Lexus

Lexus RZ 450e: Luxus-SUV mit Lenkrad-Laune

Toyotas Edelmarke Lexus bringt nach dem UX 300e ihren ersten elektrischen Hochsitzer. Bald auch mit Yoke-Lenkrad und Steer-by-Wire-System.

Es wurde auch höchste Zeit, dass Toyotas noble Tochter nach ihrem bislang wenig erfolgreichen kompakten Stromer UX 300e, den es ja auch als schnöden Benziner gibt, mit einem von Grund auf vollelektrischen SUV aus den Puschen kommt. Bei Audi, BMW und natürlich bei Tesla gibt es längst genügend Auswahl, von den Koreanern mal ganz zu schweigen. Aber jetzt kommt ja der neue Lexus RZ 450e zu uns, und theoretisch könnte nun ab Mitte Mai alles schick und fein werden. Die ersten Autos sind schon auf dem Seeweg zu uns.

Zumal es die dafür hübsch passende Elektro-Technik längst im eigenen Haus gibt. So konnte sich dieser Lexus-Stromer nun ohne Stress und Hektik an der schon in Toyota bZ4x und dem Subaru Solterra sinnig eingesetzten e-TNGA-Plattform des japanischen Großkonzerns bedienen. Klar, der vollelektrische Lexus hat da eine verfeinerte Substanz, ein bisschen mehr Power und auch den eleganteren Dress. Mit einer flacheren Motorhaube, dem hier schlankeren, weil funktionslosen typischen Diablo-Grill und ganz schön zackigen, extrem flachen Scheinwerfern.

lexus rz 450e: luxus-suv mit lenkrad-laune

Geschmackssache Für einen klimafreundliuchen Stromer kommt der neue Lexus RZ 450 e ganz schön grimmig daher.

Wobei man jetzt natürlich länger darüber diskutieren könnte, ob die Frontpartie mit dieser wütig zusammengekniffenen Miene für einen ökologisch netten Stromer nicht ein wenig zu krass daherkommt. Machen wir aber nicht, denn das ist Geschmacksache und die chinesischen oder amerikanischen Fanboys sehen das vermutlich völlig anders. Wild und kantig zeigt sich allerdings auch das Heck dieses Hochsitzers, man beachte nur diese beiden speziellen Spoilerenden in der Dachverlängerung, die uns irgendwie an frühere Eistütchen erinnern.

Platz bis zum Abwinken

Farblich gibt es auch eine interessante Überraschung. Denn wer will, der bekommt hier neben sechs Außenfarben (von Polar Metallic bis Kupferrot) dieses optionale „Bi-Tone“-Farbschema, das die Front des Autos, beginnend am oberen Rand des Kühlergrills bis übers ganze Dach kontrastierend in sattes Schwarz hüllt. Diese speziell bunte Zweifarbigkeit hat noch keiner der Rivalen im Programm. Es ist aber durchaus vorstellbar, dass unsere großstädtischen Kids das nicht megacool, sondern eher peinlich finden.

Darum wechseln wir lieber zum Faktischen. Stattliche 4,81 Meter misst der RZ 450e in der Länge (Höhe 1,64 m) und hat, typisch Stromer, drinnen Platz bis zum Abwinken. Vorn ohnehin, doch selbst in der zweiten Reihe haben wir mit unseren 1,94 Metern Körperhöhe mehr Platz als in der Business Class der Lufthansa. Die Lehnen der Rücksitze sind in der Neigung sogar zweistufig verstellbar. Und die beiden äußeren, was für ein Luxus, lassen sich auf Wunsch sogar zweistufig beheizen.

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Auffallen um jeden Preis Für den neuen Lexus RZ450e haben sich die Designer sechs Außenfarben ausgedacht und eine Kontrastlackierung mit schwarzem Dach und Fronthaube.

Abgesehen davon, dass speziell die Vordersitze des Lexus RZ 450e im Vergleich zum Gestühl des Fliegers deutlich bequemer sind. Rückenfreundlich natürlich auch. Klimatisierung? Vorhanden, hier für die gesamte Sitzfläche. Die Temperatur für Schultern, Rücken und Oberschenkel kann sogar individuell eingestellt werden. Massagefunktion? Hätten wir hier erwartet, gibt es aber nicht. Kein Drama. Eine Verlängerung des Sitzkissens für etwas größer gewachsene Käufer? Nicht zu haben, und an dieser Stelle sind wir wirklich etwas sauer, weil die angebotene Fläche für gängige Mitteleuropäer ohnehin nicht üppig ist.

