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Meinung zu E-Zukunft und Elektrocamping: „Förderung für E-Fahrzeuge ist Industriepolitik“

Die Wende ist eingeleitet: Ab 2035 werden Verbrennermotoren in Fahrzeugen nicht mehr neu zugelassen. Rettet das die Umwelt? Und: Was bedeutet das für Campingfahrzeuge? Autor Clemens Gleich dröselt den Kern der Problematik auf.

meinung zu e-zukunft und elektrocamping: „förderung für e-fahrzeuge ist industriepolitik“

© Timo Grosshans
Die Vorgaben für Neuzulassungen von PKW und leichten Nutzfahrzeugen verschärfen sich. Verbrenner werden ab 2035 mehr oder weniger gar nicht mehr neu zugelassen.

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© Mercedes-Benz
Können uns E-Fahrzeuge wie der EQT und der entsprechende Microcamper vor der Erderwärmung retten? Unser Autor sagt: Nein.

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© Philip Teleu
Werden wir das Campingmobil aus dem Hut zaubern, mit dem wir einfach alles wie immer weitermachen können? Ebenfalls: Nein. Mobilität wird teurer werden.

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© Philip Teleu
Hätten wir alles Fördergeld für Autos auf Öffis geworfen, wären wir in Sachen Mobilitätsumbau viel weiter.

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© Timo Großhans
Statussymbol E-Fahrzeug: Bessere Öffis kann ich mir nicht in die Garage stellen, um meinem Nachbarn zu zeigen, wie umweltgeil ich bin. Einen VW ID. Buzz schon.

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© Philip Teleu
Warten auf die Weiterfahrt – im Camper weniger tragisch als in einem Ioniq 5. Im Van macht es ehrlich gesagt nichts aus 15 Minuten zu pausieren.

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Die Vorgaben für Neuzulassungen von PKW und leichten Nutzfahrzeugen verschärfen sich. Verbrenner werden ab 2035 mehr oder weniger gar nicht mehr neu zugelassen.

Zur Einordnung der folgenden Passagen eines vorab: Ich teste seit über zehn Jahren Elektroautos und -busse. Ich bin von den ersten, eher kurzstreckentauglichen Autos wie dem Nissan Leaf bis zur Ü-1.000-km-am-Tag-Tour im Porsche Taycan viel gefahren. Meine Ansichten stammen aus der Praxis.

Viele Argumente contra E-Antrieb stammen entweder aus der Vergangenheit oder aus dem 1.000-km-pro-Tag-jeden-Tag-Diesel-Stammtisch Castrop-Rauxel. Der E-Antrieb ist kein Zaubermittel, aber für die große Mehrheit gut genug. Die Heilsbotschaften seiner Fans sollte man ignorieren, weil die Elektrifizierung weder die grundsätzlichen Pkw-Probleme löst, noch relevant beim Klimaschutz helfen kann.

Das Elektrofahrzeug wird uns nicht retten

Wir leben in einer Zeit komplexer, vernetzter Probleme. Für solche Probleme gibt es immer eine Lösung, die einfach, populär und falsch ist. Elektroantriebe für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge können selbst unter günstigen Annahmen praktisch nichts zu den akuten Aspekten der Erderwärmung beitragen. Ihr Herstellungsrucksack muss erst einmal abgefahren werden, damit sie ihre Lebenszeit-Vorteile gegenüber Verbrennern ausspielen. Das geschieht je nach Fahrzeug typischerweise erst nach einigen Jahren. Vorher beschleunigen sie unsere aktuellen Probleme, die zuvorderst im Überkonsum begründet liegen.

Selbst über die Lebenszeit ist ein E-Auto zwar besser, aber nicht gut. Volvo rechnet in einer internen Studie mit etwa der Hälfte des Erderwärmungseffekts gegenüber ihrem äquivalenten Benziner (beide neu). Wer also ein gepflegtes Gebrauchtauto vorzeitig gegen ein E-Auto tauscht, weil es dafür Geld gibt, beschleunigt die Erderwärmung damit, statt sie zu verlangsamen. Wer seinen Weltressourcenverbrauch reduzieren will, fährt Fahrrad oder geht noch besser zu Fuß. Sorry.

