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Mazda-Designer Jo Stenuit im GQ-Interview: Wir sollten die Elektromobilität nutzen, um eine neue Formensprache zu lernen

mazda-designer jo stenuit im gq-interview: wir sollten die elektromobilität nutzen, um eine neue formensprache zu lernen

Mazda-Designer Jo Stenuit im GQ-Interview: Wir sollten die Elektromobilität nutzen, um eine neue Formensprache zu lernen

Mit dem CX-60 startet Mazda in eine neue Ära. Das Modell ist das leistungsstärkste Straßenfahrzeug, das die Marke je gebaut hat. Elegant-robustes Kodo-Design trifft hier auf japanische Ästhetik im Interieur. Wir haben Jo Stenuit, Design Director Mazda Motor Europe, zum Interview getroffen.

GQ: Herr Stenuit, was macht gutes Autodesign heute aus? Jo Stenuit: Für mich ist ein Auto ein Produkt, was ich lieben können muss. Ich habe zuerst Produktdesign und dann Autodesign studiert. Mir war es wichtig, immer mal wieder aus der reinen Funktionalität auszubrechen und in ein emotionales Denken reinzukommen. Und dafür bietet das Auto die perfekte Kombination. Beim Stichwort Emotion denkt jeder natürlich sofort daran, wie ein Auto aussieht, man spricht über Proportionen und Flächen, über Materialien und Details. Das Design muss zeigen, was das Auto ausmacht, sodass Funktionalität und Emotion sich ideal ergänzen können.

GQ: Sie sind seit mehr als 20 Jahren bei Mazda und haben in den vergangenen JahrenDesignphilosophien wie Tokimeki, Nagare und jetzt Kodo verfolgt. Was haben alle diesePhilosophien gemeinsam? Was ist das Grundkonzept von Mazda? Jo Stenuit: Mazda ist eine sehr ehrliche Marke. Das Auto hält, was wir den Kunden versprechen. Auch wenn wir in den letzten Jahren verschiedene Designsprachen genutzt haben, waren die Grundpfeiler immer Schönheit und Leidenschaft. Bei unserer Designsprache Nagare haben wir uns sehr von der Natur beeinflussen lassen und unglaubliche Concept Cars entwickelt. Mittlerweile sind wir ein bisschen erwachsener geworden. Aber die Nähe zur Natur und zu den Menschen ist immer wichtig geblieben – auch in unserer aktuellen Designsprache Kodo. (Kennen Sie schon? Mazda CX-60 Plug-in-Hybrid feiert Premiere: Vorhang auf für das neue Flotten-Flaggschiff)

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GQ: Hat sich durch die Etablierung der E-Mobilität Ihre Denk- und Gestaltungsweiseverändert? Jo Stenuit: Noch nicht. Allerdings stehen wir an einem Scheidepunkt. Ähnlich wie damals zu Beginn der 20er-Jahre, als wir den Schritt vom Karren mit Pferd zum ersten automobilähnlichen Fahrzeug gemacht haben. Aktuell stylen wir die Autos so nach, als ob vorne ein Motor vorhanden wäre. Dabei sollten wir die Elektromobilität nutzen, um eine neue Formensprache zu lernen. Allerdings müssen sowohl wir Designer als auch die Kunden sich daran erst gewöhnen. Ohne den Kühlergrill, der gemeinsam mit den Leuchten immer das „Gesicht“ eines Fahrzeugs bestimmt hat, wird es auf jeden Fall schwierig. Wir brauchen eine gute Alternative, aber wir stehen erst am Anfang des Weges.

GQ: Muss sich denn zwangsläufig etwas verändern, oder kann man das Design nicht einfachnachbilden?Jo Stenuit: Es wird automatisch etwas Neues geben. Wenn wir die Vorteile der Elektromobilität wirklich nutzen wollen, wird sich das Design automatisch anpassen, das braucht jedoch Zeit. (Lesen Sie auch: Günstige Sportwagen: Für diese 9 Modelle brauchen Sie nicht den ganz dicken Geldbeutel)

