Ausgerechnet Toyota erachtet die Brennstoffzelle für Pkw vorerst als gescheitert. Derweil nutzt BMW die Stacks des Volumenherstellers für eine eigene Pilotflotte. Aus welchen Gründen haben die Münchener die Technologie noch nicht aufgegeben?
- Die leistungsstärkste Brennstoffzelle der Welt
- Kostenfrage gleicht einem Blick in die Glaskugel
- Wasserstoff-Tankstellen könnten Geld einsparen
- Wie bedeutend ist die Energieeffizienz wirklich?
- Elektroautos sind abhängiger von seltenen Rohstoffen
Obwohl der Toyota Mirai kein Kassenschlager ist, arbeitet BMW an einem Brennstoffzellen-Auto für die Serie. (Bild: Automobil Produktion)
Zwar gehört Japan mit seinen 164 Wasserstofftankstellen zu den weltweiten Vorreitern, laut Nakajima seien diese aber bei weitem nicht ausreichend. Abgeschrieben hat der Hersteller die Technologie jedoch nicht. Die Massenproduktion soll fortan für Nutzfahrzeuge vorangetrieben werden, um den Bedarf an Wasserstoff zu erhöhen. „Das wird auch Mirai-Fahrern auf weiten Strecken helfen“, betont Mitsumasu Yamagata, Hydrogen Facory President bei Toyota, im Vorfeld der Japan Mobility Show. Bereits mit der nächsten Generation der Brennstoffzelle werde Toyota die Kosten halbieren, den Wirkungsgrad um 20 Prozent steigern und die Haltbarkeit auf das Zweieinhalbfache eines Dieselmotors erhöhen, so Yamagata.
Die leistungsstärkste Brennstoffzelle der Welt
Damit steht BMW mit seinem Engagement bei der Brennstoffzelle für Pkw nun nahezu allein auf weiter Flur. Dabei vernahm Entwicklungsvorstand Frank Weber noch im Februar eine neuerliche Aufbruchstimmung, die er mit den Impulsen bei der Elektromobilität vor über zehn Jahren gleichsetzte. Es stünde BMW gut zu Gesicht, das technologisch Mögliche im Blick zu behalten und systemische Veränderungen zu antizipieren, so Weber. „Wir wollen damit keineswegs von unserem BEV-Commitment ablenken“, betonte er den komplementären Aspekt. Elektro- und Wasserstoffautos müssen sich künftig ergänzen. Eine weltweite Pilotflotte von unter hundert Einheiten soll deshalb weitere Erkenntnisse für die Serie bringen.
Kostenfrage gleicht einem Blick in die Glaskugel
Abseits des verheißungsvollen Fahrzeugs bleibt jedoch die Frage, was BMW den Kritikern der Brennstoffzelle entgegnet. Angebot, Kosten, Infrastruktur und Energieeffizienz gelten seit jeher als Streitpunkte bei der Nutzung von Wasserstoff. „Es geht um weit mehr als eine Antriebsform oder ein Auto. Es geht um die Frage, wie Energie in Zukunft verteilt und bereitgestellt wird“, weiß auch Frank Weber. Vor dem Hintergrund der CO2-Emissionen und Erdgas-Abhängigkeiten komme dafür nur Wasserstoff in Frage, der mittels Elektrolyse aus Grünstrom entsteht. Die Pyrolyse von Plastikabfällen könnte in ferner Zukunft eine Alternative darstellen.
Doch genau diesen grünen Wasserstoff wird es laut einer Prognose des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI nicht geben. Selbst im Jahr 2045 bleibe der Einsatz als Kraftstoff unwirtschaftlich, da eine geringe Preiselastizität vorherrscht. Stahlindustrie und Grundstoffchemie seien alternativlos auf große Mengen an H2-Gas oder wasserstoffbasierten Energieträgern angewiesen, weshalb die Nachfrage bei hohen Preisen konstant und der Preisdruck auf die Produzenten gering bleibt. Einzig Brennstoffzellen-Lkw über 32 Tonnen könnten kleinere Marktanteile gewinnen, wenn die EU grünen Wasserstoff künftig subventioniert, prognostiziert die ETH Zürich in einer Studie. Für alle anderen Nutzfahrzeuge und Märkte seien die Betriebskosten indes zu hoch.
Wasserstoff-Tankstellen könnten Geld einsparen
In Deutschland existieren derzeit gut 100 solcher Wasserstoff-Tankstellen. Damit ist man hierzulande europäischer Spitzenreiter – erfolgsversprechender als in Japan ist die Grundlage bislang allerdings nicht. Auch wenn die EU will bis 2030 das Tankstellennetz erheblich ausbauen möchte. Die Kostenfrage ist ebenfalls strittig, vor allem weil parallel der Ausbau der Ladeinfrastruktur zu bewältigen ist. Für BMW-Vorstand Weber ist klar, dass Wasserstoff über den Schwerlastverkehr ohnehin in die Mobilität gelangen wird. Die daraus resultierende Infrastruktur müsste nur Pkw-tauglich sein und sukzessive ausgeweitet werden.
