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Mittwoch Magazin: Wider die Physik – McMurtry Spéirling. eActros 300 Sattelzugmaschine. Kia EV9 – 5-Meter-Bomber ab 65.000 Euro

McMurtry Spéirling: wenn die Physik gebeugt wird

Auf der Rennstrecke wird gerne die Physik bis zu ihren Grenzen ausgelotet. Der Spurt von 0 auf 100 km/h beispielsweise hat bei Fahrzeugen eine natürliche Grenze – und die ist die Haftfähigkeit der Reifen. Teslas Model S Plaid sollte die magische Grenze von 2 Sekunden unterbieten, was im normalen und zivilen Straßenleben eher unwahrscheinlich ist (und von Engineering Explained bestens erklärt wurde). Mit Spezialreifen, die unglaublich kleben, sind theoretisch sogar Beschleunigungen unter 2 Sekunden möglich. Der Elektrorenner Rimac Nevera hat gerade eine ganze Menge Weltrekorde eingestellt. So schaffte der Ausnahmesportwagen den Spurt in nur 1,81 Sekunden. 0-200 dauerte mit 4,42 Sekunden auch nicht wirklich lange. Und doch gibt es einen Herausforderer, der auf der Rennstrecke hier ganz andere Werte aufruft: den McMurtry Spéirling.

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McMurtry Spéirling: der kompromisslos entwickelte Elektrorenner pulverisierte sämtliche Goodwood-Rekorde.

Das Prinzip ist nicht neu, aber ausgefeilt

Seit es die Formel 1 gibt, versuchen die Rennställe und Autokonstrukteure auch hier die Leistungsdaten der Autos immer weiter zu treiben. Unter anderem entwickelte Lotus die sogenannten „Bodeneffektautos“, die durch clevere Aerodynamik den Anpressdruck erhöhen. Das bedeutet nicht nur schnelleres Beschleunigen sondern bei höheren Geschwindigkeiten auch höhere Kurventempi. Der Lotus 78 war so ein zunächst konkurrenzloses Fahrzeug. Mit dem Brabham BT46B wagte man sich auf noch komplizierteres Terrain. Brabham kopierte Teile des Chaparral 2J, eines sogenannten „Sucker Cars“ aus der US Sportwagen-Szene. Im Heck eingebaute Ventilatoren saugten die Luft vom Unterboden und bliesen sie nach hinten hinaus. Mit höherer Motordrehzahl wurde auch der Anpressdruck erhöht.

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Der Motorjournalist Henry Catchpole durfte den McMurtry Spéirling ausprobieren. Seine Geschichtszüge sprechen teilweise Bände.

Ähnliches Prinzip beim Sperling

Der Elektroracer Spéirling funktioniert prinzipiell genauso. Elektrisch angetriebene Ventilatoren mit Drehzahlen von über 23.000 Umdrehungen die Minute saugen den Einsitzer auf der Straße regelrecht fest. Der Unterschied zu den Formel 1-Fahrzeugen aus den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts: der Anpressdruck wirkt bereits von Anfang an – auch im Stillstand. Was sogar ein „Kleben“ des Rennwagens an der Decke möglich machen würde, denn der Anpressdruck übersteigt das Gewicht des Prototypen.

Kurvengeschwindigkeiten?

Dass die möglichen Kurvengeschwindigkeiten des Elektroracers auch hier Grenzen haben, ist klar – nur liegen diese ganz weit oben. Auf den ersten Runden auf dem legendären Goodwood Festival schaffte der Elektro-Rennwagen gleich mehrere Rekorde. 0-100 km/h dauerten nur läppische 1,461 Sekunden und die in der Kurve brachte es der Wagen auf 2,83 G Seitenbeschleunigung. Das hört sich beides erst mal nicht so spektakulär an, wer sich den verlinkten Bericht von Hagerty Media und seinem Motor-Journalisten Henry Catchpole ansieht, der weiß, dass das nicht weit vom buchstäblichen „Herzkasper“ entfernt ist. Die Gesichtsentgleisungen des Journalisten sprechen Bände.

