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Lexus ES300h im Test: Möchtegern-5er oder ernsthafte Oberklasse?

Der Lexus ES 300h auf einen Blick

lexus es300h im test: möchtegern-5er oder ernsthafte oberklasse?

Und plötzlich fällt die Reichweite

Wenn du mitten im morgendlichen Berufsverkehr von Frankfurt auf einmal feststellst, dass deine verfügbare Reichweite von vormals 65 Kilometern innerhalb von 30 Sekunden auf “0” oder auch “Jetzt Tanken” gefallen ist, schrillen alle Alarmglocken. Gerne legst du dann auf der Mainzer Landstraße einen unerwarteten U-Turn hin und lässt jene Art des Fahrens die anderen Verkehrsteilnehmer auf dein Kölner-Kennzeichen schieben. Die nahegelegene Tankstelle ist in diesem Moment der gedankliche Rettungsanker für den Lexus ES 300h, der ob seines etwas ungenauen (oder ängstlichen?) Bordcomputers erst einmal ein paar Liter Superbenzin spendiert bekommt. Schade ist an dieser Stelle sicherlich, dass das Vollhybrid-System von Toyota/Lexus weiterhin nur taugt, um ein paar hundert Meter zu Stromern oder einzuparken. Da geht doch mittlerweile mehr, oder?

Abgesehen davon ist die technische Implementierung von Elektromotor, 2,5-Liter-Vierzylinder, Batterie und stufenlosem Getriebe nahezu meisterhaft gelöst worden (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 5,5-5,1 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 124-115 g/km)². Gut, sie haben dort in Japan nun auch relativ viel Zeit gehabt zum Üben, doch das könnte man von der Konkurrenz ebenso behaupten. Das reibungslose Zusammenspiel der beiden Antriebsarten beim Losfahren, beim Beschleunigen, beim Bremsen ist eine Schau für den, der es wahrnimmt. Alle anderen kriegen es gar nicht mit – und das dürfte das viel größere Lob sein. Lautlos nimmt der Lexus ES 300h Fahrt auf, schaltet ab und an den Benziner hinzu, wenn das System es für notwendig hält, und entscheidet ansonsten relativ autark, wann in welchem Modus gefahren wird. Man will niemals selbst eingreifen.

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Warum kauft den eigentlich keiner?

Wenn man sich nun nach den ersten drei Absätzen fragt, von was genau da eigentlich die Rede ist, gibt es nun ein wenig Geschichtsunterricht. Denn die Lexus ES-Reihe gibt es bereits seit Ende der 1980er-Jahre – bis einschließlich der sechsten Generation allerdings nur in den USA und in Asien. Seinerzeit als “sportliche Alternative” zu Mercedes E-Klasse und BMW 5er positioniert, veränderte sich der Anspruch immer stärker in Richtung Oberklasse. Und gemäß des Zielsegments fallen dann auch die Zulassungszahlen aus. 2022 wies das Kraftfahrzeugbundesamt lediglich 171 Neuzulassungen aus (zum Vergleich: der BMW 5er kam letztes Jahr auf über 23.000).

Weshalb das so ist? Man wird es nicht genau begründen können. Die Japaner machen hierzulande wenig Aufhebens um die Marke Lexus, man könnte meinen, sie gefallen sich in der Rolle des Geheimtipps für ein Auto, das nicht nach Aufmerksamkeit schreit, seinen Fahrer aber mindestens genau so umsorgt, wie es die europäische Konkurrenz auch schafft. Ist dieser Anspruch auch in die Realität umgesetzt worden?

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Die inneren Werte stimmen

Während das Äußere durchaus Geschmacksache ist, geht im Innenraum das große Vergleichen los. Wer Platz nimmt im ES 300h erlebt auf gut konturierten und vielfach einstellbaren Lederpolstern ein aufgeräumtes Interieur mit einem gelungenen Materialmix aus offenporigem Holz, fein vernähtem Leder, Aluminium und hochwertigen Kunststoffen. Optisch und haptisch steht das Gebotene jenen Automobilen aus München oder Sindelfingen in nichts nach.