Die Förderung für E-Fahrzeuge ist Industriepolitik für die europäischen und amerikanischen Autohersteller. In Euro pro gesparter Einheit CO2 gerechnet gibt es praktisch keine ineffizienteren Methoden auf der gut gefüllten Auslage der Möglichkeiten. Wenn wir nur Bruchteile des Geldes in Öffis gesteckt hätten, wären wir im Verkehrssektor viel weiter. Dazu kommt, dass eine Umverteilung von unten nach oben die soziale und finanzielle Ungleichheit verstärkt, von der es sowieso schon zu viel gibt. Es ist etwas Anderes, ob mit Staatsgeld Brücken für alle gebaut werden oder ob es zur Vermehrung von Privatvermögen dient.

Obwohl der Beitrag der E-Antriebe marginal sein wird, erfreuen sie sich privat und politisch großer Beliebtheit, weil sie konkret sind. Bessere Öffis kann ich mir nicht in die Garage stellen, um meinem Nachbarn zu zeigen, wie umweltgeil ich bin. Einen VW ID. Buzz schon. Besitztümer erfüllen immer auch soziale Kommunikationsaufgaben. Dasselbe gilt für politische Programme wie die Neuautokaufförderung: “Seht her! Wir tun was! Auch für die Wirtschaft!”

Kosten für Elektro

Während Treibstoffpreise hoch volatil sind (heißt: sie schwanken stark), bleiben Strompreise trotz ihrer Erhöhungen vergleichsweise gut berechenbar. Wenn Sie unterwegs laden, wissen Sie bei jedem Ladevorgang zwei Wochen vorher, was Sie pro Kilowattstunde bezahlen werden. Bei Benzin oder Diesel ist das anders. Bei Pkw finden weiterhin über 80 Prozent der Ladevorgänge daheim statt, wo sie mit Lichtstrom (für aktuell 36 Cent pro Kilowattstunde im Deutschlandschnitt) oder mit eigenem Solarstrom (typischerweise um die 10 Cent pro kWh bei Laufzeiten von 20 Jahren) günstiger fahren pro Kilometer als Benziner oder Diesel.

Der Campingbus kann das nur im Betrieb als Alltagsfahrzeug. Beim Reisen lädt er öffentlich Strom, der am DC-Schnelllader üblicherweise über 50 Cent pro kWh kostet. Für typische Camping-Intervalle lohnen sich Vielfahrer-Tarife aufgrund ihrer monatlichen Gebühren nicht. Dann kostet das Laden im großen Netz der EnBW 55 Cent pro kWh. Das ist derzeit meistens (je nach Verbrauch) noch etwas billiger als Diesel, aber der kleine Unterschied finanziert kaum einen zusätzlichen Urlaubstag.

Dem stehen erheblich höhere Anschaffungskosten gegenüber. Der Mercedes EQV kostet ab 71.388 Euro – ohne Ausbau! Er fährt auf der Autobahn etwa 300 km weit, realistisch sind Ladeetappen alle 200 km, bei denen er jeweils etwa eine Dreiviertelstunde steht. Das ist die Speerspitze der verfügbaren Technik. Ein Peugeot e-Expert “Kombi” (also mit Scheiben hinten) kostet in L2 ab 50.190 Euro (ebenfalls ohne Ausbau) und kommt auf der Autobahn recht genau 200 km weit, mit Ladeetappen längerer Fahrten von unter 150 km, bei denen er trotz kleinerer Batterie nur wenig kürzer steht als der EQV.

Der lang ersehnte VW ID. Buzz kostet in der Vorbestellung 64.581 Euro (kein California, nur das Fahrzeug in der Erstserienausstattung), und wird von den Reichweite-Warte-Werten irgendwo zwischen den beiden vorgenannten Fahrzeugen liegen. Letztlich muss man sagen: Beim Camping bietet eine Batterie deutlich weniger Autonomie als ein Dieseltank, kostet gleichzeitig aber massiv mehr.

