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Nissan LEAF – der Klassiker aus Japan

nissan leaf – der klassiker aus japan Modell ZE1 (N) mit 40 kWh-Batterie nissan leaf – der klassiker aus japan 62 kWh Batteriepack mit 213 PS-Motor nissan leaf – der klassiker aus japan Klassisches Cockpit mit Touchscreen nissan leaf – der klassiker aus japan Klassischer Hatchback, große Klappe

Wer bislang gedacht hat, dass das „Leaf“ im Namen des Stromers für „Blatt“ steht, hat nur zum Teil recht. Tatsächlich soll es sich um ein Akronym handeln: Leading Environmentally-friendly Affordable Family car. Damit ist eigentlich (fast) alles über das Fahrzeug gesagt. Der Leaf war das erste Großserien-Elektroauto und wurde bereits im Jahre 2009  in Japan vorgestellt.  Inzwischen ist der Stromer laut Wikipedia in 51 Ländern erhältlich und wurde bislang über 400.000 Mal gebaut. Damit ist er das weltweit meistverkaufte Elektrofahrzeug – immer noch. Tesla Model 3 hin oder her.

Im Jahr 2018 war der Leaf auch das meistgekaufte Fahrzeug in Europa. Vor allem aber in den USA ist der Stromer recht erfolgreich gewesen, bis, ja bis Tesla zuschlug. Derzeit schwächelt der Wagen auf nahezu allen Märkten. Was wohl auch der Grund dafür ist, dass die Promotion auf Hochtouren läuft. Wir haben uns als Privatleute zur Probefahrt angemeldet.

Erst mal passierte gar nichts. Nach fast einer Woche rief eine freundliche Dame an, um nachzufragen, welcher Händler denn am besten geeignet wäre. Gesagt getan. Ein Münchner Nissan-Händler rief uns wiederum ein paar Tage später an und wir nahmen das Fahrzeug schon bald in Empfang.

Der Händler war zuvorkommend, kannte sich bei Stromern ausserordentlich gut aus, und erklärte uns kurz und präzise die wichtigsten Funktionen des Autos. Das Wichtigste für uns: der „Einpedalbetrieb“. Wer das einmal ausprobiert hat, der möchte nicht mehr „klassisch“ unterwegs sein. Der BMW i3 macht es, und der Leaf macht’s auch recht gut.

Im Gegensatz zum ersten Leaf ist das neue Modell ein stattliches Fahrzeug geworden. Sehr viel kantiger als der Vorgänger und mit knapp 4,50 m etwas länger und höher, aber nicht ganz so breit. Das Leergewicht ist mit 1.580 – 1.640 kg recht hoch und kommt einer E-Klasse von Mercedes schon recht nahe. Die wiegt ab 1.575 kg. Unser Testwagen hatte bis auf das BOSE-System und einige Kinkerlitzchen Vollausstattung, aber die kleine Batterie mit 40 kWh. Bei Übernahme war sie zu 80% geladen.

nissan leaf – der klassiker aus japan

Interieur auf Klassenstandard. Viele Funktionen, aber selbsterklärende Bedienung

Das Interieur

Das Armaturenbrett hat Klassenstandard, und zeigt neben einem analogen Tacho (also kein Monitor) auf einem Screen daneben die einstellbaren Informationen an. In unserem Fall haben wir Durchschnittsverbrauch eingestellt. Unten die Batterieanzeige, daneben die erwartete Restreichweite und der normale Kilometerstand. Der große Bildschirm des Infotainmentsystems ist unterhalb der Lüftung in der Mitte angebracht, was für einen längeren Blick darauf während der Fahrt nicht ganz optimal ist. Darunter die Tasten für Klimatisierung. Wiederum weiter unten der Starterknopf, ein USB-Anschluss sowie bei der Premiumausstattung die Sitzheizung, daneben eine Steckdose.

Das Infotainmentsystem hatte dann auch alle relevanten Apps wie Apples CarPlay und Android Auto aufgespielt. Das Fahrzeug hatte 4 Kameras für 360° Rundumsicht verbaut. Ein automatische Verkehszeichenerkennung rundet die Kamera-Phalanx ab. Logisch dass hier auch ein „Intelligenter Autonomer Stauassistent“ an Bord war, der bis auf 0 km/h herunterbremsen soll. Wir haben es ausprobiert: funktioniert auch wenn man sich überwinden muss nicht auf den letzten Metern manuell zu bremsen. Neben dem Spurhalteassistent mit korrigierendem Bremseingriff wies der Wagen auch einen Lenk-Assistenten für selbständiges Spurhalten auf.