64 Farben für den Innenraum

Immerhin, bei den Bezügen der Sitze kann es Lexus so grün wie Greenpeace: nix tierisches Leder, sondern vegane Stoffe aus Biomaterialien und recycelten Kunststoffen, die für eine gutes Gewissen sorgen und nebenbei angenehme Hautschmeichler sind. Besonders das wildlederähnliche Material der nachhaltigen Velours-Polsterung Ultrasuede. Und bei der obligatorischen, indirekten Ambientebeleuchtung offerieren die Japaner gleich 64 Farben und 14 Themen für eine stimmungsvolle Atmosphäre. Auf Wunsch mit einem gezauberten Muster von Licht und Schatten auf den Türverkleidungen. Naja, man kann es auch übertreiben.

Neugierig geworden? Weiter geht es hier.

Ab zum nächsten Ding. Zur weiteren Überraschung, denn der Lexus hat ungefähr auf Kniehöhe einen eingebauten geräuschlosen Infrarot-Heizstrahler, der zusätzlich zu den gängigen Sitzheizungen und der Lenkradheizung schnell für ungewohnt angenehme Wärme sorgt. Das soll nebenbei auch die Klimaanlage (serienmäßige Wärmepumpe) entlasten. Diesen Strahler haben wir unterwegs mit wachsender Begeisterung getestet, obwohl es draußen nicht übertrieben kalt war.

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Runde Sache Zunächst gibt es den Lexus nur mit einem konventionell gestylten Lenkrad. Unkonventionell ist da schon der Infrarot-Heizstrahler auf Kniehöhe, der die Klimaanlage entlasten soll.

Die Klimaanlage dieses SUV ist übrigens so gerissen, dass sie erkennt, welche Sitze überhaupt belegt sind. Passt ihre Leistung dann einfach entsprechend an. Lässt sich natürlich auch per Lexus-App schon mal aus der Ferne aktivieren, um im Winter die Scheiben abzutauen. Und für eine extrem hohe Luftqualität im Innenraum sorgt eine Nano-Technologie, die Wassermoleküle mit mikroskopisch kleinen Hydroxylradikalen in den Luftstrom abgibt, die wiederum Bösewichter wie Viren, Bakterien, Pollen und andere Allergene vertreiben sollen. Helfen auch gegen schlechte Gerüche. Nein, den Knoblauchtest haben wir nicht gemacht.

Totwinkel-Assistent blockiert Türen

Schön auch, dass ganz hinten im auffallend glattflächigen Kofferraum (wir registrieren wohlwollend die niedrige Ladekante) ordentliche 522 Liter Volumen auf großes Gepäck lauern. Bei umgelegten Rücksitzlehnen (im Verhältnis ein Drittel zu zwei Drittel) werden es 1451 Liter. Im Unterboden findet sich noch ein Staufach mit 58 Liter Volumen, das sich locker für die Aufbewahrung des Ladekabels eignen dürfte. Einen Frunk, dieses vorn in der Motorhaube aufklappbare zusätzliche Gepäckkasterl, hat der Lexus allerdings nicht. Nach Auskunft der japanischen Techniker fehlt der Platz dafür.

Beinahe vergessen: Dieser RZ 450e (ja, ein ziemlich öder Name) hat noch richtige solide (bei Annäherung beleuchtete) Türgriffe und nicht dieses karosseriemäßig bündig versenkbare Zeugs, das uns, wenn wir an crashige Ernstfälle denken, schon immer ein wenig suspekt war. Insofern finden wir es schlau, dass der eingebaute Totwinkel-Assistent ein Entriegeln der Türen verhindert, sobald von hinten Fahradfahrer oder andere Verkehrsleute arg dicht heranrauschen. Ach ja, wir können hier auch unser Smartphone als digitalen Schlüssel einsetzen. Zum Ver- und Entriegeln oder zum Starten des Motors.

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Kein Joke Bis 2025 muss warten, wer seinen Lexus RZ gegen Aufpreis mit einem Yoke-Lenkrad und „by wire“ steuern möchte.

