Kia

Tests

Mit dem Kia EV6 auf der e-engine Normrunde

Gleich vorweg – dies ist kein Verriss, trotzdem weisen wir auf einige „Kleinigkeiten“ hin, die wir nicht ganz so gelungen fanden. Aber der Reihe nach.

mit dem kia ev6 auf der e-engine normrunde

Kia EV6: Nicht nur das Fahren, auch das Laden des Koreaners macht dank der konkurrenzlosen Ladekurve mehr als Freude. (Foto: Anett Tobies)

Tolles Design, aber …

Wenn man den EV6 auf Fotos sieht, kommt man nicht umhin, den Designern Tribut zu zollen. Das Linienführung ist gelungen, und besonders das außergewöhnliche Heck gefiel uns von Anfang an. Wenn man das Auto jedoch in natura sieht, dann relativiert sich das – der Stromer ist groß. Man gewinnt den Eindruck, als wäre bei der Umsetzung der Massstab ein wenig verrutscht. Die Verarbeitungsqualität außen wie innen ist äußerst hochwertig. Premium, eben.

Üppige Platzverhältnisse

Nimmt man hinter dem Volant Platz, sind es die Platzverhältnisse (sic!), die beeindrucken. Nach drücken des Start-Knopfes stellt sich der Sitz so ein, wie man das Fahrzeug verlassen hat. Will sagen: um den Ein- und Ausstieg zu erleichtern ist der beim Deaktivieren nach hinten gefahren worden.

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Vordersitz nach hinten gefahren und immer noch mehr als genug Knieraum. Kunststück, der Radstand liegt bei 2.900 mm. Das war S-Klasse-Niveau bis zur Baureihe 220, die bis 2005 gebaut wurde.

Apropos Platz: der koreanischer Stromer wirkt zwar nicht so luftig wie der Stiefbruder IONIQ 5 aus dem Hause Hyundai, trotzdem dürfte kaum Engegefühl aufkommen, denn selbst wenn vorne große Menschen das Gestühl nach hinten fahren, bleibt im Fond immer noch üppig Knieraum übrig.

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Das Cockpit ist im Gegensatz zum IONIQ 5 eindeutig sportlich und fahrerorientiert. Die Platzverhältnisse sind üppig.

Ausstattung: GT-Line

Der Testwagen mit GT-Line hatte natürlich fast Vollausstattung, allein ein Glasdach fehlte, was uns etwas störte, weil der dunkle Himmel etwas drückte. Geschmacksache. Die Alcantara-Polsterung (aka: „Veganes Wildleder“) fanden wir toll. Die Vordersitze waren zudem mit Kühl- und Ventilationsfunktion ausgestattet, was die Testfahrt zum echten Vergnügen machte, denn es herrschten weit über 30°C. Die Klimaanlage stellten wir auf 22°C ein, die Lüftung auf Automatik. Zur Erklärung: die e-engine „Normrunde“ soll ein ganz normales Autofahrer-Verhalten zeigen. Also nicht gewaltsames Drücken des Energieverbrauchs. Die Strecken werden, so der Verkehr dies zulässt, sportlich flott durchfahren, auf den kurzen Autobahnstücken, wo freie Fahrt ist, das Fahrzeug auf Höchstgeschwindigkeit gebracht.

mit dem kia ev6 auf der e-engine normrunde

Verbrauch bei schlappen 33°C und hart arbeitender Klimaanlage: akzeptabel.

Infotainment-System

Zurück zum Thema. Etwas enttäuscht sind wir vom Infotainmentsystem. Zwar funktioniert der Touchscreen in der Mitte relativ responsiv (ist jedoch weit von modernen Smartphones oder Tablets entfernt), aber irgendwie scheint das GUI-Design nicht die Stärke der Koreaner zu sein. Zwar sind allerlei animierte Gimmicks zu sehen, aber die Icon-Batterie ist in unseren Augen zu gleichförmig. Ein kurzer Blick identifiziert einfach zu wenig prägnant, um welche Funktion es sich handelt. Auch sind die Icon-Designs zu filigran. Eine farbliche Unterscheidung, wie bei Smartphones gibt es nicht. Der Wagen verfügte auch über Head-Up-Display.

Apropos: die Einbindung eines iPhones funktioniert ohne Probleme, das Löschen nach dem Test hingegen ist etwas versteckt und keineswegs selbsterklärend. Die Verkehrszeichenerkennung enttäuschte übrigens. Offenbar verlässt sich das System nur auf Navigationsdaten, eine echte Schildererkennung scheint nicht vorhanden zu sein. Mehrmals zeigte das System falsche Gechwindigkeitsvorgaben an, weil es neue oder Baustellen-Schilder ignorierte. Die Soundanlage von Meridian bietet übrigens angemessenen, wenn auch nicht außergewöhnlichen Klang. Da hätten wir uns auch mehr erwartet.

mit dem kia ev6 auf der e-engine normrunde

Der Kofferraum ist groß, aber nicht gigantisch. Für die allermeisten Ansprüche aber mehr als genügend.

Kofferraum und „Minifrunk“

Der Kofferraum ist kein Raumwunder, aber ausreichend groß um auch bei vier Personen genug unterzubringen. Unter der „Motorhaube“ verbirgt sich tatsächlich ein Alibi-Frunk. Der ist so klein, dass er eigentlich gerade mal für ein Ladekabel oder die Erste-Hilfe-Box ausreichend ist. Der Einkauf, außer es sind ein paar Gummibärchen-Tütchen, muss in den Kofferraum.