Gewöhnungsbedürftig der „Ganghebel“. Die Betätigung erschliesst sich nicht wirklich ohne Einführung des Händlers, vor allem das Abrufen der Einpedal-Funktion. Wir fragen uns immer wieder, was so schlecht an einem ganz normalen Ganghebel ist. Im Großen und Ganzen ist das Armaturenbrett sehr gut verarbeitet, die Kunststoffe fühlen sich gut an. Die schwarzen Stoffsitze mit blauen Nähten sind bequem und bieten guten Seitenhalt.

Die Platzverhältnisse auf den Rücksitzen sind gut, der Kofferraum üppig. Sein Ladevolumen beträgt 420-790 Liter (bei umgeklappten Rücksitzlehnen). Befindet sich die BOSE-Sound-Anlage an Bord, steht der Verstärker etwas im Weg, das ist nicht durchdacht.

nissan leaf – der klassiker aus japan

LED-Scheinwerfer

Exterieur

Über die Form des Fahrzeugs kann man streiten, aber die Übersichtlichkeit ist gut, beziehungsweise genauso schlecht wie bei allen modernen Fahrzeugen. Dicke Holme verhindern den echten Rundumblick. Das ist einfach der Sicherheit geschuldet, auch wenn es die Übersichtlichkeit mindert. Nissan umgeht das mit dem optionalen 360°-Kamerapaket. LED-Scheinwerfer und Metallic-Lackierung runden das Bild ab. Mit Überführung hat sich der Testwagen-Preis jetzt auf 39.765 Euro addiert. Mit der kleinen Batterie wohlgemerkt. Die Große hätte 62 kWh.

Die e-engine Normrunde Landstraße

Nachdem die 40 kWh-Batterie nur zu 80% geladen war und die e-engine Normrunde erst nach rund 30 km begonnen werden konnte, machten wir uns durchaus Sorgen um die Reichweite. Schließlich ist der LEAF ein recht stattliches Auto und wir rechneten mit einem höheren Stromverbrauch (zumal der Testwagen auch noch 150 PS hatte). Da sollten doch etwas mehr Elektronen durch den Elektromotor laufen … Das war schon der erste Irrtum. Der Stromverbrauch des LEAF war auf den ersten Blick nicht höher als der des Renault ZOE. Im Gegenteil. Der Stadtverkehr forderte dem Japaner rund 13,1 kWh auf 100 km ab, da rieben wir uns etwas die Augen. Offensichtlich ist der 150-PS-Elektromotor „sparsamer“ als der ZOE-Motor mit 75 PS. Aber der Reihe nach.

Das Kurvenverhalten des LEAF ist vorbildlich, unsere sportliche Landstraßen-Fahrweise beeindruckte das Fahrzeug nicht im mindesten. Wo der ZOE noch stuckerte, da war die Federung des LEAF in ihrem Element. Nur wenig Fahrwerksgeräusche fanden den Weg in den Innenraum. Die schnellen Kurven zwischen Andechs und Fischen am Ammersee nahm der Leaf recht stoisch, klar, er ist kein Sportwagen, aber zusammen mit dem recht potenten Elektroantrieb macht das Kurvenräubern Freude.

Die Strecke von Herrsching zurück nach Andechs weist einen stetigen Anstieg auf und fordert den Stromer beim Verbrauch. Kurzzeitig war eine 20 auf dem Durchschnittsverbrauch zu sehen aber der Leaf zog gut durch und stellte mal wieder alle Vorzüge des Elektromotors unter Beweis. Dann der „Proof of the Pudding“: Landstraße, ansteigend, Lastzug. Straße frei. Kickdown. Der Leaf schiesst mit einer Vehemenz nach vorne, dass man fast erschrecken könnte. Aber: das Fahrzeug bleibt sicher in der Spur.

Die automatische Verkehrszeichenerkennung funktioniert bis auf ein Mal flott. Bei der Auffahrt auf eine Autobahn zeigte das System kurzzeitig 120 statt der vorgeschriebenen 60 km/h an.