Kurzer Blick in die Mitte des Cockpits. Ja, der 14,4 Zoll große Touchscreen a la Lexus RX macht einigermaßen was her. Gestochen scharfe Buttons und Bildchen, auch wenn sich nicht alles auf den ersten Blick erschließt und der ganze Kasten fürs verkehrssichere Geradeausgucken noch einen Tick höher sitzen könnte. Aber wirklich gut, dass es für wichtige Funktionen eine Etage tiefer ganz klassische Knopfregler gibt. Für Klima, Lüftung, Radio und so. Alles in schöner Sicht- und Griffweite. Beim Cockpit und allen für uns wichtigen Bediendetails haben sich die Japaner ja nach eigener Aussage von ihrer alten Tazuna-Philosophie leiten lassen. Und die beinhaltet, so die ungefähre Übersetzung, dass ein Reiter sein Pferd mit minimalen Bewegungen der Zügel kontrollieren können sollte. Herrlich lyrisch formulierter Ansatz, der in diesem Auto aber angenehme Realität ist.

Panoramadach lässt sich blitzschnell dimmen

Schön hell hier übrigens. Liegt am riesigen Panoramadach, das sich von ganz vorn bis ganz hinten zieht. Es soll im Sommer dank einer sehr speziellen Beschichtung jedwede Wärmeeinstrahlung reduzieren und im Winter die Wärme konservieren. Der Clou sei seine blitzartige elektrische Verdunkelungsfunktion erklären uns freundlich die Techniker des Hauses. Die mit einem Fingertipp von transparent auf undurchsichtig umschaltet. Es funktioniert, eine zusätzliche Sonnenblende ist tatsächlich nicht erforderlich. Und in der dimmbaren Version gibt das gute Stück in der Luxury-Ausstattung für 1800 Euro.

Und für den erwartbar abgehobenen Sound sorgt (inklusive im Luxury-Paket) ein Surround-System des amerikanischen Rennomier-Labels Mark Levinson mit insgesamt 13 Lautsprechern. Bringt Studio-Feeling in High-End-Qualität ins Schiff, wobei sie es tatsächlich geschafft haben, den dazugehörigen 22,4-Zentimeter-Subwoofer platzsparend in der Heckklappe unterzubringen, um irgendwelche Einschränkungen des Laderaums zu umgehen.

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Blitzschnell gedimmt Das große Panoramadach des Lexus besteht aus Spezilglas. Es lässt sich mit einem Fingertipp schnell von transparent auf undurchsichtig umschalten. Eine Sonnenblende ist deshalb nicht erforderlich.

So, bis hierher haben wir es wirklich hinbekommen, uns um das spektakulärste Thema des Innenraums unauffällig herumzudrücken. Das ist wie mit schwierigen Bekannten, die man unterwegs mal zufällig trifft. Aber dann so tut, als ob man sie leider gerade partout nicht sehen würde. Und sich hinterher dafür schämt.

Yoke-Lenkrad wie im Formel-1-Boliden

Genau, das neue, exklusive Yoke-Lenkrad. Wie im Formel 1-Rennwagen. Im Testwagen direkt vor unserer Nase. Eigentlich nicht zu übersehen diese witzige Halbfabrikat, um das Lexus großes Tamtam macht. Links und rechts mit diversen Sensor-Bedientasten und Rädchen ausgestattet. Das bedeutet: Weniger Lenkaufwand! Automatische Anpassung der Lenkübersetzung an die Geschwindigkeit des Autos! Ein Übergreifen der Hand ist nicht mehr notwendig! Sanfte Spurwechsel auf der Autobahn! Bessere Sicht auf die Instrumente und die Straße! Weniger Augenbewegungen! Wie konnten wir bloß ohne dieses Dingsda bisher im Auto überleben?

Ehrlicherweise müssen wir nun zugeben, dass wir so ein Yoke-Teil in ähnlicher Form bereits aus Teslas Model S Plaid kennen und dort nicht überschwänglich begeistert waren. Was nachzulesen ist. Wobei die Amis fürs Model S Plaid weil sie sich an dieser Stelle wohl auch nicht ganz sicher waren, inzwischen aufpreisfrei ein ganz normalrundes Lenkrad offerieren. Deshalb haben wir vor der Testfahrt im Lexus zwar kein Gebet gesprochen, unser Gemurmel angesichts dieses Teils lag eher an der Grenze zum Zweifel. Aber zur überraschenden praktischen Erfahrung kommen wir noch.