Das wird noch lange so bleiben, denn der Preisverfall aufgrund von Batteriebau-Skaleneffekten wurde von der Preissteigerung bei den Rohstoffen überholt. Lithium etwa kostete vor dem Batterieboom (ab etwa 2006) an den Tiefständen 1.500 US-Dollar pro Tonne. Heute kostet es 80.000 Dollar. Prognose: steigend bis 2030, danach “jahrzehntelang” auf hohem Niveau stabil. Alternativen wie Natrium-Ionen müssen wir ab dem nächsten Jahr beobachten, wenn Batteriehersteller CATL sie in Serien-Fahrzeugen anbieten will. Natrium gäbe es günstig genug.

Aber warum dann Elektro?

Letztlich könnte man Freizeitfahrzeuge wie Camper, Motorräder, Sportwagen oder Jetskis mit E-Fuels betreiben, das sind Treibstoffe, die aus Strom, CO2 und Wasserdampf hergestellt werden. Die sind ineffizient und damit teuer, was bei den vergleichsweise geringen Jahreskilometerleistungen der Freizeitfahrzeuge weniger ins Gewicht fällt. Selbst bei 4 Euro pro Liter kann ich lange einen alten Bulli fahren, bevor sich ein Umstieg auf einen ausgebauten EQV lohnt.

Die Ampelkoalition hatte daher im Koalitionsvertrag eine Ausnahme für E-Fuels vorgesehen, wenn sichergestellt würde, dass neu zugelassene Fahrzeuge nur E-Fuels tanken können. Das wäre technisch trivial lösbar mit einem entsprechenden Stutzen. Die EU-Kommission hat zunächst einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, bei dem ab 2035 keine Pkw und leichte Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden dürfen – ohne E-Fuels-Extrawurst. Die Lobby der Freizeitfahrzeuge war wohl zu klein. Dieser Vorschlag wurde nach einer Abstimmung im Juni 2022 angenommen. Jetzt wird geprüft, ob man doch Ausnahmen macht. Die Lobby von Sportwagenfahrern war doch, gelindner gesagt, gut vernetzt.

Nach den Ländergesetzen wird kein Hersteller jedoch mehr eine neue kleine Dieselmotorengeneration für europäische Zulassungsregeln entwickeln – wahrscheinlich stoppte die Entwicklungsplanung schon, als die Entscheidung der EU fiel.Es bleibt Neukäufern ab 2035 nur der Elektroantrieb oder die Brennstoffzelle, die zwar noch teurer ist, sich aber an das für die Lkw-Gesetzgebung aufzubauende Wasserstoffnetz hängen könnte.

Ob das Verbrennerverbot in der EU nun 2035 oder 2040 (oder gar 2030?) kommt, ist sekundär, denn der Ausstieg aus Brennstoffen als Energieträger scheint beschlossen, zum Leidwesen der E-Fuel-Lobby. Sie können ihre Tränen am Geld trocknen, das sie mit Treibstoffverkäufen an Flugzeuge und Schiffe verdienen werden. Nicht-EU-Land Norwegen will schon 2025 unterhalb des Schwerlastverkehrs keine Verbrennungsmotoren mehr zulassen.

Selbst der Bestandsschutz, auf den viele hoffen, wackelt: Spanien will, dass ab 2050 keine Verbrennerfahrzeuge mehr auf öffentlichen Straßen FAHREN dürfen. Wenn sich das mit dem EU-Bestandsschutzgesetzen beißen sollte, könnte Spanien dies dadurch faktisch erreichen, dass im Land keine Treibstoffe mehr verkauft werden.

So ein Ausschluss einer Technologie ist auch nicht ohne Präzedenz: 2021 wurden in Deutschland nur 611 neue Ölheizungen installiert, weil der bisher zweitbeliebteste Energieträger des Gebäudesektors (nach Gas) rechtlich unter Beschuss genommen wurde, mit Verschärfungsansage für 2026. Dem kleinen Dieselmotor in leichten Nutzfahrzeugen kann durchaus das Gleiche passieren.

