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Kommentar: Sind die Verbrenner oder die Elektroautos schuld am Absturz von VW?

Die Konjunktur läuft immer schlechter. Die Firmenpleiten häufen sich, immer mehr vor allem energieintensive Unternehmen erwägen Deutschland zu verlassen. Auch die überbordene Bürokratie treibt viele Unternehmen ins Ausland. Die Autoindustrie wankt, denn der Pkw-Absatz ist zuletzt heftig eingebrochen, die Halden unverkaufter Autos werden größer. Und zu allem Überfluss hat der einst so positive Elektromobilitätsmarkt Deutschland den schnellen Rückwärtsgang eingelegt. Und nun VW. Diese Woche markierte ein Krisengipfel den Anfang einer Entwicklung, die vermutlich noch schlimmer werden wird.

Es gibt immer ein erstes Mal

Zum ersten Mal will VW Fabriken schließen. CEO Oliver Blume verkündete auf einer außerordentlichen Betriebsversammlung in Wolfsburg, dass derzeit 500.000 Fahrzeuge zu wenig im Markt abgenommen würden, mithin also zwei komplette Fabriken wegen Überproduktion zur Disposition stünden. Dass die Belegschaft seit dem in Angst lebt, ist kein Wunder.

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War 2019 nach Abzug aller Umweltboni bereits ab 17.595 Euro zu haben: der  e-up! von VW. Kurz bevor der Stromer im Oktober 2023 aus dem  Sortiment flog kostete er vor Subventionen knapp 30.000 Euro. Dafür bekommt man in China einen ausgewachsenen XIAOMI SU7 mit 73,6 kWh LFP-Batterie, 295 PS und 400 Nm Drehmoment …

Woran liegt es?

Die Erklärungen für die Misere von VW, die eigentlich eine Misere der deutschen Autoindustrie ist, könnten unterschiedlicher nicht sein. Je nach dem welches politische Lager die Erklärungen abgibt. Die Grünen sehen die Probleme ausschließlich in der verfehlten Elektromobilitäts-Modellpolitik und eklatanten Managementfehlern. So hätte man es  bei VW schlicht versäumt, günstige Stromer für den Ottonormalbürger anzubieten. Die Konservativen hingegen sehen den Fehler bei der EU, der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung und dem besschlossenen Aus für Verbrenner ab 2035. Immerhin torpediere die EU damit Deutschland im Speziellen, weil dort die Autoindustrie stark sei. Beide Standpunkte können wohl begründet werden, sind aber zu kurz gegriffen.

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Xiaomi SU7: in der Standardausführung umgerechnet ab unter 30.000 Euro. Da wundert es nicht, dass chinesische Konsumenten sich so zahlreich für Stromer entscheiden …

Woanders funktioniert es 

Der Deutsche Markt hat als einziger europäischer Markt mit diesen heftigen Einbrüchen zu kämpfen, was schon mal ein Indikator dafür sein könnte, dass es eine spezifisch deutsche Problematik ist. Der deutsche Pkw-Markt war lange Zeit nicht mehr die Leitmarkt für die deutschen OEMs. Man baute zunehmend für andere Märkte und oft am deutschen Konsumenten vorbei.  Ohne die Zuwachsraten in China aber wären die deutschen OEMs schon weit früher unter Druck geraten – und das hatte erst mal nichts mit Elektro vs Verbrenner zu tun. Doch der chinesische Markt hat sich gedreht. Hier sind NEV (New Energy Vehicles) das Gebot der Stunde, auch wenn der deutsche Stammtisch immer wieder von Rückschlägen der Elektromobilität in China schwärmt. Und tatsächlich: wer hier nicht ein exzellentes Angebot präsentiert, der gerät unter die Räder. Unter anderem VW. Aber auch BMW, Audi und Mercedes-Benz. Vor allem die Elektroautos der Wolfsburger sind dort eher unter ferner liefen zu sehen. Die Technologie wird als rückständig und ineffizient von den Chinesen empfunden, nicht zuletzt wegen der gigantischen Defizite bei Infotainment und Digitalisierung.

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2021 war Daimler CEO Källenius noch überzeugt, dass die Elektromobilität vielleicht doch einen schnelleren Durchbruch schafft. Da rechnete er vermutlich nicht mit der erratischen Wirtschaftspolitik von Robert Habeck, Ukaineüberfall und Corona. Dennoch: in China und Norwegen funktioniert die Transformation. In Deutschland ist sie im Rückwärtsgang.