Weiter geht es hier zum dritten Teil.

Tesla kann da nicht mithalten

Vorher müssen wir nämlich noch verraten, dass es der Lexus-Lenker hier im Gegensatz zu den Schwestermodellen von Toyota und Subaru mit einem Steer-by-Wire-System zu tun haben wird. Ohne Lenksäule, ohne mechanische Verbindung zu den Rädern. Die Kurbelei des Fahrers wird per elektrischer Steuerung an die Räder gesendet. Und erst mit dieser Technologie, welche die Lenkübersetzung automatisch an die aktuelle Geschwindigkeit anpasst, kann das Yoke-Lenkrad zur eigentlichen Höchstform auflaufen. Mit diesem „One Motion Grip“ (Zitat Lexus) kann Teslas Stummel, dem diese Übersetzungs-Zauberei völlig fehlt, deshalb nicht annähernd mithalten.

Bei Lexus jedenfalls versprechen sie für ihre exklusive Superlenkung nicht nur tolle Reaktionen und nie dagewesene Präzision, sondern wie im Flugzeug auch maximale Sicherheit durch quasi redundante Funktionen. Wenn hier also mal etwas klemmen sollte, so die betont beruhigende Botschaft der japanischen Konstrukteure, gäbe es eine parallele Ausfallsicherung für die Prozessoren nebst einer sofort eingreifenden Notstromversorgung.

Steer-by-Wire erst ab 2025

Wobei wir an dieser Stelle erst mal grundsätzlich Entwarnung geben können. Oder müssen. Denn diese aufregend ausgeklügelte Kombination von Yoke-Lenkrad und Steer-by-Wire-Lenksystem, die bei uns bereits offiziell zugelassen ist, will Lexus gegen Aufpreis (wir rechnen mal mit 2500 Euro) nun erst 2025 anbieten. Zum aktuellen Verkaufsstart des neuen RZ 450e gibt es deshalb nur die bekannte konventionelle Zahnstangenlenkung mit elektromechanischer Servounterstützung

Warum in aller Welt diese lange Verspätung, wollen wir vom anwesenden Pascal Ruch, Vice President Lexus Europe, denn unbedingt wissen. Der lächelt verbindlich und erklärt die zweijährige Verzögerung mit dem Streben von Lexus nach unbedingter Perfektion: „Unsere Fahrwerksspezialisten sind jetzt einfach der Meinung, dass man dieses tolle System noch besser machen könnte“. Und vielleicht würden die zuständigen Ingenieure dafür auch weniger als zwei Jahre benötigen.

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Leisetreter Der Innenraum des Lexus RZ 450 ist bestens gedämmt. Kaum Wind- und Abrollgeräusche dringen ans Ohr der Insassen.

Genug Theorie. Einsteigen, kurzer Druck auf den Startknopf oben rechts vom Lenkrad. Den schicken Drehschalter in der Mittelkonsole in die Fahrposition. Wir rollen, ja schweben fast. Denn was schon nach wenigen Metern auffällt: Alles ist so wunderbar smooth und leise hier. Bestimmte Geräuschfrequenzen werden laut Lexus über eine neue Activ Sound Control gezielt ausgesteuert. Auch sonst haben sie störende Geräusche überall im Auto eliminiert, sogar mit einer neuen Dämmfolie in der Dachstruktur. Es hat sich gelohnt, bis Tempo 100 können wir uns mit dem Beifahrer fast flüsterleise unterhalten. Kaum Wind- und Abrollgeräusche. Wunderbare Vorstellung: Auf einer Route am Meer könnten wir bei offenem Fenster jetzt das Rauschen der Wellen hören.

Fahrkomfort der soften Art

Wer will, der kann sich hier auch von der Acceleration Sound Control bedudeln lassen. Mit der wird ein ziemlich spaciger, anschwellender Sound, der den Fahrmodus und die Fahrpedalstellung widerspiegeln soll, über die Lautsprecher des Audiosystems ins Cockpit übertragen. Vielleicht passend für Leute, die gerade von einem fett bassig brabbelnden Verbrenner-Sportler umgestiegen sind und nun Angst vor dieser unheimlichen elektrischen Ruhe haben. Nette Spielerei – wir haben den Spaß schnell ausgeschaltet.

