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Kommentar zu E-Fuels: Der Scheinriese der Energiewende

Die Debatte um E-Fuels erinnert an den Scheinriesen Tur Tur: Je näher man ihm kommt, desto kleiner erscheint die Möglichkeit, ihn je auf dem Markt zu sehen.

kommentar zu e-fuels: der scheinriese der energiewende

(Bild: Pillau)

Die Diskussion rund um E-Fuels ist nicht totzukriegen. Immer wieder ploppt der synthetische Kraftstoff als Lösung auf, um den Fahrzeugbestand zu dekarbonisieren. Mich erinnert diese heiß gelaufene Debatte, jüngst befeuert vom designierten Volkswagen-Chef Oliver Blume, an eine Figur aus der wunderbaren Geschichte “Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer”. Der Scheinriese Tur Tur wurde immer kleiner, je näher man ihm kam. Ähnlich ist es mit den Argumenten für E-Fuels auch: Je näher man sich mit ihnen beschäftigt, desto seltsamer erscheint, warum gewisse Kreise so hartnäckig auf sie setzen.

Argumente für E-Fuels

Dabei klingt das aus der Ferne betrachtet alles ganz plausibel: Mit Ökostrom hergestellt entlässt der synthetische Sprit beim Verbrennen nur so viel CO₂, wie zuvor entnommen wurde. Der Wirkungsgrad spielt eine untergeordnete Rolle, wenn überschüssiger Ökostrom verwendet wird. Nicht zu unterschätzen ist außerdem, dass der gewaltige Bestand an Fahrzeugen nicht auf dem Müll landet, sondern weiterbetrieben werden kann. Zusammengenommen scheinen das also auf den ersten Blick keine schlechten Argumente, auf diesen Treibstoff zu hoffen.

Porsche-Chef Oliver Blume gehört zu den prominenten E-Fuels-Befürwortern, was in seiner bisherigen Position auch nachvollziehbar ist. Immerhin 20 Prozent der 2030 angebotenen Porsche-Neuwagen sollen noch einen Verbrennungsmotor haben. Mit E-Fuels ließen sie sich weniger umweltschädlich bewegen als mit veredeltem Erdöl. Doch die Porsche-Klientel entspricht nun nicht gerade dem Durchschnitt aller Autofahrer. Wird flüssiger Kraftstoff massiv teurer, wird sich der Porsche-Fahrer mehrheitlich darüber vielleicht ärgern, den Preis aber wohl hinnehmen. Die Annahme, dies auf die Mehrheit der Autofahrer skalieren zu können, erscheint reichlich kühn. Dort spielt der Preis durchaus eine entscheidende Rolle. Zum Beleg dieser These reicht wohl der Hinweis auf den temporären Tankrabatt, dem massiver politischer Druck vorausgegangen ist.

Was hat das mit E-Fuels zu tun?

Nun, wenn der denn irgendwann tatsächlich in relevanter Menge auf dem Markt sein sollte, wird er nach allem, was wir aktuell absehen können, eines ziemlich sicher nicht: billig. Aus den seit vielen Jahren mit vielen Steuermitteln geförderten E-Fuels-Forschungsanlagen hierzulande tröpfelt flüssiger Treibstoff zu Gestehungskosten von deutlich über vier Euro je Liter. Mit riesigen Anlagen und Massenproduktion sinkt der Preis durch eine Skalierung natürlich, wobei niemand einen Gestehungspreis von – seien wir ruhig einmal ganz optimistisch und schauen in die ferne Zukunft – 1,5 Euro/Liter mit dem Endkundenpreis an der Tankstelle verwechseln sollte. Anlagenbetreiber, Transporteur und Tankstellenbesitzer arbeiten schließen nicht (nur) aus Idealismus, und auch der Staat wird seinen Anteil einfordern.

Zusammengefasst erscheint es also allein bezogen auf die Kosten ein wenig schräg, gegen die teure Elektromobilität zu argumentieren und gleichzeitig E-Fuels als Alternative zu präsentieren. Die Befürworter sind oftmals die Gleichen, die ganz plötzlich eine soziale Ader beispielsweise für die viel zitierte Krankenschwester entdecken, die sich ja die teuren E-Autos als Neuwagen nicht leisten könne. Das ist fraglos erst einmal richtig, allerdings trägt das E-Auto an deren Bezahlung keine Schuld. Und ob nun Strom oder Sprit: Zu jenen, die sich hierzulande einen Neuwagen leisten können, gehören sie so oder so nicht. Ich wünschte mir, dass Kreise, die gegen die teure E-Mobilität wettern und für E-Fuels als Alternative plädieren, einmal den Mut aufbrächten, ihrer Zielgruppe zu eröffnen, dass die schlecht bezahlte Krankenschwester dann mit drei Euro aufwärts den Liter rechnen darf. E-Fuels bedeuten eben nicht, wie dort wortgewaltig verkauft wird: “Es geht mit E-Fuels einfach weiter wie bisher, du musst dich nicht umgewöhnen.”

In weiter Ferne

In der Debatte verwundert aber am stärksten, dass einige argumentieren, als stünde die Massenproduktion von synthetischem Kraftstoff unmittelbar bevor. Das ist nirgendwo auf der Welt der Fall, und auch nicht absehbar. Die Forschungsanlage in Chile, an der unter anderem Porsche und Siemens beteiligt sind, soll irgendwann in der Lage sein, im Jahr so viel Liter E-Fuels zu produzieren, wie aktuell allein in Deutschland innerhalb weniger Tage in Motoren verbrannt wird. Egal, wie man es dreht: Ein Ersatz für die rund 16 Milliarden Liter Erdöl, die wir global täglich(!) verarbeiten, zeichnet sich da auch bei viel gutem Willen nicht ab. Es wäre auch etwas vermessen, das einer einzelnen Anlage aufzubürden.

Hinzu kommt, dass E-Fuels nur dann irgendwie argumentativ zu verkaufen sind, wenn der enorme Energiebedarf bei der Herstellung dieses Sprits aus regenerativen Quellen stammt. Patagonien wurde als Standort für die genannte E-Fuels-Forschungsanlage gewählt, weil dort fast immer der Wind weht. Der Strom für die Anlage lässt sich also vergleichsweise einfach regenerativ erzeugen. Doch das ist kein Argument, ihn zu verschleudern. Vielmehr wäre er im chilenischen Stromnetz viel besser aufgehoben, um dort fossile Energieträger zu ersetzen. Das ist lokal eine gewaltige Herausforderung, da der Standort ziemlich abseits der Zivilisation liegt. Unlösbar ist das Problem allerdings nicht.

Überschüssiger Ökostrom

Global haben wir derzeit nirgendwo so viel Ökostrom überschüssig, als dass wir ihn verschleudern könnten. Windräder und Solaranlagen, die hier zeitweise vom Netz genommen werden, sind nicht etwa ein Zeichen für zu viel Strom, sondern Zeugnis einer verplanten Energiewende. Unser Netz ist nicht dafür ausgelegt, den Strom ausreichend breit zu verteilen. Schlecht regelbare, fossile Kraftwerke blockieren vielfach die Einspeisung von Ökostrom, obwohl der eigentlich per Gesetz Vorfahrt haben sollte. Als Weg des geringsten Widerstandes nimmt man aber viel einfacher Wind- und Photovoltaik vom Netz, so schwachsinnig das aus ökologischer Sicht auch ist.

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