Wie schlimm/gut wird es?

Fest steht auf dielange Sicht: Campingbus-Fahren wird sich grundsätzlich ändern. Es wird teurer, es wird auf der Langstrecke mit mehr Pausen einhergehen und die Gasheizung wird zugunsten einer traktionsbatterieversorgten E-Heizung verschwinden. Wir können jetzt lange reden, wie wir das finden, aber das ist, was langfristig passieren wird. Warum? Weil den Politikern angesichts der beschleunigten Erderwärmung der Stift geht.

Die Pläne für das Verbrenner-Aus mögen manchen krass erscheinen. Aus den eingangs beschriebenen Gründen können sie jedoch nur einen sehr geringen Betrag leisten, und deshalb könnten nötige Einschränkungen aus anderen Bereichen sich noch viel ärger anfühlen. Trotz aller Umwälzungen ist es de facto unmöglich, das viel diskutierte 1,5-Grad-Klimaziel zu erreichen, und im Hinblick auf die Konsumsucht des Westens und den Wachstumszwang der Weltwirtschaft praktisch unmöglich, selbst die schwächeren Ziele zu erreichen.

Sie können sich bei Gelegenheit und einem Kaffee einmal in Ruhe ansehen, was nötig wäre. Hätten wir beim klaren wissenschaftlichen Treibhauseffekt-Konsens vor 50 Jahren angefangen, wäre das alles (gelinde gesagt) schwierig gewesen. Heute ist es angesichts realistischer Änderungsgeschwindigkeiten viel zu spät. Das soll Sie nicht entmutigen, sondern das soll die eher zaghaften Vorstöße der Politik in den globalen Kontext rücken, in den sie gehören. Wir können nicht für immer in den Achtzigerjahren leben. Wem die Erhaltung der Lebensgrundlagen des Homo sapiens als Grund nicht reicht: Wenn die Lebensgrundlage kollabiert (“Pft!”), dann kollabiert die Wirtschaft (“oh nein!”) kurz vorher, und dazwischen das aktuelle Gesellschaftssystem (“naja, das mochte ich eh nie”).

Wenn wir über Veränderungen sprechen, dann steigt uns Wohlstandsverwahrlosten schon beim Wort “Einschränkungen” der Kamm. Bei “Verzicht”. Wir wissen aber seit 100 Jahren, dass unser deutsches Konsumniveau nicht dauerhaft möglich ist auf dem Planeten Erde – schon gar nicht für bis zu 10 Milliarden deutsch verbrauchende Menschen. Der Verbrauch fossiler Treibstoffe muss sich zwangsläufig “einschränken”, und sei es, weil die Förderkosten irgendwann zu hoch steigen. Wir müssen zwangsläufig auf einige Ressourcenextraktionen “verzichten”, wenn kommende Generationen noch Reste des Ökosystems nutzen können sollen.

Camper for future?

Wenn wir nur daran denken, was uns weggenommen wird, ist das ein hartes Brot. Aus der Praxis möchte ich daher sagen: Das Reisen in einem Mercedes EQV erfreut mit höchstem Komfort, und dass ich etwas länger unterwegs war als mit dem Diesel, war im Großen und Ganzen der Dinge recht erträglich. Im e-Expert wurde ich schief angesehen mit meiner 300-km-Tagestour, aber ich lud während eines leckeren Mittagessens, das mich nicht wirklich verärgerte.

Ja, es werden sich weniger Menschen einen eigenen Camping-Bus leisten können. Wir werden alsGesellschaft Lebensqualitätwieder mehr außerhalb materieller Besitzakkumulation suchen müssen.

Das Gute daran: Dort findet sich der Großteil der Lebensqualität.

Das Schlechte daran: Wir werden von unserer globalen Konsumsucht nicht so einfach loskommen.

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