Insgesamt das typische Lexus-Feeling. Distanzierte Souveränität. Nicht so sehr zum Rasen, mehr zum Genießen. Und für ein luxuriöses SUV, das mindestens 2055 Kilogramm wiegt, geht dieser RZ 450e sogar bemerkenswert elegant um jede Biegung. Sein Fahrwerk arbeitet präzise, keine unguten Lastwechselreaktionen, kein Wanken in den Kurven. Das Auto klebt förmlich auf der Piste. Wobei sich natürlich, wie bei fast allen Stromern, der tiefe Schwerpunkt durch die unten liegende Batterie positiv bemerkbar macht. Die Federung? Liegt grundsätzlich mehr auf der softeren Seite. Komfortmäßig, so viel steht fest, spielt dieser Japaner in einer hohen Liga. Gefahren sind wir länger mit den 20-Zoll-Rädern, kürzer mit den etwas komfortableren, stromsparenden 18-Zöllern.

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Voll besetzt Der Lexus RZ 450 hat noch einen richtigen Motorraum unter der Fronthaube. Für einen „Frunk“ bleibt da kein Platz mehr.

Kaum zu spüren, dass wir in einem elektrischen Allradler unterwegs sind. Der vordere Elektromotor bringt 150 kW (204 PS), der hintere 80 kW (109 PS). Beides Permanentmagnet-Synchronmaschinen. Und mit ihren summierten 230 kW (313 PS) liegt dieser RZ etwa auf dem Niveau des hauseigenen Plug-in-Hybrids RX 450h, der es in der Summe auf 227 kW (309 PS) bringt. Insofern passt die Nomenklatur. Und die 6,5 Sekunden, in denen der RX auf Tempo 100 sprintet, unterbietet der Stromer: 5,3 Sekunden. Einverstanden, kein Tesla-Level, aber für normale Lebenslagen natürlich völlig ausreichend.

Stärkere Version nicht ausgeschlossen

Ganz abgesehen davon, dass sich Yushi Higashiyama, der japanische Assistent Chief Engineer RZ Performance trotz eines garantiert geltenden Schweigelübdes vorstellen kann, dass es hier auch mal einen Heckmotor mit 150 kW geben könnte, was dann die Gesamtleistung auf lustige 300 kW (408 PS) pushen würde. Einen Zeitplan aber will er dafür um Himmels Willen noch nicht nennen. Nur so viel: „Wenn es unsere internationalen Absatzmärkte verlangen, dann können wir das problemlos realisieren.“

Und wie fährt sich der neue Elektro-Lexus? Das erfahren Sie im nächsten Teil.

Zurück ins Jetzt. Wo waren wir stehengeblieben? Genau, gemeinsam bilden die beiden Elektromotoren dieses DIREKT4 getaufte neue Antriebssystem, das die Traktion an allen vier Rädern kontinuierlich steuert und die Antriebskraft ständig automatisch und nahtlos sortiert. Die Antriebsmomente zwischen Vorder- und Hinterachse können nach den Meldungen der diversen Sensoren innerhalb von Millisekunden angepasst werden. Bei extremer Kurvenhatz zum Beispiel gibt es in der Relation von 20:80 zur Verbesserung der Traktion viel mehr Drehmoment an der Hinterachse. Funktioniert schneller als bei jedem mechanischen System, schwören die Japaner.

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Allradantrieb mit Köpfchen Das DIREKT4 getaufte System verteilt die Antriebskräfte je nach Fahrsituation automatisch zwischen Vorder- und Hinterachse.

Das alles hat auf unseren rund 205 Kilometer langen Testfahrten bestens funktioniert. Auf allen Pisten, auf allen Untergründen. Wobei diese Übergänge zwischen den Antriebsachsen, wie erwähnt, wirklich nicht zu bemerken sind. Gibt ein gutes, beruhigendes Fahrgefühl, besonders ideal fürs Herausbeschleunigen aus Tempokurven. Wobei auch die Bremserei auf hohem Level mitspielt: Bremskraftverteilung zwischen Vorder- und Hinterrädern in Abhängigkeit vom Pedaldruck und den vertikalen Bewegungen der Radaufhängung. Glaubhaft wird, dass die Japaner das Auto „ausgiebig auf der Rennstrecke getestet und abgestimmt haben“. Zitat Lexus. Überhaupt: schön linearer Speed aus dem Stand. Trotzdem wäre es natürlich interessant, mal zu sehen, wie sich diese reizvolle elektronische Allradtechnik bei schneller Fahrt auf Schnee und Eis schlagen würde.

