztlich alles dreht. Ist dies der schnellste Serien-Porsche der Neuzeit? Zumindest die Beschleunigungswerte deuten darauf hin. Für die Renommierdisziplin von null auf 100 km/h nennt Porsche glatte fünf Sekunden, was dem Turbo unter den deutschen Supersprintern die Pole Position reserviert. Auf der Autobahn muss er den Platz an der Spitze jedoch teilen. 270 km/h werden versprochen, fünf weniger als beim 928 GT, genug aber, um den Turbo auch künftig am besten mit Vorsicht zu genießen.

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