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Kia EV6 beim Schnellladen: Gute Ladekurve, aber mit Einbrüchen

Bis zu 234 kW Ladeleistung, aber kuriose Einbrüche im Laufe des Ladens – zumindest beim getesteten Vorserienauto

kia ev6 beim schnellladen: gute ladekurve, aber mit einbrüchen

Bei seinem Besuch in Deutschland testete kürzlich unser US-Kollege Kyle Conner von InsideEVs.com eine Vorserienversion des Kia EV6. Nach einem interessanten Video-Test zum Fahrverhalten hat er nun ein Video zum Schnellladen mit Gleichstrom produziert (siehe unten in diesem Artikel). Wir analysieren die Ergebnisse.

Der Kia EV6 basiert wie der Hyundai Ioniq 5 und der Genesis GV60 auf der Plattform E-GMP, die mit ihrer 800-Volt-Technik extrem schnelles Aufladen ermöglicht. Daher erwarten wir vom EV6 ähnlich gute Ergebnisse wie beim Ioniq 5. Allerdings hat der Kia EV6 in der getesteten Version Long Range AWD eine 77,4-kWh-Batterie, nicht den vom Ioniq 5 bekannten 74-kWh-Akku.

Kyle Conner führte mehrere Ladevorgänge an den extrem schnellen Ladesäulen von Ionity durch, die 350 kW Ladeleistung bieten. Kyle stellte hohe Ladeleistungen fest, aber auch eine sehr sprunghafte Ladekurve (noch sprunghafter als beim Hyundai Ioniq 5). Wir konzentrieren uns in dieser Schnelllade-Analyse auf seinen ersten Ladevorgang, der von 0 auf 100 Prozent State of Charge (SOC) reicht und bei thermisch vorkonditionierter Batterie durchgeführt wurde.

Ladekurve: Bis zu 234 kW, aber starke Einbrüche

Die Ladeleistung springt fast unmittelbar nach dem Start auf über 200 kW. Dass dieser Wert schon vor einem SOC von zwei Prozent erreicht wird, ist wirklich bemerkenswert, zumal diese hohe Ladeleistung bis zu einem Ladestand von etwa 46 Prozent aufrechterhalten wurde.

kia ev6 beim schnellladen: gute ladekurve, aber mit einbrüchen

Die höchste Ladeleistung von etwa 233 kW (für sehr kurze Zeit sogar 234 kW) wird bei 46 Prozent erreicht. Doch danach fällt die Kurve in Stufen ab. Bei 47 Prozent sind es 186 kW, bei 58 Prozent SOC dann 116 kW und bei 63 Prozent sogar nur noch 30 kW – ein ungewöhnliches Ladeverhalten.

Aber das ist noch nicht alles. Die Ladekurve steigt in sehr kurzer Zeit wieder stark an und erreicht 191 kW bei 66 Prozent SOC. Von dort aus geht es dann im Großen und Ganzen linear abwärts. Es gibt allerdings zwei starke Einbrüche bei 78 Prozent SOC (auf 62 kW) und bei 82 Prozent auf nur noch 6 kW. Bei dieser niedrigen Ladeleistung bleibt das Auto für etwa 4 Minuten hängen: offensichtlich, dass das in der Serienversion verbessert werden muss.

Positiv allerdings: Sogar noch bei 92 Prozent SOC, also kurz bevor der Akku ganz voll war, wurde noch mit über 50 kW geladen, und bei 98 Prozent noch mit etwa 20 kW.

Wir vermuten, dass Hard- und Software bei der getesteten Vorserienversion des EV6 noch nicht ganz fertig sind. Offenbar reagiert das System noch überempfindlich auf die Temperatur der Batterie. Wenn Kia die Ladekurve so glätten könnte, dass sie ab 46 Prozent kontinuierlich abfällt, wäre sie eine der besten Ladekurven, die es derzeit auf dem Markt gibt.

Ladedauer: In 18 Minuten von 20 auf 80 Prozent.

Der gesamte Ladevorgang (0-100% SOC) war nach etwa 48 Minuten beendet, das Laden von 20 auf 80 Prozent dauerte 18 Minuten.

Laut Kia soll der EV6 in 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent geladen werden können – unter optimalen Bedingungen und “an einer 800-Volt-Ladestation mit mindestens 240 kW”, wie es auf der Website heißt. In 4,5 Minuten soll Strom für 100 Kilometer Reichweite nachgeladen werden können.

Durchschnittliche Ladeleistung: 151 kW

Die durchschnittliche Ladeleistung im wichtigen Bereich von 20 bis 80 Prozent SOC lag bei 151 kW, also 65 Prozent des Maximalwerts. Das ist einer der besten Werte auf dem Markt, und wir vermuten, dass er bei der Serienversion noch steigt – auf mindestens 170 kW.

C-Raten: Bis zu 2,8C

Kia gibt die Batteriekapazität der getesteten Version mit 77,4 kWh an, ohne zu sagen, ob das die nutzbare oder die Gesamtkapazität ist. Die Ladesäule zeigte bei Kyles Test an, dass 81,6 kWh geladen wurden. Dieser Wert könnte sich aufteilen in 77,4 kWh, die in der Batterie ankamen, und 4,2 kWh (oder etwa 5 Prozent) Ladeverluste. Wenn 77,4 kWh dagegen die Gesamtkapazität sind, würde dies Verluste von etwa 8 kWh oder 10 Prozent bedeuten, was ein hoher Wert wäre.