Bei der Bedienung allerdings wird erstmals wirkliche Kritik laut. Denn der große Touchscreen ist zu weit weg für eine einfache Eingabe, das Touchpad neben dem Wählhebel gleichermaßen eher umständlich zu bedienen. Insbesondere im Vergleich zu BMW iDrive oder Audi MMI fällt Lexus hier deutlich hinter den Erwartungen zurück. Neben der wenig intuitiven haptischen Eingabe, hilft auch die Spracheingabe nicht wirklich weiter. Sie versteht nur das, was sie verstehen will. Nach fünf Minuten steigt man dann entnervt auf das kabel- und reibungslos funktionierende Apple CarPlay um. So haben sich das die Japaner wohl gedacht, oder?

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Der Lexus ES 300h ist mehr Cruiser denn Renner

Bevor wir in das Fahrkapitel starten, zunächst die Frage, ob man nicht doch lieber hinten rechts Platz nehmen möchte. Dort sitzt es sich sehr bequem, der Beifahrersitz lässt sich nach belieben dirigieren und überhaupt kommt man dann nicht mit einem weiteren Makel des ES 300h in Kontakt: Der eher bescheidenen Übersichtlichkeit, die unter vergleichsweise klobigen Anbau- und Karosserieteilen wie dem Innenspiegel, aber vor allem der A-Säule leidet. Dabei helfen die Kameras zum Ein- und Ausparken nur, wenn sie auch sauber sind. Es gäbe mittlerweile auch Kamera-Außenspiegel, die in unserem Testwagen allerdings nicht verbaut waren.

Wer dagegen vorne links sitzen bleibt, erfährt in der Stadt und auf den umliegenden Landstraßen und Autobahnen vor allem Eines: Ruhe und Gelassenheit. Da hält sich der Antrieb wie gewohnt sehr im Hintergrund (Testverbrauch: 6,5 l/100 km), die fantastische Musikanlage von Mark Levinson spielt die Lieblingssongs und das komfortable Fahrwerk bügelt so ziemlich alle Unebenheiten weg, die das hessische Straßennetz zu bieten hat. Der prominent platzierte Drehknopf für den Fahrmodus ist gänzlich überflüssig – man hat eigentlich keinen Bedarf, von “Eco” irgendwann mal auf “Sport” zu schalten.

Das liegt auch daran, dass der Antrieb sich bei höherer Leistungsabforderung dann doch ziemlich quält – oder sich das zumindest danach anhört. Dann hält das stufenlose Getriebe die Drehzahl permanent im “optimalen” Bereich von ca. 5.000 U/min und irgendwie klingt es, als würde man einen alten Prius auf Bestzeit über den Hockenheimring prügeln. Lenkung und Fahrwerk arbeiten zwar bei sportiver Fahrweise schön mit, doch das ist so ziemlich das letzte, was man mit dem ES 300h erleben möchte. Ähnliches – man kann es sich vorstellen – gilt für die Autobahnfahrt, auf der relativ laute Windgeräusche dazukommen. Wobei der ES 300h – vielleicht auch mit Rücksicht darauf – bei 180 km/h abgeregelt ist.

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Fazit

Am Ende wird eins deutlich: Von einer “Sportlimousine” ist der Lexus ES 300h ziemlich weit entfernt, das will er auch gar nicht sein. Er ist der gediegene Gleiter, weder schätzbar, noch einzuordnen. Seine Kunden suchen das Besondere ohne aufzufallen, den perfekten Begleiter für (fast) jeden Tag ohne Starallüren. Dafür ist der Preis mit 54.350 Euro attraktiv, die deutschen Verkaufszahlen spiegeln das Positive des Lexus allerdings (erneut) nicht wider.(Text und Bild: Maximilian Planker)

Technische Daten*

  • Modell: Lexus LS 300 h Hybrid
  • Motoren: 2,5-Liter-Vierzylinder + E-Maschine
  • Systemleistung: 218 PS (160 kW)
  • Drehmoment Benziner: 221 Nm
  • Antrieb: Stufenloses Getriebe
  • Verbrauch kombiniert: 5,5-5,1 l/100 km²
  • CO2-Emissionen kombiniert: 124-115 g/km²
  • Beschleunigung (0–100 km/h): 8,9 s
  • Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h
  • Abmessungen (L/B/H): 4,98 m/1,87 m/1,45 m
  • Leergewicht: ca. 1.780 kg
  • Grundpreis ab: ab 54.350 Euro

*Herstellerangaben

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