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Neue Allianz auf Augenhöhe: Neue Allianz auf Augenhöhe

neue allianz auf augenhöhe: neue allianz auf augenhöhe

Japanische Präzision und französisches Design: Nissan und Renault kooperieren.

Nach monatelangen Verhandlungen und Verzögerungen haben die Autokonzerne Renault und Nissan sich auf eine neue Form der Zusammenarbeit in ihrer mehr als zwei Jahrzehnte alten Allianz geeinigt. Demnach wird Renault seinen Kapitalanteil an dem japanischen Unternehmen reduzieren. Nissan erreicht so das lang angestrebte Ziel, die französische Kontrolle über das eigene Management abzustreifen. Renault erhält im Gegenzug die Zusage Nissans, sich an einer neuen Tochtergesellschaft von Renault zu beteiligen. Die Unternehmen veröffentlichten die Kernelemente der Einigung in zwei gleichlautenden, aber separaten Erklärungen. Das deutet auf ein nicht spannungsfreies Verhältnis hin.

Die Einigung, die noch von den Verwaltungsräten der beiden Unternehmen genehmigt werden muss, zieht eine Art Schlussstrich unter die Affäre um den früheren Nissan- und Renault-Chef Carlos Ghosn, der die grenzüberschreitende Allianz erfolgreich entwickelt hatte. Doch das Verlangen der französischen Regierung unter Präsident Emmanuel Macron, die Allianz durch eine Fusion der Unternehmen zu perpetuieren, schürte das schwelende Misstrauen am Hauptsitz von Nissan in Yokohama vor einer französischen Übernahme.

Ghosn wurde 2018 in Japan wegen des Verdachts falscher Finanzberichte und der Veruntreuung festgenommen. Spätestens seither rang die Allianz um eine neue Form, weil Nissan auf Gleichberechtigung drängte und den Einfluss des französischen Staats fürchtete, der 15 Prozent an Renault hält. Als wichtiger Schritt hin zur Einigung galt in Tokio, dass der französische Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire in einem Brief der japanischen Regierung zusicherte, dass Frankreich keine Einwände gegen eine Verringerung des Kapitalanteils von Renault an Nissan habe.

Die Einigung besteht aus zwei Kernelementen. Renault reduziert seinen Anteil an Nissan von 43,4 auf 15 Prozent, so wie Nissan schon bisher 15 Prozent an Renault hält. Die Besonderheiten des französischen Gesellschaftsrechts bringen es mit sich, dass Nissan durch diesen Rückzug Renaults erstmals Stimmrechte bei Renault ausüben darf – weil eine Überkreuzbeteiligung die Rechte der kleineren Partei neutralisiert, wenn der größere Partner mehr als 40 Prozent der Anteile hält. Die Stimmrechte beider Unternehmen werden nun auf 15 Prozent beschränkt. Damit ist sichergestellt, dass Nissan bei Renault nicht mehr Stimmrechte als der französische Staat hat. Renault wird nach der Einigung 28,4 Prozent in einen Treuhandfonds legen, die weitgehend keine Stimmrechte mehr haben, und die Anteile in einem geordneten Verfahren ohne Zeitbegrenzung verkaufen. Die Franzosen müssen die Aktien also nicht zum aktuellen Kurs verkaufen, der deutlich niedriger ist als in früheren Jahren, sondern können sich mit dieser Entscheidung Zeit lassen und behalten zugleich das Recht auf die Dividendenausschüttung.

Nissan sagt als zweites Kernelement zu, sich an Renaults neuem Software- und Elektrounternehmen Ampere zu beteiligen. Dieses ist Teil der im November von Konzernchef Luca De Meo angekündigten Strukturreform, die die Zerlegung des französischen Autoherstellers in mehrere Geschäftseinheiten und den Verkauf von Anteilen an Investoren vorsieht. Die Beteiligung der Japaner können die Franzosen als Erfolg verbuchen, deren genaue Höhe bleibt aber offen. In der Konzernmitteilung von Montag spricht Renault einzig davon, dass Nissan ein „strategischer Aktionär“ werden solle. Medienberichten zufolge sind die Japaner zu einer Beteiligung von maximal 15 Prozent bereit.

Renault hatte zuletzt angegeben, deutlich mehr als 50 Prozent der Anteile an Ampere nicht verkaufen zu wollen, und das Interesse des amerikanischen Halbleiterproduzenten Qualcomm bestätigt. Sollte Letzterer ebenfalls nur maximal 15 Prozent erwerben wollen, brauchte es entweder noch einen weiteren Partner oder Renault könnte vorerst nur mit wenig frischem Investorengeld planen; in Finanzkreisen war der Wert von Ampere zuletzt auf rund 10 Milliarden Euro geschätzt worden. Der dritte Partner in der Allianz, Mitsubishi Motors, erklärte am Montag auf eine Frage, über seine mögliche Beteiligung an Ampere gebe es nichts mitzuteilen.

Die Gespräche über die neue Struktur der Allianz hatten sich verzögert, weil die Zerlegung von Renault und der Verkauf von Anteilen an neue Investoren Fragen über den Umgang mit Patenten an gemeinsam in der Vergangenheit entwickelten Komponenten aufwirft. Skeptisch beäugt Nissan insbesondere, dass Renault sein Verbrenner- und Hybridgeschäft außerhalb Frankreichs in einem Zuliefererunternehmen namens Horse bündeln will – unter Beteiligung des chinesischen Autoherstellers Geely. Auch in dieser Sache scheint eine Einigung erzielt worden zu sein.

Für Renault ist die Einigung mit Nissan auch deshalb von großer Bedeutung, weil die gemeinsame Entwicklung neuer Fahrzeuge Kosten senken und die Expansion in bislang unterrepräsentierte Regionen wie Asien hilft. Ohne ins Detail zu gehen, sehe die „Wiederbelebung“ der Partnerschaft „Schlüsselprojekte in Lateinamerika, Indien und Europa“ vor, hieß es in der Konzernmitteilung vom Montag.

Beide Partner schwächeln

Nach den Wirrungen der Ghosn-Affäre, dem Umsatzeinbruch in der Corona-Pandemie und dem teuren Abschied von seinem vormals zweitgrößten Absatzmarkt Russland steht Renault nach wie vor deutlich schwächer da als noch vor wenigen Jahren. An der Börse überzeugten die Reformpläne von De Meo, der Aktienkurs hat im vergangenen halben Jahr mehr als 20 Prozent an Wert gewonnen, auf aktuell rund 37 Euro. Doch Anfang 2019 notierte er noch bei knapp 90 Euro.

Die Allianz war 1999 gegründet worden, als Renault Nissan vor dem Konkurs rettete und sanierte. Nissan entwickelte sich dann weit besser als Renault und führte satte Gewinne an die Franzosen ab. In den vergangenen Jahren aber hat Nissan, gemessen am Börsenwert, drastisch an Wert verloren und liegt nun auf dem Niveau von Renault. Das Management in Yokohama führt das auf eine verfehlte Expansionsstrategie unter Ghosn zurück. Auch im Verkaufsvolumen nähert Nissan sich rapide Renault an. Im vergangenen Jahr verkaufte Nissan 3,2 Millionen Fahrzeuge, 20 Prozent weniger als zuvor. Renault meldete ein Minus von 6 Prozent auf 2,1 Millionen Fahrzeuge.

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