Für diese Analyse nehmen wir an, dass die Gesamtkapazität der Batterie 82 kWh beträgt und 77,4 kWh netto nutzbar sind.

Die maximale C-Rate (also die maximale Ladeleistung von 233 kW, geteilt durch die Gesamtkapazität der Batterie von 82 kWh) würde damit 2,8C betragen. Die durchschnittliche C-Rate beim Laden von 20 auf 80 Prozent beträgt 1,85C. Das sind mit die höchsten Werte in der Branche.

Nachladen von Reichweite: 6,1 Minuten für 100 km

Die WLTP-Reichweite des EV6 Long Range AWD wird mit 506 Kilometern angegeben. Wer noch weiter fahren will, muss nachladen und interessiert sich dann dafür, wie lange er oder sie an der Säule warten muss, um wieder Strom für weitere 100, 200 oder 300 Kilometer zu haben. Dieser Wert hängt von der durchschnittlichen Ladeleistung, aber auch vom Stromverbrauch ab. Wenn man die WLTP-Reichweite von 506 km und eine Netto-Batterie von 77,4 kWh zugrunde legt, dann berechnet sich der Stromverbrauch zu 15,3 kWh/100 km oder 153 Wh/km.

Teilen wir die durchschnittliche Ladeleistung von 151 kW durch diesen Wert (genau gesagt: 151.000 W geteilt durch 9.180 Wmin/km), so erhalten wir 16,5 km/min. 100 Kilometer Reichweite nachzuladen, dauert also etwa 6,1 Minuten. Zum Vergleich: Der Mercedes EQS lag im Test bei 5,4 Minuten.

Vergleich mit anderen Ladetests

kia ev6 beim schnellladen: gute ladekurve, aber mit einbrüchen Kia EV6 beim Schnellladen an einer Ionity-Säule kia ev6 beim schnellladen: gute ladekurve, aber mit einbrüchen Hyundai Ioniq 5

Vergleichen wir die Resultate mit denen des Ioniq 5 (mit dem großen 73-kWh-Akku) – und zwar denen von Battery Life (englisch) und den Resultaten einer Schnelllade-Demonstration von Hyundai selbst (englisch).

kia ev6 beim schnellladen: gute ladekurve, aber mit einbrüchen

Die schwarze und die grüne Ladekurve des Ioniq 5 weist Einbrüche auf. Aber bei dem von Kyle Conner getesteten Vorserien-EV6 (rote Kurve) sind die Einbrüche noch schlimmer.

Dafür hat der EV6 eine wesentlich höhere Ladeleistung beim Beginn des Ladevorgangs. Wenn die Kurve durch Kia geglättet wird, könnte der EV6 den Ioniq 5 beim Schnellladen schlagen.

Derzeit jedoch ist die durchschnittliche Ladeleistung des Ioniq 5 (im Ladefenster von 20 bis 80 Prozent) noch deutlich höher. Bei der C-Rate sind beide Modelle auf dem gleichen Niveau (vorausgesetzt, unsere Annahme stimmt, dass es sich bei 77,4 kWh um die Gesamtkapazität der Batterie handelt).

Kia EV6 und Hyundai Ioniq 5: Ladeleistung und C-Raten im Vergleich
Modell
[Datenquelle]
Antrieb /Batterie
brutto
Ladeleistung
maximal
Ladeleistung(Durchschnitt, 
20-80%)
C-Rate
(maximal)
C-Rate(Durchschnitt,
20-80%)
Ladedauer
(20-80%)
Kia EV6 Prototyp (77,4 kWh, AWD)
[Kyle Conner]
AWD
82 kWh
233 kW 151 kW 2,8 1,9 18 min
Hyundai Ioniq 5 (72,6 kWh)
[Battery Life]
AWD
77 kWh
224 kW 170 kW 2,9 2,2 15 min
Hyundai Ioniq 5 (72,6 kWh)
[Hyundai]
AWD
77 kWh
225 kW 180 kW 2,9 2,3 15 min

Beim Reichweite-Nachladen ist der Kia EV6 zunächst schneller als der Hyundai Ioniq 5, doch später wird seine Leistung hier durch die Einbrüche in der Ladekurve verringert. Im Ladefenster von 20 bis 80 Prozent ist der EV6 daher langsamer als der Ioniq 5, wobei die Serienversion das Potenzial hat, schneller zu sein.

Hier die Ergebnisse für den Ladehub von 20 bis 80 Prozent:

  • Kia EV6: 16,5 km/min
  • Hyundai Ioniq 5 (Battery-Life-Ladetest): 18,8 km/min
  • Hyundai Ioniq 5 (Hyundai-Ladetest): 19,9 km/min

Fazit

Die getestete Vorserienversion des Kia EV6 liefert bereits sehr gute Ergebnisse beim Schnellladen. Doch sie scheint so etwas wie ein Diamant zu sein, der noch etwas poliert werden muss.

Das Ladesystem reagiert wahrscheinlich zu empfindlich auf die Batterietemperatur oder die Spannung. Wenn Kia das behebt, dürfte der EV6 in Bezug auf die Ladegeschwindigkeit auf dem neuesten Stand der Technik sein und zumindest auf Augenhöhe mit dem Hyundai Ioniq 5 liegen.

Wir freuen uns darauf, das Serienauto zu testen und zu analysieren. In Deutschland startet das Auto noch 2021.

Anmerkung: Der Original-Analyse von Mark Kane wurde bei der Übersetzung leicht gekürzt (vor allem bezüglich der Tabellen und Grafiken).

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