Schließlich absolvierte der Leaf die Normrunde mit 15 kWh. Das bei zügiger Landstraßenfahrt – kein schlechter Wert.

nissan leaf – der klassiker aus japan

CHAdeMO-Schnellladevorrichtung und IEC 62196 Typ 2 Ladedose

Was wir nicht so gut fanden

Der Ganghebel in der Mitte ist gewöhnungsbedürftig. Das Infotainmentsystem hat zum Teil noch recht antiquierte Displays – vor allem die skeumorphischen Schalter sind inzwischen mehr als überholt. Aber das ist Geschmacksache. Das Armaturenbrett mit seinem analogen Tacho wirkt ein wenig antiquiert, der Tacho deplatziert neben all den elektronischen Displays. Das wars auch schon. Mit 40.000 Euro und der kleinen Batterie ist die Preis-Gegenwert-Relation suboptimal. Immerhin sind wir hier in Regionen eines Verbrenners vom Schlage einer Mercedes C-Klasse, die bei 33.000 Euro (nackt) beginnt. Auch die Reichweite ist mit der kleinen Batterie zu gering.

Was wir gut fanden

Die Kraftenfaltung im Leaf ist Elektro-typisch, wenn man den Eco-Button nicht drückt. Aber auch in der ECO-Stellung bleibt eine Menge Bums übrig. Wer ein spritziges, sofort lieferbares, Elektro-Fahrzeug sucht, der macht mit dem LEAF nichts verkehrt – vorausgesetzt man mag die Formensprache. Die ist aber Geschmacksache. Für knapp 40.000 Euro hat der Wagen nahezu alles an Fahrassistenzsystemen an Bord, was man sich vorstellen kann.

Unser Fazit

nissan leaf – der klassiker aus japanDer Leaf war eine echte Überraschung. Während das Vorgängermodell mit seiner rundgelutschten Form zwar recht erfolgreich war, aber wie eine typische „Öko-Kiste“ aussah, ist das neuere Modell ziemlich auf der Höhe der Zeit. Und auch wenn das eine oder andere Display altmodisch wirkt und es ist unverständlich, dass der Tacho noch analog arbeitet, ist ein voll ausgestatteter Nissan LEAF ein – für Elektrofahrzeuge – preiswürdiges Angebot. Zumal das Fahrzeug mit 50 kW CHAdeMO-Schnellladevorrichtung ausgerüstet ist. Klar, Verbrenner kosten gleich mal rund 10.000 Euro weniger. Allerdings kommt ein Verbrenner mit der Ökobilanz des Nissan nicht mit:

Laut der Automotive Science Group ist der Leaf das Auto mit der besten ökologischen, sozialen und ökonomischen Gesamtbilanz aller 1.400 in Nordamerika erhältlichen Fahrzeuge im Jahre 2017 auch das 2018er Modell ist unter den 5 besten Fahrzeugen der Gewinner der ASG Group. Er hat zudem die beste CO2-Bilanz auf Basis einer Lebenszyklusanalyse, laut Wikipedia. Die Vorbereitung auf V2G-Technologie scheint vorhanden zu sein, auch wenn dies nicht „out-of-the-box“ funktioniert. Wir vergeben deshalb knappe 4 Sterne für die Variante mit 40 kWh für den 5. Stern müsste die Batterie größer und damit die Reichweite höher sein – Anwärter darauf wäre der große Leaf mit 62 kWh-Batterie, den haben wir aber nicht getestet.

Datenblock (Testwagen)

  • Leistung: 40 kWh-Akku mit 110 kW/150 PS
  • Drehmoment: 320 Nm
  • Antriebsart: Frontantrieb mit Wechselstrom-Synchronmotor
  • Reichweite: 270 km (WLTP), 378 km (NEFZ), 240-290 km in der Realität
  • Ladeanschlüsse: CHAdeMO für Gleichstromladung bis 50 kW, IEC 62196 Typ 2 für einphasige Ladung bis 6,6 kW
  • Ladezeiten: 21 h bei 220 Volt Schukosteckdose, 7,5 h an der 7-kW-Wallbox und von 20 auf 80% in 1 h an einer 50-kW-Schnellladestation
  • Vmax: 144 km/h (abgeregelt)
  • Leergewicht: 1.580 kg – 1.640 kg, Zuladung 423 kg
  • Verkaufspreis: ab 36.800 Euro für die 40 kWh-Variante/ab 44.700 Euro für die 62 kWh-Variante mit 217 PS
  • Testwagenpreis (ohne Subventionen und Rabatte): 39.765 Euro

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