GQ: Der Innenraum des Fahrzeugs wird immer bedeutender. Es gibt mehr Technik, mehrDisplays etc. Mazda, so hat man das Gefühl, möchte sich mit einem minimalistischen Innenraum abheben. Warum? Jo Stenuit: Minimalistisches Design ist für mich gutes Design. Ich will mich in kein Auto setzen, was mich vor lauter Technologie und Bildschirmen erst mal erschlägt. Es gibt nichts Schlimmeres, als im Auto nicht den Startknopf zu finden (lacht). Unser Ziel ist es, dass die Leute Spaß am Fahren haben, aber dennoch sicher unterwegs sind. Sie sollen das Auto kontrollieren und nicht andersherum. Ich halte die vielen Displays aktuell für einen Trend, den wir einfach nicht mitmachen. Auch in den 80er-Jahren gab es bereits eine Zeit, in der der Innenraum auf einmal voll von Knöpfen und Hebeln war. Das war eine Zeit lang „in“ und dann war es vorbei. Für uns ist ein Auto immer noch ein Auto und kein Kino oder eine Gaming-Area.

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Es gibt nichts Schlimmeres, als im Auto nicht den Startknopf zu finden.

GQ: Wie schafft man es heute als Automarke, sich ein Alleinstellungsmerkmal zu schaffen? Jo Stenuit: In den letzten 15 Jahren haben wir bei Mazda Selbstsicherheit gewonnen. Wir haben uns darauf fokussiert, was für uns wichtig ist. Wir verfolgen natürlich auch Trends, aber wir versuchen nicht mehr trendy zu sein. Wie wissen, wie unsere Autos aussehen sollen, deshalb sind wir automatisch anders als viele andere Brands. Wir machen auch keine Design-Clinics mehr, bei denen ein Modell potenziellen Kunden gezeigt wird, die dann entscheiden, was sie von dem Entwurf halten. Natürlich ist es wichtig, die Kundenwünsche im Ohr und den Markt im Auge zu behalten. Aber am Ende des Tages sind wir die Experten und entscheiden. Und dazu stehen wir auch. Wenn man etwas mit Leidenschaft entwickelt, dann kommt es auch bei den richtigen Leuten an, dessen bin ich mir sicher. (Auch spannend: Bester Kleinwagen 2022: Die 9 beliebtesten Modelle des Jahres)

GQ: Wie würden Sie Ihre Zielgruppe beschreiben? Jo Stenuit: Menschen, die wirklich Auto fahren wollen, aber keinen großen Motor dafür brauchen. Wir wollen Autos entwickeln, die Leute glücklich machen. Autos, die vielleicht nicht die größte Leistung mitbringen und kein “Tam Tam”. Wir bieten Mobilität für Menschen, die agil und schnell in den Städten unterwegs sein wollen. Und die stolz darauf sind, gerade keinen Porsche zu fahren. Menschen, denen es nicht nur auf Leistung und große Marke, sondern einfach auf ein tolles Auto und Fahrspaß ankommt.

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GQ: Der Innenraum des Autos wird mehr und mehr zum “third place”. Ein Zukunftsgedanke, mit dem Mazda sich bereits beschäftigt? Jo Stenuit: Auf jeden Fall. Für viele ist ein Interieur ein Raum, in dem man man selbst sein kann. Wo es beispielsweise ruhiger ist als auf der Arbeit oder zu Hause. Ich habe in Japan gewohnt und dort öfter festgestellt, dass junge Leute dort im Auto sitzen und Filme schauen. Weil sie dort im Auto mehr Privatsphäre und Ruhe haben als in ihren kleinen Zimmern und Wohnungen (lacht). Da das von unterwegs aus arbeiten in den letzten Jahren so viel wichtiger geworden ist, wird auch der Innenraum der Transportmittel bedeutender. Deshalb nutzen wir viele Materialien, die aus dem Homebereich kommen. Zwischen denen man sich wohlfühlt. Kork ist das beste Beispiel. Nicht nur, weil es nachhaltig ist und sich gut anfühlt, sondern auch, weil es zu unserer Firmengeschichte dazu gehört. Bevor wir in die Autobranche eingestiegen sind, haben wir Kork hergestellt, das wissen viele nicht. Im Innenraum müssen wir Ergonomie und Funktion, Multimedia-Angebote und nachhaltige Materialien zusammenbekommen. Das ist superkompliziert und vielschichtig.