Maximal 160 km/h im Lexus

Schnell ist das passende Stichwort für einen kurzen Einschub zum Thema Speed. Denn im Gegensatz zu den üblicherweise 200 km/h schnellen Lexus-Hochsitzern ist die Höchstgeschwindigkeit im RZ 450e im Sinne eines schön niedrigen Stromverbrauchs auf 160 km/h limitiert. Und diese Spitze ist auch gut zu erreichen, auch wenn der Lexus da ab 150 km/h ein wenig bemüht wirkt. Könnte sein, dass typische BMW- oder Tesla-Fahrer an genau dieser Stelle die Lust am vollelektrischen Lexus verlieren. Prinzipiell ist diese Höchstgeschwindigkeit selbst auf deutschen Autobahnen natürlich völlig ausreichend.

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Eile mit Weile Im Unterschied zum Erstling UX 300e ist der neue Vollstromer von Lexus mit einem CCS-Ladesystem ausgestattet. Strom kann darüber mit bis zu 150 kW geladen werden. Die Ladeklappe vorne links macht sich eher in Ländern mit Linksverkehr gut.

Tja, zum Yoke-Lenkrad. Macht prinzipiell was es soll, beeindruckt dramatisch mit diesen kleinen Links-Rechts-Einschlägen beim Rangieren in der City, agiert auch ruhig und easy auf schnelleren Autobahnabschnitten. Kann auch flotte Wechselkurven, obwohl wir uns da an die oben sichernde Handhaltung (die sich irgendwie automatisch einstellt) erst einmal gewöhnen müssen. Wird aber, da sind wir uns sicher, noch nicht unser persönliches Lieblingslenkrad, weil es bei sehr schnellen Richtungswechseln in niedrigem Tempo, die für plötzliches Ausweichmanöver nötig sein könnten, spürbar zum Verhärten neigt. An dieser Stelle ist tatsächlich noch etwas Raum für Verbesserungen. Andererseits sollten wir der Form halber erwähnen, dass es an der ausgereiften konventionellen Lexus-Lenkung, die wir hier ja ebenfalls länger getestet haben, wie bisher nichts auszusetzen gibt.

Bis zu 440 Kilometer Reichweite

Jetzt aber müssen wir dringend über Reichweite und Verbrauch reden. Die 71,4 kWh, die Lexus hier für die Kapazität der Lithium-Ionen-Batterie (96 Zellen aus einer Samsung-Toyota-Kooperation) nennt, erscheinen auf den ersten Blick ein wenig mager. Sie sollen aber dank des versprochenen niedrigen Verbrauchs bei 18-Zoll-Rädern für eine Reichweite von bis zu 440 Kilometern (20 Zoll: 407 km) gut sein. Im reinen Stadtverkehr soll dieser Stromer nach internen Lexus-Messungen sogar Reichweiten zwischen 530 bis 566 Kilometer möglich machen.

Generell, kurzer Einschub, sind ja die theoretischen elektrischen Reichweiten der Stromer dieses japanischen Herstellers immer erfreulich dicht an der Realität. Haben alle unsere bisherigen Tests gezeigt. Ganz anders als bei vielen Konkurrenten. Kein Wunder: Das Verbrauchsthema üben sie im Toyota-Konzern bereits jahrzehntelang mit ihren Hybridmodellen.

