Verkehr

Öffentlicher Nahverkehr zum Nulltarif: Kommentar

Für einen öffentlichen Nahverkehr zum Nulltarif müssten die Autofahrer zahlen: diejenigen, die fahren müssen, und die, die fahren wollen. Kommentar!

Öffentlicher Nahverkehr zum Nulltarif: KommentarDer öffentliche Personennahverkehr zum Nulltarif soll kommen! Das ist der Vorschlag der Bundesregierung, um die Luft in den Städten zu verbessern. Hört sich vernünftig an – könnte man doch erwarten, dass viele Pendler eine Gratis-Monatskarte für den ÖPNV nicht ausschlagen würden. Doch bei Licht betrachtet ist es eine Schnapsidee, denn von ihrer Umsetzung profitieren nur einige, und zahlen müssen alle. Klar, wer in Städten mit gut ausgebauter Infrastruktur lebt, könnte sich freuen. Dort scheint der Umstieg vom Auto in Bus, Tram und S-Bahn am ehesten möglich. Doch auch hier reicht das Angebot nicht: Wer sich mal nach dem Ausfall nur eines Zuges in einen überfüllten S-Bahn-Waggon gequetscht hat, weiß, dass direkter Körperkontakt zu Unbekannten keine Freude sein muss. Die Kapazität des öffentlichen Personennahverkehrs müsste mindestens verdoppelt werden. Das wird teuer!

Die Pendlerpauschale dürfte fallen

Und wer müsste dafür zahlen? Das Geld der Kommunen reicht schon jetzt nicht zur halben Deckung der Kosten eines passablen öffentlichen Nahverkehrs. Bus und Bahn für alle, dafür wären viele weitere Milliarden nötig, wir rechnen in Zehnerschritten. Da müsste der Bund eingreifen, also wir alle. Woher die Milliarden zum Ausbau des Gratis-Nahverkehrs kämen, ist auch schon klar: von der Pendlerpauschale! Da muss kein Finanzminister lange rechnen, denn warum sollte der gratis fahrende Nahverkehrsnutzer seine günstige Fahrt zur Arbeit auch noch steuerlich vergütet bekommen? Die Pendlerpauschale kostet den Fiskus – genau wie die Vergünstigung der Privatnutzung eines Firmenwagens – jedes Jahr je fünf Milliarden Euro. Beide Subventionen dürften entfallen. Und der erkleckliche Rest dürfte über indirekte Steuern finanziert werden.

Zahlen müssten die Autofahrer

Also zahlen all die Autofahrer, die ohne fahrbaren Untersatz nicht auskommen können: Der Pendler auf seiner täglichen Strecke von vielleicht 30 Kilometern. Oder jede Mutter, die morgens die Kinder auf dem Weg zur Arbeit gehetzt in die Kita bringt. Sollen sie alle etwa den Bus nehmen? Nein, sie müssten blechen, damit die Städter besser ins Büro kommen. Was soll das? Zum Schluss kommt noch der Bauch zu Wort, denn, seien wir mal ehrlich: Wir nehmen nicht das Auto zur Arbeit, weil wir es müssen, sondern weil wir es wollen! Stau hin, Stau her, das kleine Stückchen Freiheit jeden Morgen mit Musik oder Radioprogramm nach Wahl bedeutet auch ein Stück weit Lebensqualität. Ob nun der öffentliche Nahverkehr gratis wäre oder nicht: Viele von uns müssen, viele wollen selber fahren. Ein Gratis-ÖPNV käme teuer, und die Luft wäre nicht viel besser. Ein Kommentar von Matthias Brügge

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