0 – 100 – 0 in weniger als 6 Sekunden

Bevor sich nun die Spezialisten melden: die Rede ist von Meilen pro Stunde. Und die 100 waren tatsächlich 113, weil der Journalist nicht schnell genug auf die Bremse trat. In km/h sind das 0 – 182 km/h in 3,83 Sekunden und von 182 km/h auf 0 in 2,7 Sekunden. Der Rimac Nevera benötigte übrigens für 0 – 200 – 0 km/h sagenhafte 8,85 Sekunden, was wirklich kein schäbiger Wert ist.

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Der RIMAC Nevera ist auch kein Kind von Traurigkeit und hat eben einige Weltrekorde für Hypercars eingestellt.

Reden wir von Preisen. Der Spéirling wird mindesten 820.000 Pfund plus Steuern kosten, das wären derzeit in Deutschland umgerechnet 1.13 Mio. Euro inklusive Mehrwertsteuer. Der Rimac Nevera kostet, da auf 150 Exemplare limitiert, etwa 2 Mio. Euro. Da könnte man beim McMurtry fast von einem Schnäppchen reden. Ach ja: die (Klein-)Serienversion wartet mit noch besseren Werten auf und soll sogar 10 Silverstone-Runden durchhalten. Danach, und das wundert niemanden, dürfte jeder noch so harte Pilot reif für die Insel sein …

Schneller als ein F1-Auto! Testfahrt mit dem unglaublichen McMurtry Spéirling “Ventilations-Auto” | Henry Catchpole

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Überführung von der Pfalz in die Türkei: der eActros als Sattelzugmaschine.

eActros 300 Sattelzugmaschine: von der Pfalz in die Türkei

Die eActros 300 Sattelzugmaschine für den Verteilerverkehr hat rund 3.000 Kilometer vom Mercedes-Benz Werk Wörth bis in das türkische Aksaray zurückgelegt, wo unter anderem die Straßendauerlauf- und Zuverlässigkeitserprobung des E-Lkw stattfindet. Die Versuchsingenieure haben für die Fahrt eine Route über Österreich, Slowenien, Kroatien, Serbien und Bulgarien gewählt. Zwei eActros-Pritschenfahrzeuge als Zwei- und Dreiachser – in Serie seit Ende 2021 – begleiteten die eActros 300 Sattelzugmaschine auf der gesamten Strecke. Die Batterien aller E-Lkw wurden auf der Tour ausschließlich an öffentlich verfügbaren Ladesäulen aufgeladen.

Daimler Trucks sieht Überführung als Testlauf für die E-Sattelzugmaschine

Der Fokus der Versuchsingenieure lag bei der Fahrt in die Türkei insbesondere auf den Sicherheitssystemen, der Leistung und der Dauerhaltbarkeit des Fahrzeugs. Im Hinblick auf den elektrischen Antrieb waren beispielsweise die Funktionstüchtigkeit der Reichweitenprognose, die Rekuperation und die einwandfreie Konnektivität mit Ladesäulen im Ausland wichtige Aspekte. Sowohl die abwechslungsreiche und anspruchsvolle Topographie als auch die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen boten gute Voraussetzungen, um das Fahrzeug ausgiebig im Betrieb zu testen.

eActros 300 Sattelzugmaschine bereit für die Serie

Die Modellvariante des eActros 300 als Sattelzugmaschine kann unter Berücksichtigung der maximal zulässigen Gesamtzuglänge alle gängigen europäischen Auflieger ziehen. Die E-Sattelzugmaschine basiert auf der selben Technologie wie der eActros 300/400. Drei Batteriepakete mit jeweils 112 kWh installierter Batteriekapazität ermöglichen eine Reichweite mit einer Batterieaufladung von bis zu 220 km. Der eActros 300 kann mit bis zu 160 kW geladen werden: Die drei Batteriepakete benötigen an einer üblichen DC-Schnellladesäule mit 400 A Ladestrom etwas mehr als eine Stunde, um von 20 auf 80 Prozent geladen zu werden. Im Rahmen einer Versuchsreihe hat der E-Lkw im vergangenen Jahr bereits erfolgreich den Arlbergpass in Österreich überquert. Die Tests führten auf streckenweise über 1.800 Meter Höhe. Der Serienstart der Sattelzugmaschine ist für Herbst dieses Jahres geplant.

e-engine meint: Geht doch – und doch. 160 kW Ladeleistung und 336 kWh installierte Batteriekapazität sind eher das untere Ende der Fahnenstange, zumal 220 km bei 80 km/h nicht mal 3 Stunden Fahrt am Stück bedeuten, und wir reden hier von „bis zu„. Für Fuhrunternehmer dürfte die Zugmaschine damit erst mal – wie gedacht – wirklich nur für den Verteilerverkehr in Frage kommen. Leider schweigt sich Daimler Truck über die Fahrtzeit in die Türkei aus – die dürfte inklusive der Ladezeiten nicht unerheblich und keinesfalls trivial gewesen sein.