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Auf großem Fuß Der Lexus RZ 450-e wird mit Rädern im Format 18 und 20 Zoll ausgeliefert. Große Räder sehen schön aus, reduzieren aber die Reichweite um bis zu 33 Kilometer. Das sollte man wissen und bedenken. Fotos: Lexus

Neugierig geworden? Offiziell nennen sie für dieses große Lexus-SUV bemerkenswert niedrige Verbräuche zwischen 16,8 (18-Zoll-Räder) und von 18,7 kWh (20 Zoll). Super Werte. Und da sind wir auf unserer Testtour mal mehr und mal weniger dicht dran. Bei nicht ganz so batteriefreundlichen Außentemperaturen zwischen 10 und 14 Grad. Überlandgleiten auf kurvigen Landstraßen, ein Stück geschwindigkeitslimitierter Autobahn und ein paar Kilometer Stadtverkehr. Alles dabei. Kleiner Beruhigungstrick der Japaner: Wenn das Display als verbleibende Reichweite schockierend null Kilometer anzeigt, liegt der Ladezustand der Batterie in Wirklichkeit noch bei acht Prozent.

Besonders sparsamer Range-Modus

So, mit Yoke-Lenkung, diesem Steer-by-Wire-System und 20-Zoll-Rädern landen wir nach den ersten 72 Kilometern auf Landstraßen und kleinen Dorfgassen im Eco-Modus und bei fleißiger Rekuperierung (Stufe 4) bei Werten zwischen knapp 21 und 24 kWh/100 km. In der zweiten Runde (82 km) mit den sparsameren 18-Zöllern und etwas ruhigeren Streckenanteilen pendelten unsere Durchschnittsverbräuche zwischen erfreulich niedrigen 17 und 18,9 kWh. Klingt gut, oder?

Den angebotenen Range-Modus haben wir dabei aus Zeitgründen ausgelassen. Der verschärft nämlich für etliche Extra-Kilometer zusätzlich die Spareinstellungen des Eco-Modus. Mit zahmerer Leistungsverteilung, einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 100 km/h und der kompletten Abschaltung der Klimaanlage. Ansonsten ist es hier wie überall: Es gibt einen Normal-Modus, diesen Eco-Modus und ein Sport-Programm, das auch das Lenkgefühl spürbar anspitzt. Und zusätzlich einen Custom-Modus, mit wir unsere Lieblingseinstellungen für Antrieb, Fahrwerk und Klimatisierung programmieren können. Schade nur, das es für die Wahl dieser Modi keine Direkttaste gibt, das funktioniert bei Lexus nur über zwei etwas ablenkende Klicks auf dem zentralen Touchdisplay.

Strom fließt mit maximal 150 kW

Die Ladebuchse liegt übrigens vorn links und als Stecker für die Gleichstrom-Schnellladesäulen (DC) nutzen die Japaner den in Europa gängigen CCS-Standard statt des in Asien verbreiteten Chademo-Anschlusses. Gut, aber wie sieht es mit dem Ladespeed aus? Ordentliche 150 kW sind angesagt. Kein Spitzenwert in der Klasse, aber bei Lexus versprechen sie ein auch im Verlauf relativ hohes Ladelevel, zu dem bei kühleren Temperaturen die automatische Batterieheizung beitragen soll.

Ergo können rund 30 Minuten für die typische Gleichstrom-Füllung auf 80 Prozent angesagt werden, was schon mal ein akzeptabler Wert ist und auf Langstrecken unsere Geduld in einer ohnehin fälligen Picknick-Pause nicht übermäßig strapazieren würde. Mit dem bordeigenen 11-kW-Ladegerät dauert das Ganze bei dreiphasigem Wechselstrom-Laden etwa sechseinhalb Stunden, bei einphasigem Laden dann allerdings bis zu zehn Stunden.

Jede Menge Assistenzsysteme

Noch was? Ja, sämtliche Sicherheits- und Assistenzsysteme liegen auf höchstem Niveau. Alles da, alles drin. Vom proaktiven Fahrassistenten (der uns bei Ausweichmanövern in der Stadt unterstützen soll), dem auf Nummer sicher gehenden Kurvenbremser, dem Überholschutz (bei Gegenverkehr) und der scharfen 360-Grad-Kamera. Bis zur cloudbasierten Online-Navigation. Und die Sprachsteuerung („Hey Lexus“) soll auf viele gängige Bitten und Anweisungen selbst bei Hintergrundgeräuschen beflissen reagieren. Naja, sie versteht uns (wie bei fast allen Konkurrenten) leider nicht immer.

