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Maserati Grecale Trofeo (530 PS) im Test: Reicht's für den Macan?

Ein deutlich runderes Gesamtpaket, bei dem viel, aber noch nicht alles sitzt

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Was ist das?

Maseratis wichtigstes Auto der letzten 20 Jahre. Das sagt uns Maserati. Schon klar, erst kürzlich hat man die 630-PS-Prestige-Flunder MC20 gelauncht und darüber hinaus sehr medienwirksam klargemacht, dass der Dreizack bald massiv den Elektro-Bizeps anspannt. Das Tema SUV ist für die Modeneser auch nicht neu, der große Levante ist ja schon seit 2016 am Start. Aber der Grecale ist dann doch nochmal ein anderes Kaliber.

Warum? Weil er klassisches D-Segment-SUV ist. Genau, D-Segment, da wo die Stückzahlen und die Kohle gemacht werden. Fragen Sie mal bei Porsche nach, da wird man Ihnen sehr viele sehr schöne Dinge über den Macan erzählen. Der machte 2021 in seinem achten (!) Jahr alleine fast vier Mal so viele Neuzulassungen wie ganz Maserati zusammen.

Dabei sind die Italiener im letzten Jahr um 41 Prozent gewachsen, ausgehend von einem recht überschaubaren Niveau natürlich. Da muss noch mehr gehen und der Grecale soll dieses “mehr” nach Hause fahren. Dafür hat man ihn auf eine ziemlich wundervolle Basis gestellt. Die sogenannte Giorgio-Plattform kennen die Italo-Fans unter Ihnen bereits von Alfa Romeo Giulia und Stelvio. Fahrdynamisch sollte also schon mal überhaupt gar nix anbrennen.

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Die Maserati-Ingenieure haben, wie man das nun mal so macht, natürlich noch ein wenig am Unterbau herumgedoktert. Gegenüber den traumhaft dribbelnden Alfas erhält der Grecale mehr Radstand (2,90 Meter) und angepasste Feder-Dämpfer-Abstimmungen, die der Kurvengier- eine etwas ausgeprägtere Komfort-Komponente zur Seite stellen sollen. Das von uns getestete Topmodell Trofeo kommt darüber hinaus serienmäßig mit Luftfahrwerk und elektronischer Hinterachssperre.

Am wichtigsten ist sicher, dass die Plattform hier auch für reinen Elektrobetrieb taugt. Der sogenannte Grecale Folgore soll im zweiten Halbjahr 2023 aufschlagen. Er kommt mit 400-Volt-Technologie, einem 105-kWh-Akku und bis zu 800 Nm Drehmoment, verkündete Maserati unlängst.

Aktuell ist der Grecale mit zwei 48-Volt-Mildhybrid-Vierzylindern und einem Dreiliter-Biturbo-V6 zu haben. Den Einstieg bildet der GT mit 300 PS, dazu kommt der Modena mit 330 PS. Beide Zweiliter-Aggregate erreichen ein maximales Drehmoment von 450 Nm und gehen in unter sechs Sekunden auf 100 km/h.

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Die aktuelle Krone der Schöpfung ist der Trofeo mit 530 PS und 620 Nm Drehmoment. Sein Sechszylinder entstammt der neuen Nettuno-Motorenfamilie, die ihm MC20 debütierte. Gegenüber dem Supercar wird hier auf die Trockensumpfschmierung und 100 PS Leistung verzichtet. Maseratis Stolz, das Formel 1-Brennverfahren mit zwei Brennräumen und Zündkerzen pro Zylinder, ist aber an Bord.

Abgesehen vom Jaguar F-Pace SVR und dem Range Rover Velar SVR ist der Grecale Trofeo das leistungsstärkste Auto im Segment. Dem derzeit potentesten Porsche Macan schenkt er 90 PS ein, dem Performance-Trio um Mercedes-AMG GLC 63, BMW X3/X4 M und Alfa Stelvio Quadrifoglio ist er 20 PS voraus.

Apropos Segment: Mit einer Länge von 4,85 Meter ist er um die 10 bis 15 Zentimeter länger als die wichtigsten Konkurrenten. Ein schlauer, fast schon Skoda-esker (das hören sie beim Dreizack sicher besonders gern) Schachzug, der sich auch beim Platzangebot bemerkbar machen soll. Maserati verspricht “Best in Class”-Beinfreiheit.