Mehrkosten, die seines Erachtens in keinem Verhältnis zu denen des vollständigen Hochlaufs der Elektromobilität stehen. „Das ist ein bisschen gegen die Intuition. Es ist eben nicht günstiger, wenn man bei einem System bleibt“, meint Weber in Einklang mit Studien des Forschungszentrums Jülich und den Beratern von McKinsey. Die Investitionen in den Ausbau des Stromnetzes würden demnach mit der Anzahl der E-Autos nichtlinear ansteigen und für weitaus höhere Gesamtkosten sorgen.
Wie bedeutend ist die Energieeffizienz wirklich?
Zuletzt verbleibt die Kritik an der Energieeffizienz. Zweifelsohne, der Wirkungsgrad eines Brennstoffzellenautos liegt aufgrund der Elektrolyse, des Transports und der Umwandlung weit unter dem eines reinen E-Fahrzeugs. Der Vergleich zum Verbrenner fällt je nach Kraftstoff nicht so drastisch aus, abstreiten kann BMW diesen Nachteil jedoch nicht. Aus Sicht des Autobauers werden die Wandlungsverluste durch den höheren Ertrag bei der Energiegewinnung ausgeglichen. Immerhin erzeugen Windräder und Solarpanels in Deutschland nur einen Bruchteil dessen, was sie unter „extremen“ Wetterbedingungen im Stande wären. Unter Umständen gehe hierzulande gar Grünstrom verloren, weil das Netz ausgelastet sei, moniert Jürgen Guldner, General Program Manager Hydrogen Technology bei BMW.
Dies eröffne Chancen für windige Regionen wie Nordschweden oder das sonnige Südspanien. Afrika sowie der Nahe und Mittlere Osten würden aus einem Solarpanel gar so viel herausholen, dass die Effizienzdiskrepanz zum E-Auto nahezu aufgehoben sei, folgert Guldner aus einer anderen McKinsey-Studie. Bei derart weiten Distanzen sei allerdings nur der Transport über Wasserstoff möglich, so der Experte. Dies wäre eine der effizientesten Möglichkeiten, erneuerbare Energien zu speichern und zu transportieren, bekräftigt auch Oliver Zipse, Vorstandsvorsitzender von BMW. „Wasserstoff ist das fehlende Puzzleteil für emissionsfreie Mobilität, denn eine einzige Technologie wird nicht ausreichen, um klimaneutrale Mobilität weltweit zu ermöglichen.“ Energieeffizienz sei somit laut BMW nicht alles.
Elektroautos sind abhängiger von seltenen Rohstoffen
Es liegt auf der Hand, dass durch Wasserstoffimporte aus Ländern wie Saudi-Arabien neue Abhängigkeiten entstehen, die von fossilen Rohstoffen allzu gut bekannt sind. Wenngleich die Liste potenzieller Handelspartner wohl wesentlich länger wäre. Betrachtet man nicht nur den Kraftstoff, sondern auch die Produktion, spielt die Brennstoffzelle gegenüber reinen Elektroautos genau in diesem Punkt ihre Stärken aus. Das fängt bei den überschaubaren Kapazitäten der europäischen Zell- und Batteriefertigung an und zieht sich bis zu den Rohstoffen. Der BMW iX5 Hydrogen weist eine ähnliche Rohstoffresilienz wie ein Verbrenner auf. Lithium und Kobalt werden im Vergleich zu der größeren Batterie im Elektroauto nur in Kleinstmengen benötigt. Lediglich vier Gramm an Platin kommen pro Fahrzeug hinzu.
„Wie auch immer sie mit der Chemie spielen, bei der Elektromobilität sind hohe Rohstoffeinsätze von Nöten“, betont Frank Weber. Rohstoffe, die nur vereinzelt in der Welt vorkommen. Schon jetzt würden sich nach Aussagen des BMW-Entwicklungsvorstands systemische Engpässe bei Rohstoffen und grüner Energie ergeben, die ein zweites Standbein erfordern. Um Silizium und Wasser ist es grundsätzlich besser bestellt, was für die Kombination aus Photovoltaik und Brennstoffzelle sprechen könnte. Am komplementären Gedanken mit der Elektromobilität lässt Weber dennoch keinen Zweifel aufkommen: „Es läuft sich besser auf zwei Beinen.“