In Sachen Fortbewegung waren die Urals aus Irbit für Millionen Russen tatsächlich lange ein Segen. Heute gehen 95 Prozent in den Export in die Welt; in Russland will sie keiner mehr haben. Im Werk scheint die Zeit zu stehen.
Wir schreiben das Jahr 2016 und Ural betreibt Russlands letztes großes Motorradwerk: Stolze Werker und ihre handgemachten Produkte – eine vermeintlich heile Jack-Daniel’s-Welt in Westsibirien. Aber die Idylle trügt. Denn die Zeit ist für die noch gut 100 von einst 9000 Ural-Werkern keineswegs stehen geblieben. Im Gegenteil. Sie rennt immer schneller. Und droht bald ganz abzulaufen.
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Vom Dinosaurier- zum Urvieh-Motorrad
Im Jahr 2000 kauften drei in den USA lebende russischstämmige Unternehmer das Ural-Werk auf und brachten die Produktion auf Vordermann. Der Russenboxer mutierte vom Dinosaurier- zum Urvieh-Motorrad: Keihin-Vergaser, elektronische Denso-Zündung und Federelemente von ZF-Sachs. Im Wettlauf mit der Zeit hatte Ural aufgeholt. Und 2014 die Zeit fast eingeholt: Elektronische Einspritzanlagen verdrängten die Vergaser und den 30 kW (41 PS) des 750ers gebieten seither Brembo-Scheibenbremsen Einhalt – an allen drei (meist Heidenau-bereiften) Rädern.
Doch heute, 2016, droht die Zeit abzulaufen. „Der US-Importeur ist dran, mit amerikanischer Delphi-Technik die Abgaswerte auf Euro 4 zu bringen“, sagt Hari Schwaighofer. Seit 2003 verkauft der Österreicher als alleiniger Importeur Urals in Europa. Rund 300 sind es pro Jahr, ausschließlich Gespanne, denn die brauchen kein ABS, und zu Preisen ab 12.500 Euro. Doch „wenn es die Amis nicht hinkriegen, dann war’s das“, meint er nüchtern. Gehören Ural-Motorräder zu einer aussterbenden Art? Hoffentlich nicht.