Ansonsten ist beim flamboyanten Edel-Autobauer jetzt auch innen die Moderne eingezogen. Zu den digitalen Instrumenten und dem Head-up-Display gesellt sich das sogenannte “Shield” aus einem 12,3-Zoll-Infotainment-Display und einem 8,8-Zoll-Screen für die Klimabedienung. Außerdem hat man die traditionelle Uhr auf dem Armaturenbrett zu einer Art Smartwatch umfunktioniert, die alle möglichen Dinge anzeigt und auch als Sprach-Assistent fungiert.

Der Grecale startet in Deutschland bei gut 71.000 Euro. Unser überaus gelber 530-PS-Freund hier (keine Sorge, es gibt auch andere Farben) kostet mindestens 111.000 Euro.

Wie fährt er?

Auch der Grecale tut, was italienische Autos in aller Regel besonders gut können: Du setzt dich rein, fährst 50 Meter und alles fühlt sich sofort ziemlich richtig an. Sei es, wie man sitzt, oder die Gewichtung von Gas, Bremse, Lenkung und Co. Das passt also schon mal.

Der Dreiliter-V6, das erste neue Maserati-Aggregat seit gefühlten fünf Ewigkeiten, ist erwartungsgemäß ein ausgeprägt charismatischer und musikalischer Geselle. Sehr gut ist er glücklicherweise auch.

In den normalen Fahrmodi ist er geschmeidig und fühlbar um Deeskalation bemüht (das gilt übrigens für alle anderen Fahrdynamik-Aspekte des Grecale ganz genauso. Die Spreizung zwischen den Modi ist enorm). In den Volle-Attacke-Stufen Sport und Corsa brennt er dann ein sehr ansehnliches Feuerwerk ab. Reaktionsschnell, drehfreudig, schön aggressiv und klanglich maximal italienisch – das bedeutet großartig.

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Gleiches Spiel bei der ZF-8-Gang-Automatik. Sehr sanft und komfortabel, wenn man nichts Bahnbrechendes vor hat. Schön schnell und herzhaft, wenn man die Sport-Modi drückt. Ein bisschen arg herzhaft gar. Denn wenn man im Corsa-Mode selbst in die absolut himmlisch geformten Schaltpaddles greift, tut es bei jedem Hochschalter einen Schlag wie zu besten Lamborghini-Murciélago-Zeiten. Das ist effektvoll, aber beim kontrollierten Schnellfahren nicht sehr hilfreich.

Dazu sei gesagt, unser Testwagen war ein Vorserienmodell, das obendrein beim initialen Presse-Marathon des Grecale ordentlich gelitten hat. Maserati gelobte Besserung bis zum Marktstart.

Und das Handling? Fährt er gut ums Eck?

Grundsätzlich tut er das, ja. Ein Auto, das Spaß macht und emotional abholt. Die Lenkung ist wirklich gut gewichtet, definitiv auf der sportlichen und direkten Seite, aber nicht ultra-nervös. Das hat schon eher GT-Charakter.

Der Allradantrieb ist grundsätzlich hecklastig ausgelegt. In den Standard-Fahrstufen 40:60, im Corsa-Modus geht es in Richtung 20:80, was ich gefühlt auch so unterschreiben würde. Insgesamt fährt der Grecale wirklich unterhaltsam, wenn auch nicht so radikal wie einige andere Performance-SUVs.

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Ein Faktor dürfte auch hier wieder der Vorserien-Status des gelben Gefährts gewesen sein. Erstens polterte die Vorderachse ein wenig arg laut und zweitens hatten die Bridgestone-Reifen einen völlig falschen Luftdruck und wohl auch schon bessere Zeiten gesehen. Die Folge: zu viel Untersteuern, was die durchaus erkennbare Agilität und Verspieltheit im Heck des Grecale Trofeo leider Gottes unterwanderte. Da würde ich wirklich gerne nochmal mit frischer Hardware nachtesten.

Fahrdynamisch geht da vermutlich einiges. Aber wo der Grecale bei allem Performance-Tamtam wirklich überragt, ist in Sachen Fahrkomfort. Unsere Teststraßen nordöstlich von Rom waren sehr kurvig. Was sie auch waren: In einem wirklich bedauernswerten Zustand. Aber unabhängig vom Fahrmodus bügelte das Auto all die Krater-ähnlichen Löcher und auch fieseste Unebenheiten sehr überzeugend aus. Nicht butterweich, einfach nur sehr gut.

Wie ist er innen?