Das gilt nicht nur für VW

Auch Mercedes-Benz kämpft mit dem chinesischen Markt. Hier kommt neben Technologie auch noch Preis/Leistung hinzu. Die Marke hat ihren Glanz bei den NEV-Käufern verloren. Vom Flaggschiff EQS wurden in den ersten 7 Monaten gerade mal 663 Einheiten in China verkauft. In Deutschland waren es über 1.500 Stück im gleichen Zeitraum gewesen. Nun ist der chinesische Markt der größte Pkw-Markt weltweit. Das hat man in Stuttgart verstanden und investiert fast 2 Mrd. Euro in den lokale Partner um mit chinesischen Startups zu konkurrieren. Vorher hatten das bereits BMW und VW angekündigt.

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War der Herauswurf von Ex-VW-Chef Herbert Diess ein Fehler? Hat sich dadurch die Entwicklungsgeschwindigkeit bei der Elektromobilität verlangsamt?

In China herrscht Kapitalismus

Die Chinesen haben den Kapitalismus – inklusive Angebot und Nachfrage – bestens verinnerlicht. Zusammen mit staatlichen Subventionen wird ein Markt stabilisiert, der seit Anfang 2024 die landeseigenen OEMs favorisiert. Die Preise sind gegenüber Deutschland so weit unten, dass bereits Stromer günstiger sind, als ihre Verbrenner-Pendants. Mit anderen Worten: VW & Co sind bei allen Kooperationen mit chinesischen Herstellern derzeit mächtig unter finanziellen Druck geraten. Weshalb ein ID.4 X Smart Pure mit 52,8 kWh-Batterie von CATL dort derzeit umgerechnet 19.500 (!) Euro kostet. Zudem hat die EU Strafzölle gegen Autos aus China verhängt und dabei die deutschen Hersteller kalt erwischt. Viele lassen nämlich Stromer in China bei Partnern fertigen.

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VW CEO Oilver Blume (VW-Konzern) und RJ Scaringe, Gründer und CEO Rivian vereinbarten jüngst eine Kooperation. Kommt der Schulterschluss mit dem US Startup zu spät und hat Blume womöglich bei der Elektromobilität versagt?

Haben die Grünen also recht?

Liegts an der rückständigen Elektrotechnologie VWs, dass der Automarkt in Deutschland so in den Seilen liegt? Wenn man nicht links oder rechts schaut, könnte man diesen Eindruck gewinnen. Leider sind Märkte von vielen Faktoren abhängig. Von Leitplanken und Rahmenbedingungen genau so, wie von Innovationen und freier wirtschaftlicher Entfaltung. Und genau da hakts in Good old Germany ganz gewaltig. Dank der ideologisch aufgeladenen letzten Jahrzehnte (seit der Jahrtausendwende), hat sich einiges verschoben hierzulande. Die Energiepolitik hat dafür gesorgt, dass Strom künstlich verteuert wurde – für die gute Sache freilich.

Die Ergebnisse sind für die „gute Sache“ sind … mau

Trotz hoher finanzieller Belastungen (was für andere wichtige Investitionen wie Infrastruktur, Bildung, Forschung etc. gefehlt hat) haben die Deutschen beim Weg in die emissionslose Energiezukunft nur wenig Positives geschafft, auch wenn die NGOs die Bevölkerung mit „Erfolgen“ geradezu täglich bombardiert. Durch die Abschaltung der Atomkraftwerke, die in der ersten rot-grünen Schröder-Administration durch Trittin rein ideologisch und bei Merkel wahltaktisch begründet war, hat sich das Angebot an sicherem sauberem Strom verschlechtert. Man war auf russisches Gas und auf Kohle angewiesen. Die Abhängigkeiten von Putin-Russland wurden erhöht, gleichzeitig wurden via Subventionen die regenerativen Energien weiter gefördert. Ein weiterer Kostenfaktor für den Bürger. Für das Klima, so die Argumentation, sei schließlich nichts zu teuer. Denn es gehe ja um nicht weniger als das Überleben der Menschheit.

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Elon Musk in Siegerpose: glaubt an die Überlegenheit der Elektromobilität – aber auch Tesla musste weltweit Einbußen hinnehmen und kämpft auch in China gegen die Übermacht der lokalen OEMs und Startups.

Nun sind günstige Energiepreise Voraussetzung für Wohlstand, übrigens bis in die unteren Schichten. Soziale Gerechtigkeit ist damit eng mit billigem Strom verbunden. Zudem ist ein Überangebot an sicherer und sauberer Energie der Garant für weitere Stellschrauben. Warum sind beispielsweise Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge in Norwegen so populär? Nicht weil die Norweger cleverer sind als die Deutschen, sondern weil es dort finanziell einfach sinnvoller ist. Man wäre dort mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn man einen Verbrenner kaufen würde. Die staatlichen Subventionen für die Elektromobilität sowie die niedrigen Energiepreise (u.a. 6 ct/kWh für nächtliches Laden von Elektrotaxis) haben einen ökologischen Markt geschaffen, dem in Deutschland alle Voraussetzungen fehlen.

