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Motorradtour Norwegen: Lofoten, Vesterålen, Senja

Birgit Pütz und Jo Deleker fuhren in einem Motorrad-Sommer ganz weit nach Norden, bis zu den Lofoten. Birgit mit ihrer alten Suzuki DR 650 SE, Jo auf seiner neuen Ténéré.

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Motorradtour Norwegen: Lofoten, Vesteralen, Senja

Zwei Wochen vor unserer Reise finden wir im Internet ein Siegerfoto des renommierten Siena Photo Award, ein monumentaler Berg namens Segla auf der Insel Senja im magischen Licht. Segla? Senja? Nie gehört. Schnell finden wir heraus, dass diese Insel nur eine Tagesetappe nördlich der Lofoten liegt. Was für ein Zufall, spontan erweitern wir unsere Reiseplanung.

Auf die Insel Senja

2.300 Kilometer später rollen wir über die 50 Meter hohe Betonbrücke auf die Insel Senja: Birgit mit ihrer alten Suzuki DR 650 SE, Jo auf seiner neuen Ténéré, beide mit platt gesessenen Hintern nach der langen Anreise, aber euphorisch, endlich anzukommen. Kleiner Stimmungskiller: Es nieselt fies bei schüchternen sechs Grad. Zu Hause waren es 34. Aufs Zelt hat heute jedenfalls keiner Lust. Lieber mieten wir eine mollig warme Holzhütte mit feiner Aussicht über den Størnesfjord. Senjas Topografie ist übersichtlich, im Süden hügeliges Wald- und Farmland, im Norden die zerklüftete Küste mit schmalen Fjorden, eingerahmt von steilen und bis zu 1.000 Meter hohen Bergen. Eine spektakuläre Landschaft, rau, schwer zugänglich, selbst Ende August sehen wir noch Schneereste. Kein Wunder, der Polarkreis liegt weit im Süden.

Unser Tagesprogramm ist easy. Es gibt keins. Wir fahren einfach los, Sightseeing, Fjord rein, Fjord raus, die wenigen Sackgassen zu einsamen Orten erkunden, über diese grandiose nordische Welt staunen, maximal steile Felstürme bewundern, die selbst in den Dolomiten oder im Hoggar-Gebirge eine gute Figur machen würden. Die Nordküstenstraße ist ein echter Knaller, du weißt kaum, wohin du zuerst schauen sollst, so schnell wechseln finstere enge Tunnel, haarige Kurven und die Aussichten in die Fjorde. Liebe auf den ersten Blick.

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500 Höhenmeter hinauf zum Segla wandern

Kleine Orte wie Husøy, Mefjordbotn oder Senjahopen, in denen Hektik ein Fremdwort ist, in der nächsten Bucht ein breiter Sandstrand mit Surfern in Neopren, die vergeblich auf Wellen warten. Der Nordatlantik ruht im Sommerschlaf. Am Parkplatz ein vergoldetes Klohaus mit Glasdach, innen geheizt und picobello sauber, Kunst auf Norwegisch. Abends parken wir die Mopeds in Fjordgård, schnüren die Wanderschuhe und schnaufen 500 Höhenmeter hinauf zum Segla. Von unten sieht der 648 Meter hohe Berg belanglos aus, aber als wir oben am Grat zum Nachbarberg Hesten ankommen, dürfen wir schon wieder staunen. Blank polierte Granitfelsen, wie ein Finger ragt der Segla senkrecht auf, ebenso geht es auf der Westseite runter zum Fjord. Fast die gesamte Nordküste ist von hier zu sehen, Berge, Fjorde, Seen, winzige Orte, ein Fischerboot tuckert heimwärts, eine wilde subarktische Welt.

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Mit der Fähre zur Inselgruppe Vesterålen

Anderntags entern wir die Fähre MS Stetind hinüber nach Andenes auf der Inselgruppe Vesterålen. Andenes nennt sich stolz “whale watching capital of Norway”. Tatsächlich gibt es keinen anderen Ort in Norwegen, von dem sich eine sommerliche Wal-Safari so Erfolg versprechend buchen lässt. Allerdings ignoriert das Land weiterhin das Internationale Moratorium zum Walfangverbot und tötet jedes Jahr etwa 500 Minkewale – auch das gehört noch immer zu Norwegen.

Auf die Insel Langøya

Die Westküste von Andøya verströmt beste Ende-der-Welt-Atmo. Breite Strände, an denen lange Atlantikwellen schäumen, schwerer grauer Himmel, selten mal ein rotes oder weißes Holzhaus, nicht ein Auto begegnet uns auf 50 Kilometern. Pure Einsamkeit. Wir wechseln die Inseln, rollen auf Langøya nordwärts zu einem besonderen Ort – Nyksund. Früher, bevor die großen Fischtrawler den Kabeljau schon weit draußen abschöpften, war Nyksund ein typischer Fischerort. Vor etwa 50 Jahren wurde er zur Geisterstadt, mit den kleinen Booten lohnte sich der Fischfang nicht mehr. Aber nach und nach kamen Künstler und Aussteiger, machten einige der alten Häuser wieder bewohnbar, richteten sich ein. Heute ist Nyksund ein spannender Mix aus Verfall und neuem Leben. Und es gibt ein urgemütliches Café mit leckerem Kuchen. Ein kleines Stück für 7,50 Euro. Wer vorher nicht nach dem Preis fragt, will ihn vielleicht gar nicht wissen.