Bei unserem internationalen Test mit den Kollegen von Motor1.com Italien, USA und Frankreich fingen wir mit dem Fond an (siehe angehängtes Video) und Reihe Zwei kann sich beim Grecale wahrlich sehen lassen. Das versprochene “Best in Class” bei der Beinfreiheit ist absolut keine Übertreibung. Auch Kopf- und Schulterfreiheit sind enorm. Dazu gibt es für die Hinterbänkler Sitzheizung, separate Klimasteuerung sowie USB-A- und USB-C-Anschlüsse. Der Kofferraum schluckt 570 Liter (bei den Mildhybriden sind es 535 Liter). Auch hier gibt es einen Anschluss fürs Smartphone und einen 220-Volt-Stecker.

Rückbank ist wichtig, aber vorne muss auch passen. Und hier hat sich wirklich einiges getan. Das Design des Interieurs war bei Maserati ja noch nie das Problem. Das Leder, die Nähte, die Steppungen, das ist einfach … naja … da will man eben gerne sein.

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Beim Grecale hat man aber auch massiv am Infotainment gearbeitet. Das System ist jetzt Android-basiert. Das war eine ziemlich kluge Entscheidung. Es bietet einen 12,3-Zoll-Hauptscreen und darunter ein 8,8 Zoll-Display für die Klima-Bedienung. Das ganze Teil ist ein Riesen-Schritt nach vorne und machte im Test einen wirklich guten Eindruck. Maserati scheint hier endlich verstanden zu haben.

Etwas sinnfrei erscheint die Anordnung der Getriebe-Wahltasten zwischen den beiden zentralen Displays auf dem Armaturenbrett. Vor allem, weil es hier im Test noch ein bisschen hakte mit dem Gänge einlegen. Einmal mehr gelobten die Italiener Besserung bis zur Auslieferung der Kundenfahrzeuge.

Die Sitzposition und das Gestühl an sich machten einen sehr guten Eindruck. Die Materialqualität kann sich bis auf wenige Details (etwa das carbonartige Lederzeugs an einigen Blenden) absolut sehen lassen.

Fazit

Mit dem Grecale hat sich Maserati viel vorgenommen und auf den ersten Blick ein deutlich runderes Paket geschnürt als zuletzt. Klar ist aber auch: Die Konkurrenz in diesem Segment ist bockstark.

Ich habe, als unverbesserlicher Fan italienischer Autos (oft ist es eher eine Hassliebe) versucht möglichst neutral an die Sache ranzugehen, aber natürlich habe ich mir gedacht: Du bist ein Maserati, ich mag dich eh schon deswegen, ich will dich unbedingt mögen, bitte sei gut. Und ich finde ihn gut. Vor allem auch, weil man endlich die Basics berücksichtigt hat. Infotainment, zeitgemäße Technologie, Bedienung et cetera. Das hier ist ein konkurrenzfähiges Gesamtpaket. Natürlich ist bei Weitem nicht alles perfekt, aber das Auto ist insgesamt ein großer Schritt nach vorne.

Ja und der Rest ist eh Heimspiel. Die Emotionen, das Flair. Wie das klingt, wie das aussieht, die kleinen Details hier und da. Is geil, kriegste so nirgendwo anders. Und vermutlich wird der Grecale die Kunden auch genau damit wieder von Macan und Co. weglocken müssen. Jetzt hat er aber auch noch weitere Argumente auf seiner Seite.

Das Global Review von Motor1.com

Der Grecale wurde in Italien entwickelt und wird auch dort gebaut, aber exportieren wird ihn der Dreizack in die ganze Welt. “In die ganze Welt” passt auch ganz hervorragend zu unserem Motor1.com-Netzwerk. Aus diesem Grund haben wir den Grecale und Italien für das erste Global Review von Motor1.com ausgewählt. Es handelt sich dabei um einen gemeinsamen Test mit Journalisten aus unseren verschiedenen Editionen, die die Möglichkeit hatten, das Auto gemeinsam zu analysieren und ihre Erfahrungen zu vergleichen.

Neben meiner Wenigkeit waren Clint Simone (Motor1 US), Yann Lethuillier (Motor1 France) und Lorenzo Curatti (Motor1 Italia) an der Erprobung mit internationalem Flair beteiligt. Es dürfte nicht die letzte Veranstaltung dieser Art gewesen sein.

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Als Standort wählten wir die famosen Straßen von Umbrien und insbesondere das charmante Castello Titignano, dem wir für die große Gastfreundschaft (und seine absolut glorreiche Küche) danken.

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