GQ: Aktuell kooperieren Sie mit dem japanischen Fashion Label suzusan. Wird das Auto immer mehr zum Kunstobjekt und lässt unterschiedliche Kreativ-Branchen miteinander verschmelzen? Jo Stenuit: Als Autodesigner muss man sich für mehr interessieren als nur für das Auto. Ich persönlich interessiere mich zum Beispiel für Kunst, Grafikdesign und Interieurdesign. Ich kann etwas von suzusan lernen, auch wenn der Gründer des Labels Hiro Murase etwas komplett anderes macht als ich. Denn: Seine Sichtweisen und Denkansätze sind ganz anders als meine und können mich trotzdem oder gerade deshalb weiterbringen. Die Art und Weise, wie wir unsere Autos entwickeln, hat schon etwas Künstlerisches. Wir bauen Skulpturen von den Fahrzeugen, zeichnen Skizzen die Kunstwerken gleichen und gehen immer wieder in den Austausch. Das Wichtigste ist jedoch und das trifft auf jede Kunst zu, dass man offen für andere Disziplinen bleibt. (Interessant: Die 11 teuersten Autos der Welt und was sie kosten)

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GQ: Was ist das wichtigste Gestaltungselement im Auto? Jo Stenuit: Sehr oft wird sich auf Details konzentriert, aber eigentlich ist es die Kombination von den Dingen. Beim Exterieur spielen Form und Farbe eine große Rolle. Beim Interieur das Gefühl und die Materialien. In erster Linie geht es darum, eine gute Balance zu finden. Das Auto ist das komplexeste Produkt, was man kaufen kann. Ich bin selbst immer wieder erstaunt, dass bei uns überhaupt Autos aus der Fabrik laufen. An so einem Fahrzeug arbeiten 1.000 Menschen, das kann man schlecht auf ein wichtiges Element reduzieren.

GQ: Haben sich die Anforderungen der Kunden in den letzten Jahren verändert? Jo Stenuit: Ja, auf jeden Fall. Das Thema Elektromobilität ist vor allem für junge Menschen extrem wichtig geworden. Nicht nur bei den Autos, sondern bei allen Mobilitätsmöglichkeiten. Auch die Qualitätsansprüche sind ganz andere als früher. Fahren können die Autos alle, aber was bringen sie noch mit? Dinge wie Konnektivität sind heute häufig Entscheidungsfaktoren beim Kauf. Es kann heute so viel bedacht werden, dass ein Autokauf einer Abschlussarbeit gleicht.

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Es kann heute so viel bedacht werden, dass ein Autokauf einer Abschlussarbeit gleicht.

GQ: Was sind aktuell die größten Herausforderungen in Sachen Autodesign?Jo Stenuit: Wir sind gerade an einem spannenden Wendepunkt. China drängt sich immer mehr in den Wettbewerb. Jeder muss wach bleiben und hat Angst, den Anschluss zu verlieren. Die Design- und die Autobranche werden immer internationaler. Heute arbeiten Menschen in meinem Team, die auf der anderen Seite der Welt leben. Sie bringen ihr Wissen, ihre Kultur und ihre Kreativität ein. Das hat alles verändert. Als Designer muss man seine Umgebung wie ein Schwamm aufsaugen. Und das kann heutzutage ganz schön überfordernd sein. Dieser Eindruck kann aber auch an meinem Alter liegen (lacht).

GQ: Wie wird die Zukunft des autonomen Fahrens die Branche verändern?Jo Stenuit: Für mich ist das autonom fahrende Fahrzeug ein anderes Produkt. Es ist das buchstäbliche „Auto-Mobil“, aber man kann es nicht mit dem vergleichen, was wir aktuell designen. Natürlich ist der Gedanke an einen Mazda, bei dem man nur noch einen Knopf drückt, bevor es einen heimfährt, irgendwie schön. Aber auch beängstigend. Ich glaube, wir müssen das Design bei autonom fahrenden Fahrzeugen komplett neu anpassen. Sowohl beim Interieur als auch beim Exterieur. Es wird kein so persönliches Produkt mehr sein. Ich bin gespannt, was kommt.

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