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Auf den Vesterålen und Senja kann man den hohen Norden tatsächlich noch ohne Massentourismus erleben. Die weiße Plage der WoMos rollt zumeist auf der E 6 zum Nordkap, lässt die Inseln links liegen. Ende August ist aber selbst auf den beliebten Lofoten kaum noch was los. Dem Wetter ist das egal, nach dem ruhigen grauen Morgen dreht es nun an der Dramatik-Schraube. Eine steife Brise schiebt fette schwarze Schauerwolken vom Meer in die Berge, die erleichtern sich kurz und heftig und machen sich dann über die nächste Insel her. Dazwischen brennt die starke Sonne durch Wolkenlücken, versilbert die abziehenden Regenschauer zu leuchtenden Vorhängen. Götterzauber. Der Nachteil: Dir geht ständig die Düse, dass dich einer dieser monströsen Schauer erwischt und dir das Glück nicht rechtzeitig eine Bushaltestelle schenkt. Wir steuern Melbu an, entern dort die große Fähre Tyksfjord, die uns zu den Lofoten bringt.

Vorhang auf für die Lofoten

Und nun Vorhang auf für die Lofoten, Sehnsuchtsziel vieler Nordlandfahrer. Nirgendwo sonst ist die Kombination aus Dramatik und Idylle so offensichtlich wie hier. Unzählige spitzgipfelige Berge ragen direkt aus den Fjorden, manche 1.000 Meter hoch, am Ufer bilderbuchschöne Holzhäuser, traditionelle Fischerboote am Kai, bisweilen grenzt diese Schönheit schon an Kitsch. Ist aber real. Das Reisen hier könnte kaum einfacher sein, ist doch die E 10, die den ganzen Archipel bis zum letzten Ort namens Å durchzieht, längst viel zu breit, kurvenarm und tunnelreich ausgebaut worden. Wehmütig denken wir an unsere erste Norwegenreise, an die rumpelige Schotterpiste, wo wir uns vor 37 Jahren auf XT 500 und Zündapp KS 175 noch wie Abenteurer fühlten und uns bei schauerlichem Wetter bis nach Å gekämpft haben. Geschichten von vorgestern. Jetzt aber ist die erste Station die Inselhauptstadt Svolvær. Wir suchen das Büro der Hurtigruten, aber es gibt keins mehr. Zu gerne würden wir die Rückreise um 1.000 Kilometer abkürzen und mit dem Postdampfer bis Kristiansund schippern. Online sind zwar reichlich Kabinen zu haben, aber die Mopeds können wir nicht einloggen. Wo doch für zwei Bikes immer eine Ecke frei sein sollte. Und ohne örtliches Büro mit real existierendem Mitarbeiter können wir die Passage nicht buchen, selbst die Hotline weiß nicht weiter, hat nur ein schulterzuckendes “die neuen digitalen Zeiten” parat. Wie ärgerlich.

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Utakleiv-Bucht – schönster Fischerort des Nordens

Aber die Rückreise hat noch etwas Zeit. Tage, in denen wir fast alle Straßen der Lofoten erkunden. So viele sind das nicht. Wir fahren zum Surferstrand Unstad, umrunden die stille Insel Gimsøya, staunen über die felsigen Tidentümpel in der Utakleiv-Bucht und rollen schließlich nach Nusfjord. Schon die Anfahrt zum schönsten Fischerort des Nordens ist der Hammer, zielt doch die Straße direkt auf den gigantischen Felskessel des Stjerntinden zu, biegt erst direkt vor der glatten Granitwand rechtwinklig ab und kurvt hinunter nach Nusfjord. Rund um den winzigen geschützten Hafen drapieren sich dort die typischen Rorbuer, kleine Holzhäuser in Rot und Gelb, malerischer geht das nun wirklich nicht. Inzwischen kostet Nusfjord sogar Eintritt, hat den Status eines Museumsdorfs.

Weiter südwärts wird die Landschaft immer spektakulärer, die Berge spitzer, die Fjorde enger. Mit dem Höhepunkt Kjerkfjord. Der beginnt zwischen den maximal hübschen Orten Hamnøy und Reine – hier entstehen die typischen Lofoten-Bilder – und kurvt zwischen steilen Bergen bis fast zur Westküste. Zahlreiche Brücken verbinden die winzigen Inseln am Fjordeingang, die Eindrücke wechseln im Sekundentakt. Aber es geht noch besser. Von oben. Dafür müssen wir allerdings den Berg Reinebringen besteigen, 450 Meter hoch, 1.800 Stufen bis zum Gipfelgrat. Auf dem früher gefährlich steilen Weg gab es einige tödliche Unfälle, weil immer mehr Menschen ihr Selfie von dort oben machen wollten. Schließlich heuerte die Verwaltung nepalesische Sherpas an, die diese Treppe 2019 gebaut haben. Die Aussicht ist alle Strapazen wert. Wer das nötige Wetterglück hat, morgens oder abends kommt, den Blick für das Besondere hat, der schießt hier vielleicht sogar das Fotos seines Lebens.

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