Lucid

Test

Lucid Air: Luxus-Limousine mit Elektroantrieb im Test

900-Volt-Elektroauto des kalifornischen Startups legt einen überzeugenden Start hin

lucid air: luxus-limousine mit elektroantrieb im test

Dieser sonnige Samstag im Oktober ist ein großer Tag für Lucid: Die neue Elektro-Limousine namens Air wird endlich an die ersten Kundinnen und Kunden ausgeliefert. Firmenchef Peter Rawlinson unterhält sich ein paar Minuten mit mir.

Der 63-Jährige war einst der Chefingenieur von Tesla, hat aber einen gänzlich anderen Weg als sein ehemaliger Arbeitgeber eingeschlagen. Zu seiner ungewöhnlichen Biografie gehört, dass er auch einmal Chefingenieur von Lotus war. Seinen Lotus Elan Series III von 1967 nennt er eine Referenz in Sachen Lenkgefühl. Sowas kriegt man nicht mehr, meint Rawlinson.

Bildergalerie: Lucid Air (2022)

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Range-Topper im doppelten Sinn

Die Preise für den Lucid Air beginnen bei geradezu moderaten 74.400 Dollar, also etwa 66.000 Euro. Ein range-topper im doppelten Sinn ist die zum Start angebotene Dream Edition: Mit einem Preis von 169.000 Dollar (150.000 Euro) ist sie das Topmodell, und mit 520 Kilometern EPA-Reichweite (das sind fast 840 km) nicht nur der Air mit der größten Reichweite, sondern derzeit das Elektroauto mit der größten Reichweite überhaupt.

Die Antriebe des Air reichen vom heckgetriebenen Basismodell Pure mit 480 hp (353 kW) bis hinauf zu den 1.111 hp (817 kW) der allradgetriebenen Air Dream Edition Performance. Die EPA-Reichweiten liegen zwischen 353 und 837 Kilometern. Als wäre das noch nicht genug des Guten, verspricht Lucid auch noch Ladeleistungen von bis zu 300 kW. So soll in 20 Minuten Strom für 300 Meilen (480 km) nachgeladen werden können.

Air Dream Edition:
Über 1.000 PS, über 800 km Reichweite, 300 kW Ladeleistung

Stolz ist Lucid auch auf das Packaging. Die Elektromotoren mit bis zu 670 hp (492 kW) sind besonders klein. Bei den Versionen Touring und Pure kommt noch eine kleinere Batterie hinzu, was noch mehr Fußraum ermöglicht. Der Frunk ist mit 200 Litern derzeit der größte auf dem Markt [bis der Ford F-150 Lightning startet, der 400 Liter bietet, Anm. des Übersetzers]. Dazu kommen über 450 Liter Stauraum im hinteren Kofferraum. Dort gibt es zwar keine richtige Heckklappe wie bei einem Schrägheckauto, aber die Öffnung ist sehr groß.

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Luftiges Interieur

Im Innenraum gibt es ähnlich viel Monitor-Fläche wie beim Tesla Model S oder Mercedes EQS. Beim Air kommen aber zu dem 34 Zoll großen Display noch einige physische Tasten. So gibt es zwei Drehräder am Lenkrad und eine Walze in der Mitte des Cockpits. Laut Rawlinson sollen sie ein Gefühl von mechanischer Präzision wie eine Schweizer Uhr vermitteln – also wohl ein Gefühl wie beim Aufziehen einer Rolex oder Patek Philippe.

lucid air: luxus-limousine mit elektroantrieb im test Drehwalzen am Lenkrad und in der Mitte des Cockpits

Der Innenraum wirkt ruhig und luftig. Die Frontscheibe reicht bis über die Vordersitze. Und hinten lässt ein Glasdach das Interieur noch geräumiger wirken als es ist:

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Die Sonnenblenden sind direkt an der Frontscheibe befestigt und scheinen so im Raum zu schweben. Amüsantes Detail: Die Lämpchen für die Schminkspiegel in den Sonnenblenden sind batteriebetrieben; man muss die Batterien alle drei Jahre austauschen – nun ja, dieses kleine Opfer muss man wohl für das optisch interessante Feature bringen:

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Das Cockpit hat einen clean wirkenden, zeitgemäßen Look. Die Startversion hat eine Nappa-Leder-Ausstattung, später soll es auch andere Varianten geben, darunter welche mit Eukalyptus- Walnuss- und Eichenholz.