Sind nun die Verbrenner oder die Stromer Schuld am Niedergang VWs?

Bringt uns zur Ausgangsfrage zurück. Ja und nein. Das Verbrenner-Aus ist noch weit weg und dürfte kaum einen Einfluss auf die derzeitige Schwäche haben. Denn VW bietet immer noch genug Verbrennermodelle an – vielleicht sogar zu viele. Die Stromer hingegen sind für den Ottonormalverbraucher einfach nicht kostentransparent genug. Will sagen: er sieht keinen nennenswerten finanziellen Vorteil aber viele Nachteile im späteren Gebrauch. Das ist Markt. Und der funktionert trotz planwirtschaftlicher Tendenzen durch die Regierungen der letzten Jahre immer noch erstaunlich gut. Was tatsächlich fehlt, sind günstige Elektrofahrzeuge, da hat wiederum Robert Habeck recht. Die fallen aber nicht vom Himmel, sondern wollen durch clevere Rahmenbedingungen ermöglicht werden. Als da wären: günstige Energiepreise, wenig Bürokratie, entfesseltes Innovationsklima und eine Zulieferindustrie, die darauf eingerichtet ist. Und nicht zuletzt Gewerkschaften, die kapieren, dass sie unterstützend für ihre Mitglieder tätig sein müssen für das Große Ganze.

Das eine hängt vom anderen ab

Batterien sind der größte Kostenblock beim Stromer. Die Batterieindustrie ist in Deutschland faktisch nicht existent – unter anderem wegen der Industriestrompreise, die vergleichsweise hoch sind. Aber auch die Batterieentwicklung findet woanders, nämlich in Fernost, statt. Wann hat das letzte Mal ein deutsches Startup Furore damit gemacht, eine Batterie entwickelt zu haben, deren gravimetrische Energiedichte die der Konkurrenz übersteigt? Grillenzirpen. Da gab und gibt es aber noch viele andere Hindernisse wie Bürgerinitiativen gegen Batterie-Fabriken, bürokratische Hürden und eine äußerst langsame Art der Realisierung. Das es anders geht, zeigte nicht zuletzt die Musk-Company in Grünheide – dafür musste er aber auch viel Kritik einstecken.

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„Look ma, no hands!“ – Bosch und VW Tochter Cariad kooperieren seit 2022 beim autonomen Fahren bzw. Hands-free-Fahrfunktionen. Bislang jedoch konnte das VW-Unternehmen gegenüber Tesla, Mobileye, Nvidia und den chinesischen Unternehmen nur wenig Boden gut machen.

Was müsste also geschehen?

Da gibt es viele Antworten. Aber tatsächlich muss Deutschland „schneller“ werden. Über dem Land liegt ein bleischweres Phlegma. Wenn man wie VW ein günstiges Elektrofahrzeug auf 2029 und später verschiebt, hat der Wettbewerb (aus China und Korea) den Deal schon lange für sich entschieden. Strafzölle hin oder her. Aber auch anderweitig sind clevere Investitionen gefordert. Gerade wenn das Geschäft schwankt, müssen die Anstrengungen in F&E intensiviert werden. Hier zu Kürzen ist, mit Verlaub, das dümmste, was man tun kann. Das aber sind Entscheidungen, die die deutschen CEOs treffen müssen. Da fehlt allerdings bisweilen das Elon-Musk-Gen komplett. Und dann die unsägliche Digitalisierung. VW sollte Cariad sofort zusperren, und in Kooperationen mit Unternehmen investieren, die sich damit auskennen. Beispielsweise Google, Apple, Nvidia, Mobileye und Co. Die Liste ist selbstverständlich unvollständig.

Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner

Ja, das alles sind einschneidende Maßnahmen, die vor allem nur schwerlich gesichtswahrend für viele CEOs zu erledigen sind. Den größten Fehler, den VW und Co allerdings machen können, wäre auf die Politik zu warten. Die hat in mehr als 10 Jahren verfehlter Wirtschafts- und Industriepolitik bewiesen, dass sie es nicht kann. Der deutsche Markt hingegen ist, sollte die Politik so weitermachen, auf Jahre verloren. Nun gilt es das Geschäft in Fernost, USA und China zu retten. Das wird die härteste Nuss werden.

Kommentar: Bernd Maier-Leppla
Fotos: Bosch, VW, Tesla, Mercedes-Benz, Rivian

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