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Kia EV9 GT-Line in der Seiteansicht: rund 5 Meter eSUV mit drei Sitzreihen.

Kia Flagschiff EV9: Über 5 Meter für die Kita?

Der Kia EV9 wird vom Hersteller als „Flaggschiff“ bezeichnet. Mit 5.010 mm Länge, 1.980 mm Breite und 1.755 mm Höhe ist das eSUV ein echter Schattenspender. Die 2.500 kg Gewicht für die RWD- und 2.550 kg für die AWD-Variante (Werksangaben) dürften für ein recht „wuchtiges“ Fahrerlebnis sorgen. Die Batteriegröße ist mit 105 kWh Brutto und 99,8 kWh nutzbarer Kapazität äußerst üppig. Wie alle modernen Elektro-Kias verfügt der EV9 über eine 800 Volt-Architektur und Ladeleistungen von bis zu 250 kW am Schnelllader. V2G-Fähigkeiten sind angekündigt und die V2L-Fähigkeit ist mit der der anderen Premiumstromern des Hauses identisch.

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Arbeitsplatz: relativ aufgeräumt, aber trotzdem eine Menge Schalterchen. Der Kamera-Rückspiegel ist optional.

Herausforderungen des täglichen Lebens

Kia bewirbt das Riesenschiff, das über drei Sitzreihen verfügt, als Fahrzeug, das für alle Herausforderungen des täglichen Lebens gewappnet sei. Die WLTP-Reichweite von bis zu 541 Kilometern dürfte den Weg zur Kita dann auch in der Tat kaum gefährden. Das Design des eSUVs ist Geschmacksache, die Ausstattung den Preisen angemessen. Direkter Mitbewerb dürften die BMW iX-Fahrzeuge sein, wenngleich die weit sportlichere Eigenschaften aufweisen, so man die bei einer fahrenden Schrankwand benötigt. Den Spurt von 0 auf 100 km/h meistert das Schiff in 5,3 Sekunden. Da sind die bis zu 385 PS und das Drehmoment von 700 Nm durchaus hilfreich.

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Riesiger Stauraum bei beiden umgeklappten hinteren Sitzreihen. Für sperrige Güter langts trotzdem nicht. Die Ladekante ist wegen der Größe des Fahrzeugs trotzdem relativ hoch.

Energieverbrauch?

Auch wenn Elektrofahrzeuge im Vergleich zu Verbrennern äußerst effizient unterwegs sind (Fahrzeug-Benzinäquivalent liegt bei moderater Fahrweise bei 2,5 l/100 km), erwartet das Portal ev-database einen realen Verbrauch von 30,7 kWh bei Autobahngeschwindigkeit von 110 km/h im Winter. Im Stadtverkehr im Sommer könnten andererseits auch Werte um die 15,5 kWh erreicht werden.

e-engine meint: Wir stellen die Frage „Wer braucht sowas“ grundsätzlich nicht. Freilich gibt es Anwendungsbereiche, wo ein solches Riesen-SUV Sinn ergeben könnte. Zum Beispiel, wenn hohe Anhängelasten gezogen werden müssen. Der EV9 soll bis zu 2,5 Tonnen schaffen. Auch Großfamilien könnten von den üppigen Platzverhältnissen profitieren, wenn sie nicht gerade einen Mini-Bus bevorzugen. Für den urbanen Dschungel, der immer gerne im Zusammenhang mit den fahrenden Schrankwänden bemüht wird, ist der Wagen eher ungeeignet. Fun-Fact: nirgendwo in Bayern fahren so viele große SUVs in der Innenstadt herum, wie in München. Und ja. Dieser Artikel ist ein Kommentar.

Bernd Maier-Leppla

Fotos: Hagerty Media (Youtube Stills), McMurtry Automotive, Rimac, Daimler Truck, Kia

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