Einen “On/Off”-Knopf für den Systemstart gibt es im Lucid Air nicht, genauso wenig einen Automatik-Wahlhebel: Die Fahrmodi P, N, R und D werden per Touchscreen aktiviert. Lenkunterstützung und das Ansprechverhalten des Gaspedals lassen sich leider nicht einstellen, doch bei der Stärke der Rekuperation kann man zwischen low und high wählen.

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Ein Sprint wie bei einem Supersportler

Wenn man den Air entspannt fährt, würde man es nicht für möglich halten, dass über 1.000 PS unter der Haube werkeln. Denn die Leistung entwickelt sich sanft und vorhersehbar. Drückt man aufs Gaspedal aber durch, schießt der Air nach vorne. Der stärkste Air braucht nur rund 2,5 Sekunden für den Sprint auf Tempo 100, und das bei einem Gewicht von 2,4 Tonnen. Den Sprint von 100 auf 200 km/h dauert nur etwa 4,8 Sekunden – das sind Werte eines Supersportlers.

Als ich den Sprint erproben will, bitte ich meinen Beifahrer, ein Videodavon zu machen, doch die Beschleunigung war so hart, dass ihm zweimal nacheinander das Smartphone aus der Hand fiel. Der Vorgang soll sich ohne große Abschwächung mehrmals wiederholen lassen.

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Unsere etwa 160 km lange Testfahrt umfasste eine Etappe auf einer großen Interstate und einige schöne Kurven auf dem Skyline Boulevard [die State Route 35 durch die Santa Cruz Mountains südlich von San Francisco, Anm. d. Übers.]. Auf dem Highway fühlt sich der Air flink an: Er bewegt sich mit Leichtigkeit, das Fahrwerk wirkt, als wäre eine Luftfederung verbaut (obwohl es nur elektronisch geregelte Dämpfer sind).

Bei einer Panik-Bremsung fühlte sich der Pedalweg der Bremse allerdings arg lang an; die Wirkung kam dann ganz plötzlich am Ende. Das führte Lucid auf den Vorserienstand des Fahrzeugs zurück. Das gleiche soll für eine plötzliche Verschlechterung der Fahreigenschaften auf einem besonders ruppigen Straßenabschnitt gelten. Ansonsten war das Fahrverhalten tadellos.

Auf kurvigen Nebenstraßen gab der Air trotz seiner Größe einen guten Tanzpartner ab. Die Rückmeldung ist nicht so gut wie bei einem Lotus, aber das Lenkgefühl ist so, dass man unwillkürlich schneller fährt als mit den meisten anderen Limousinen – zumal den elektrischen.

Im Eco-Modus ist das Handling weich und schwammig; im Sport-Modus wird der Air straffer, aber nicht übermäßig hart. Mit mehr Gas schießt der Air voran und geht ohne Murren in die Kurven. Wenn man es ruhiger angehen lässt, verwandelt er sich in einen gutmütigen Cruiser, mit dem die Kilometer nur so verfliegen.

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Viel versprechender Start – trotz der Probleme

Die Macken des getesteten Vorserien-Modells zweigen, welche Schwierigkeiten die Lucid-Ingenieure auf dem Weg zur Serienreife überwunden werden mussten. Doch nun hat die Serienproduktion in Casa Grande (Arizona) begonnen, und bis Ende des Jahres könnten noch bis zu 20.000 Lucid Air ausgeliefert werden.

Als typischer Perfektionist sieht Rawlinson die Drehrädchen im Cockpit als work in progress an: Sie sind schon ziemlich gut, aber noch nicht ganz fertig, so der Lucid-Chef. Diese Haltung passt zu einem Autohersteller, der nach einem und viel versprechenden Start noch einen langen Weg vor sich hat.

[Das amerikanische Original von unserer Partnerseite Motor1 USA wurde aus Gründen der Lesbarkeit sehr frei übertragen, teilweise gekürzt und anderswo inhaltlich ergänzt, Anm. d. Übersetzers.]

Lucid Air Dream Edition 2022

Motor 2 E-Motoren (PSM)

Leistung 817 kW

Max. Drehmoment 1.390 Nm

Antrieb Allradantrieb

Beschleunigung 0-60 mph 2,5 Sek.

Batterie 118 kWh

Elektrische Reichweite 837 km (amerikanische EPA-Norm)

Ladeanschluss 300 kW DC

Länge 4.975 mm

Breite 1.939 mm

Höhe 1.410 mm

Kofferraumvolumen 202 Liter vorne (Frunk), 456 Liter hinten

Basispreis 169.000 Dollar (ca. 150.000 Euro)

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