Klar, komplette kabellose Smartphone-Integration. Induktives Laden. Und auf Wunsch gibt es für diesen feinen Lexus sogar einen digitalen Rückspiegel, der immer ein klares Sichtfeld offerieren soll, nicht durch Kopfstützen oder hochgestapelte Gepäckstücke beeinträchtigt ist und selbst in der Nacht eine sichere Sicht nach hinten bieten soll. Updates für diverse Software-Funktionen? Logisch, sie lassen sich ohne Werkstattbesuche „Over the Air“ einspielen.

Intelligente Ladeplanung fehlt noch

Kritikpunkte? Wenige. Eine intelligente, strategische Ladeplanung für längere Touren, für E-Mobilisten ein gern gesehenes nervenschonendes Feature (Stichwort Reichweitenangst), hat das Multimedia-Systems des Stromer leider noch nicht. Allerdings ist diese Funktion schon fürs nächste Software-Update, das zum Jahresende kommen soll, definitiv vorgesehen. Bis dahin könnte diese Planung auch unser Smartphone per App oder so erledigen.

Und die im neuen RZ 450e erlaubte Anhängelast ist mit 750 Kilogramm (gebremst) leider nicht so berauschend, unsere entsprechenden Erkundungen laufen ins Leere. Da bieten nämlich andere in dieser luxuriösen Klasse, wo zu transportierende Pferdchen oder Motorboot-Trailer häufig ein Thema sind, wesentlich mehr. Teslas SUV Model Y darf bis zu 1600 Kilo an den Haken nehmen, ein chinesischer NIO EL7-Stromer bis zu 2000 Kilo und ein BMW iX sogar bis zu 2500 Kilogramm.

Plausible Gründe für dieses Manko kann man uns bei Lexus auch nach mehrfacher Nachfrage nicht nennen. Die bei diesem Thema etwas gequält wirkenden Mienen der Verantwortlichen könnten, wir spekulieren, daraufhin deuten, dass diese unerwartete Kalamität womöglich daran liegt, dass es nicht an den technischen Voraussetzungen, sondern an übertriebener Vorsicht der Konzernoberen liegt. Um nicht die netten elektrischen Verbrauchswerte des Autos zu killen.

Preise beginnen bei 68.000 Euro

Und man ahnt es, besonders günstig ist auch dieser Lexus nicht. Sein Einstiegspreis liegt bei 68.000 Euro, und da kommt für eine komplette Ausstattung noch einiges hinzu. Zum Beispiel im 4600 Euro teueren Executive-Paket mit den Rädern im 20-Zoll-Format, dem digitalen Innenspiegel, der Komfortheizung, dem dunkel getönten Privacy Glas oder der elektrischen Heckklappe. Das Panoramadach in der einfachen Version verlangt hier nach zusätzlichen 1000 Euro.

Obendrauf das erwähnte Luxury-Paket, das den Preis dieses Stromers auf 78.100 Euro schraubt und zusätzlich das nett einstellbare Head-up-Display (Full, Standard, Minimum), das erwähnte Mark Levinson-Soundsystem sowie den Fußsensor zum freihändigen Öffnen der Heckklappe umfasst. Das Design-Paket mit der kontrastierenden schwarzen Lackierung kostet allerdings noch 500 Euro extra (Executiv-Ausstattung: 700 Euro).

Schon über 600 Vorbestellungen

Für schnellentschlossene Käufer gibt es im aktuellen Startjahr bei den 22 deutschen Lexus-Händlern für den RZ 450e als typisches Lockmittel noch ein sogenanntes Launchpaket, das bei einem Endpreis von 74.700 Euro einige hübsche Extras günstiger offeriert. Und Deutschland-Chefin Nadine Busch freut sich schon mal über 600 Vorab-Bestellungen von Leuten, die den Vollstromer noch nicht einmal gefahren haben. „Das Interesse an diesem Auto ist bei uns wirklich groß.“

Natürlich muss nun noch ein Lob für die generell extrem langen Lexus-Garantien folgen. Zehn Jahre oder eine Million Kilometer. Wieder so ein Auto für die Ewigkeit. Lexus will in diesem Zusammenhang fest garantieren, dass die Batterie nach zehn Jahren noch mindestens 70 Prozent ihrer Kapazität hat. Geht aber gleichzeitig davon aus, dass die reale Kapazität da noch bei mindestens 90 Prozent liegen wird. Beruhigend für eine geplante längere Nutzung. Oder für den Wiederverkauf.

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