(dpa/jr) Trägt die EU mit überzogenen Vorgaben zur Krise der europäischen Autoindustrie bei? Ist der Wettbewerb mit hochsubventionierten chinesischen Herstellern fair? Brüssel ist beunruhigt. Die FDP zieht die falschen Schlüsse und will neben dem Verbrennerausstieg jetzt gar die Flottenregulierung abschaffen. FDP-Chef Lindern erhebt Vorwürfe gegen Ex-VW-Chef Diess und will es schon immer besser gewusst haben, dass E-Mobilität nicht funktioniert. Er führt ausgerechnet BMW als Kronzeugen an, wo elektrisch boomt.
Die schwierige Situation der Autoindustrie beunruhigt die Europäische Kommission. Die Lage der Branche sei «nicht rosig», es bringe nichts, sie zu beschönigen, sagte der scheidende Industriekommissar Thierry Breton dem «Handelsblatt». Die Nervosität sei groß, was sich an den aktuellen Entwicklungen in der deutschen Automobilindustrie zeige.
Der französische Kommissar bezieht sich auf umfassende Sparpläne, die der Volkswagen-Konzern verkündet hat. «Die Ankündigungen von Werksschließungen besorgen mich sehr», betonte Breton. Es müsse darum gehen, «unser Know-how, unsere Innovationskraft und unsere Wettbewerbsfähigkeit zu bewahren und zu erhalten». Breton führt die Krise darauf zurück, dass es europäischen Herstellern nicht gelingt, ihre Kunden von der Elektromobilität zu überzeugen. Ob der Umstieg auf die Elektromobilität in Europa ein Erfolg wird, hängt entscheidend vom Ausbau der Ladeinfrastruktur ab. Hier sieht Breton erhebliche Defizite.
«Ã–ffentliche Ladestationen sind nach wie vor stark auf Deutschland, Frankreich und die Niederlande konzentriert, auf die fast zwei Drittel der in der EU installierten öffentlichen Ladestationen entfallen», erläuterte er.
Auch die FDP sieht die Kommission in der Pflicht. «Der Grund für diese Krise ist die absurde europäische Politik, die den Automobilherstellern unzählige Steine in den Weg legt», sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Der Staat könne VW am besten helfen, indem er dafür sorgt, dass die Flottenregulierung abgeschafft wird. Die führe zu irrsinniger Bürokratie, aber spare nicht ein Gramm CO2 ein. Dafür werde sich die FDP auf europäischer Ebene einsetzen. Nur mit Technologieoffenzheit können wir Unternehmen wie VW helfen”.
Sein Parteischef Christian Lindner setzte noch einen oben drauf und erklärte, er sei vom ehemaligen VW-Chef Herbert Diess öffentlich kritisiert worden wegen seines Plädoyers für Technologieoffenheit. Nun sehe man die Folgen, etwa im Vergleich zu BMW. Wobei er offenbar nicht darüber informiert ist, dass BMW als einziger deutscher Hersteller aktuell starke Zuwächse in der E-Mobilität verzeichnet und im Juli in ganz Europa erstmals mehr E-Autos absetzte als Tesla: Die Münchener steigerten ihren Absatz an BEV um satte 35 Prozent, vor allem mit dem Erfolgsmodell iX1 sowie dem i4, aber auch dem i5. Widersprüchlicherweise forderte Lindner zugleich Technologieoffenheit bei den Antrieben, aber auch die Förderung des Aufbaus der Ladeinfrastruktur und von Elektro-Dienstwagen.
Nicht weniger widersprüchlich ist die Aussage den CDU-EU-Abgeordneten Dennis Radtke, zugleich Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA): Er kritisierte das Verbrennerverbot und meinte, er habe in der Plenardebatte im EU-Parlament in Straßburg “ausdrücklich vor den Folgen für die Beschäftigung gewarnt”. Er sei vom damligen Vizepräsidenten der EU-Kommission Frans Timmermans ausgelacht worden. “Es gibt bei der Förderung der E-Mobilität keine Verlässlichkeit für Verbraucher und Hersteller”, beklagte Radtke neben zu hoher Energiekosten und Bürokratie nichtsdestotrotz.