Das Topmodell der Ariya Baureihe schaltet zwei E-Motoren für 306 PS zusammen. Wie der aktuell stärkste Nissan fährt, haben wir ausprobiert.
Nissan Ariya 87 kW AWD Allrad Wintertest
Von alledem merkt der geneigte Betrachter wenig, denn Nissan verpasst dem Ariya e-4orce keine spezielle Gestaltung, außer dem Typenschild gibt es keinen Unterschied zu den beiden Kollegen mit Vorderradantrieb. Was auch für den Innenraum gilt, dem sich die Nissan-Designer besonders nachdrücklich gewidmet haben. Die Oberflächen mit Velours- und Holztextur sehen gut aus und fassen sich schön an, wo das viele Geld (zum Preis kommen wir später) gelandet ist, kann man da dem Nachbarn beim Probesitzen schon erklären. Ein echter Hingucker im Wortsinn sind die in der gemaserten Oberfläche integrierten Schalter, die erst bei Betriebsbereitschaft aus dem Holzimitat hervorleuchten. Das sieht wirklich stylish aus, ist ergonomisch aber nicht ganz so super.
Laderaum schrumpft ein wenig
Das Platzangebot wird bei der Doppelherz-Version des Ariya nur unwesentlich eingeschränkt. Gar nicht für die Besatzung und ein wenig beim Ladevolumen (415 statt 468 Liter bei aufgestellten Rücksitzen), wobei die eigentliche Grundfläche im Laderaum ebenfalls den Frontrieblern entspricht. Der Volumenverlust findet im Fach darunter statt. Während auf den Rücksitzen die Kopffreiheit trotz des stark abfallenden Dachs absolut in Ordnung geht, hält die Silhouette beim Thema Übersicht, was sie verspricht: Nach hinten eher mäßig. Die 360-Grad-Kameras mit Darstellung des Umfelds auf dem Zentralbildschirm sind jedoch löblicherweise Serie bei allen Ariya, das entschärft dieses Thema.
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Es geht hurtig vorwärts
Den beherzten Schub ohne furchteinflößenden Tritt ins Kreuz beherrscht der Aria e-4orce auch aus dem Stand (0 bis 100 km/h 5,7s) und deklassiert seine beiden 2WD-Kollegen dabei besonders, die brauchen rund zwei Sekunden mehr. Was aber nur die halbe Wahrheit ist, denn mit dem zusätzlichen Heckmotor fallen bei starker Beschleunigung außerdem die Lenkeinflüsse weg, von denen die Einzelmotor-Varianten nicht verschont bleiben.
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Was der Allrad aber vor allem bringt, lässt sich in der Kurve feststellen. Hier haben die frontgetriebenen Ariya-Modelle bei uns einen eher durchwachsenen Eindruck hinterlassen, zu deren Ehrenrettung nun e-4orce antritt. Die phonetisch eher unglückliche Kombination bezeichnet künftig in allen elektrifizierten Nissan-Modellen die Varianten mit Allradantrieb, so auch im Nissan X-Trail mit dem e-Power Hybridantrieb. Die zusätzliche Triebkraft aus dem Heck hält den Ariya auch bei hohem Tempo neutral in der Spur und Untersteuertendenzen auf Abstand.
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Das spielt sich allerdings dann schon in Grenzbereichen ab, in die Normaluser eines Elektro-SUV eher selten hineinschmecken, der Ariya ist ja kein Rundstrecken-Racer. Im Alltag eher spürbar ist die Federung, die auf etwas gestrige Weise Sportlichkeit durch Härte darstellen möchte, dabei aber den Komfort aus den Augen verliert. Das ist besonders auf schlechten Straßen nicht durchgängig schön. Dafür gefällt das sehr aufrechte Fahrverhalten ohne Tendenz zum Wanken.
Volltanken mit maximal 130 kW
Der 800-Volt-Technik, mit der Wettbewerber wie der Kia EV6 vorfahren, hat Nissan beim Ariya eine Absage erteilt. An Gleichstrom-Schnelladern endet demnach bei 130 kW die maximale Ladeleistung. Der serienmäßige Dreiphasenlader für Wechselstrom tankt den Ariya an der Wallbox über Nacht in akzeptablem Tempo voll. Wie weit einen der beachtlich große 87 kWh-Akku (netto, brutto sind es 91 kWh) bringt, hängt von der Jahreszeit und vor allem der Fahrweise ab. Auf den WLTP-Wert von angegebenen 20 kWh/100 km kann man im Realverkehr sicher noch mal drei bis fünf kWh draufsatteln, speziell bei hohem Tempo ist der Verbrauch des hohen SUV beachtlich. Auf der Eco-Runde erreichte der Fronttriebler-Ariya in unserem Test 19,7 kWh/100 km, die Allradversion dürfte etwas höher liegen.
Bliebe noch der Blick auf die Preise. Da hat schon der frontgetriebene Ariya die Messlatte in luftige Höhe gelegt. Für den e-4orce-Ariya steigt die Einstiegsschwelle auf 66.490 Euro, mit der Option auf weitere 2.500 Euro für Extras (20-Zoll-Räder und Nappaleder). In dieser Hinsicht war der gute alte Leaf dann doch angenehmer.
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