Die Normrunde

Gestartet wird, wie immer am Stadtrand. Alle Anzeigen auf 0 gestellt, Fahrstufe „Normal/Standard“, Rekuperation auf One-Pedal-Driving – was bei Kia i-Pedal heißt. Der Vorgänger hatte ein leichtes „Motorgeräusch“ eingestellt, das wir deaktivierten. Und da hörten wir plötzlich bei geringen Geschwindigkeiten ein seltsames Geräusch vorne. Irgendwas schien zu schleifen. Leider konnten wir das nicht identifizieren, aber die Vermutung war, dass es vom Antriebsstrang kam.

Auf dem ersten Autobahn-Stück konnten wir den Wagen nur auf 155 km/h wegen des dichten Verkehrs beschleunigen. Der Durchschnittsverbrauch für den Trip schiesst natürlich in die Höhe, blieb aber im erträglichen Bereich von unter 25 kWh. Dann Abfahrt auf die Landstraße. Das erste Teilstück mit kurz hintereinander folgenden engen Kurven stand an. Hier waren wir das erste Mal ein wenig enttäuscht. Obwohl der EV6 mit 325 PS keineswegs untermotorisiert ist, fanden wird das AWD-Fahrwerk etwas schlapp. Bei schnellen engen Kurven drängte der Wagen spürbar ins Kurvenäußere, übrigens ganz anders als der Stiefbruder IONIQ 5. Am Gewicht konnte es nicht liegen, auch wenn 2.220 gemessene Kilogramm natürlich keineswegs wenig sind.

Rüttelstrecke und weiterer Verlauf

Dafür versöhnte der Wagen wieder auf der „Rüttelstrecke“. Hier zeigte sich, dass die Dämpfungseigenschaften durchaus gut sind, das typische „Stuckern“ blieb aus, die bequemen Sitze trugen Ihren Beitrag dazu. Dann folgen im weiteren Verlauf die langgestreckten schnellen Kurven, die der EV6 durchaus gut meisterte, wenngleich wieder der Eindruck aufkam, dass der Wagen etwas nach außen drängte. Übrigens machte das der getestete Aiways U5 nicht. Der wiegt allerdings auch rund 400 kg weniger.

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Das Heck: für uns eindeutig die Schokoladenseite. Das Design überzeugt ohnehin auf ganzer Linie. (Foto: Anett Tobies)

Trotzdem fährt sich der EV6 vergleichweise angenehm auf Landstraßen und auch beim topografischen Auf und Ab zeigte sich, dass vor allem die Rekuperation erstaunliches leistete. War der Stromverbrauch bis zur Halbzeit noch über 20 kWh gelegen, ging er – wie erwartet – bei der zweiten Halbzeit kontinuierlich zurück. Schließlich standen bei Auffahrt auf das letzte Autobahnstück wieder 18 kWh auf der Uhr. Jetzt sollte sich zeigen, was das schnelle, kurze Autobahnstück an Strom kostete. Die Höchstgeschwindigkeit laut Tacho beträgt 192 km/h, was wir über das kurze Stück auch halten konnten, weil der Verkehr es zuließ. Am Ausgangspunkt angekommen, summierte sich der Verbrauch auf 19,1 kWh pro 100 Kilometer.

mit dem kia ev6 auf der e-engine normrunde

Die Ladekurve zeigt es eindrucksvoll: Keiner lädt schneller. Vor allem bis 55% bleibt die Kurve weit oben um dann bis 80% bis auf einen kleinen „Schluckauf“ eindrucksvoll weiterzumachen. Eindrucksvoll.

mit dem kia ev6 auf der e-engine normrundee-engine meint: Sind 19,1 kWh ein gutes Ergebnis? Ja. Die Klimaanlage lief auf Hochtouren, der Ventilationssitz auf der Fahrerseite auf Stufe 2. Damit hingen schon mal einige Verbraucher mehr an der Batterie. Das Auto kann aber seine Größe nicht verhehlen und auch das hohe Gewicht verhindert unserer Ansicht ein besseres Ergebnis. Dass das Aufladen blitzschnell funktioniert, versöhnte uns wieder. Peter Grett (Touremo), der den EV6 unter anderem nach Südtirol mitgenommen hat und äußerst entspannt durch die Berge „cruiste“ war jedenfalls begeistert von den Alltagseigenschaften (und dem niedrigen Verbrauch) des EV6. Für ihn ist der Wagen fast schon sein Traumwagen.

Der Landstraßen-Test hingegen ernüchterte Bernd Maier-Leppla, der sich etwas mehr erwartet hatte – vor allem was das Fahrwerk anbelangt. Deshalb vergeben wir dem EV6 4 Sterne, einen halben weniger als der Stiefbruder IONIQ5, der tatsächlich unter Preis-Leistungs-Gesichtspunkten einen besseren Eindruck machte. Der Grundpreis des EV6 liegt bei stattlichen 54.980 Euro, hinzu kommen die GT-Ausstattung und andere Extras, was sich auf rund 65.000 Euro summiert. Wollte man noch das Glasdach, kämen nochmals 990 Euro hinzu. Ein Menge Geld, wie wir finden.

Bericht: Bernd Maier-Leppla
Fotos: Bernd Maier-Leppla, Peter Grett, Touremo, Anett Tobies, Kia

Mit dem IONIQ 5 auf die e-engine-Normrunde: eine überzeugende Vorstellung

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