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Harley-Reiseenduro gegen BMW und Honda

Wo steht die Pan America im Umfeld genretypischer Größen von BMW und Honda? Ein Vergleich von Harley-Davidson Pan America 1250 Special, Honda CRF 1100 L Africa Twin Adventure Sports ES und BMW R 1250 GS.

Harley-Reiseenduro gegen BMW und Honda

BMW R 1250 und Honda CRF 1100 L Africa Twin sind genretypische Größen im Reiseenduro-Bereich. Dieses dynamische Duo stellt auch den Maßstab für diesen Test und die Einordnung der Harley-Davidson Pan America 1250 Special dar. Trotz einer Leistungsvarianz von 50 PS liegen die 3 Reiseenduros preislich nah beieinander. Zumindest wenn man die BMW ebenfalls mit Fahrwerkselektronik garniert. GS: 22.890 Euro; Africa Twin: 18.763 Euro; Pan America: 19.155 Euro. Das ist durchaus beachtlich, denn gemessen an den Kursen, die Milwaukee sonst für sein großzügig behubraumtes Schwermetall aufruft, und angesichts der Tatsache, dass abseits der LiveWire in keiner anderen Harley auch nur annähernd so viel Hightech steckt, sind die knapp 18.000 Euro absolut konkurrenzfähig, gar fast schon ein Schnäppchen. Zum üblichen Aufschlag für den großen Namen scheinen sich die Amerikaner noch nicht zu trauen.

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Harley-Davidson Pan America 1250 Special

Trotz Reiseenduro-Neuland gibt es auch bei der Pan America gewohnte Harley-Konstanten. Zum Beispiel ein eher großzügiger Materialeinsatz sowie das letzte Quäntchen Landmaschinen-Charme im Detail. Selbst im nicht gerade luftigen Reiseenduro-Segment wirkt diese Harley schwer, robust und eher rustikal zusammengefügt als filigran ineinandergestreichelt. Wahrscheinlich nicht ganz zufällig, gehört das doch irgendwie zum Markenkern dazu. 265 Kilo, fast 1,60 Meter Radstand und das gewohnte Gefühl, im Stand eher ein Schiff als ein Motorrad zu rangieren, geben eine gewisse fahrdynamische Erwartungshaltung vor. 152 hochmoderne Pferdestärken, Lenkungsdämpfer und mehr Elektronik als ein Spaceshuttle sprechen wiederum eine ganz andere Sprache.

Tatsächlich sind es diese 1.252 Kubik, die am wenigsten zur Harley-Folklore passen. Ein lässiger, schwungmassenbetonter Ritt auf einer üppigen Drehmomentwelle? No, no. Stattdessen gibt es einen modernen Performance-V2: leichtfüßig, richtig kräftig, breitbandig und mit forderndem Zug oben heraus. Dank für Harley ungewohntem Zylinderwinkel – sowohl real (60 Grad) als auch gefühlt (90 Grad durch Zündversatz) – mit neuem Timbre von dezent pröttelnd bis metallisch bollernd. Das Einzige, was an diesem Antriebsstrang noch entfernt an frühere Zeiten erinnert, sind die vergleichsweise hohen Bedienkräfte für Getriebe und Kupplung. Selbst die “Good Vibes” sind nun andere: Ab 2.500 Touren kommen und bleiben sie, langwellig schwingend statt fein ziselierend.

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Für Milwaukee-Erfahrene geradezu ein Raketenantrieb, aber auch im großen Reiseenduro-Umfeld ein souveräner Aufschlag. Wenn man sich ein wenig in die Fahrmodi reingefuchst hat. Denn das totale Wohlfühlpaket samt voller Power, gefälliger Gasannahme und erträglicher Fahrwerkshärte gibt es nur im eigens zusammengestellten Fahrmodus. Stellschrauben gibt es da so einige, und dank logischem Bedienschema sowohl am Lenkerende als auch am Touchscreen geht das Feintuning recht leicht von der Hand. Nur im Stand. Eh klar. Aber nicht mit ausgeklapptem Seitenständer. Nicht ganz so klar. Die griffige Abkürzung “Seit. St unt” im Display erinnert zum Glück daran. Ähnliche Orthografie-Perlen gibt es zuhauf, genau wie schmerzhaft winzige Schriftarten.

Honda CRF 1100 L Africa Twin Adventure Sports ES

Weiter geht’s mit der Honda CRF 1100 L Africa Twin Adventure Sports ES: Unlogisch angeordnete Schalter am Lenker, willkürliche Verteilung von Infos auf den Screens der zahlreichen Fahrmodi und teils groteske Menüführung: Hondatypisch menschenfreundlich geht anders. Und auch hier bietet sich die manuelle Bestückung eines Fahrmodus an, um Power und Fahrwerkshärte harmonisch zu vereinen. Die kleine Schärfe am Gas lässt sich hingegen leider nicht wegjustieren.

Das gilt auch für den im Vergleich zur Harley lauen Punch des 1100er-Reihentwins. Kein Wunder bei fast 170 Kubik und 50 PS Rückstand. Trotzdem macht er seine Sache an sich gut. Von ganz unten bis ganz oben – hier kein allzu weiter Weg – zieht der Twin stoisch, mechanisch unauffällig und mit kernigem Knall voran. Höhen und Tiefen gibt es dabei keine, stattdessen aber jederzeit verlässlichen, unspektakulären Druck. Da ist sie also, die berühmte Honda-Usability. Auch in der sanften Kupplung und im geschmeidigen Getriebe. Wer den etwas langsamen, aber zuverlässigen Quickshifter nutzt, genießt passend zum Wettbewerbsdekor gar etwas Race-Feeling. Wenn man seine Sensibilität in den Elektronik-Untiefen entsprechend justiert hat. Techno-Overkill, ick hör dir trapsen.

BMW R 1250 GS

Den gibt es selbstredend auch bei der BMW R 1250 GS, allerdings wird hier nervenschonend einiges in den nicht wahrnehmbaren Hintergrund gerückt. Die Formel zum Glück: ein grandios übersichtliches Display, ein perfekt zur Hand liegendes Drehrad zur Bedienung, fünf fixe Fahrmodi von Regen bis Gelände und zwei Fahrwerksettings. Im Gegensatz zur Konkurrenz – und hier liegt viel Entstressungspotenzial – getrennt voneinander und mittels eigener Schalter anwählbar. Für weitergehende Bedürfnisse können auch zwei “Pro”-Fahrmodi frei konfiguriert werden, aber notwendig erscheint das im Alltag nicht. Immer gibt es eine famose Gasannahme von zart anzapfend bis gierig zuschnappend, ohne je harsch zu sein.

Und was man da mit dem sensiblen Gasgriff an der Hand hat, ist nicht weniger als pures TNT. Von deutlich unter 2.000 bis weit über 8.000 Touren treibt der Boxer die GS mit der Macht einer unnachgiebigen Abrissbirne nach vorn. Start im Fortissimo. Da kommt auch die zornig motorisierte Pan America kaum hinterher, muss für das Ausspielen ihrer Mehrleistung in Drehzahl- und Geschwindigkeitsbereiche getrieben werden, die auf keiner Landstraße dieser Welt vernünftig, geschweige denn legal wären. Jetzt noch die Fluffigkeit des Honda-Getriebes, und die GS würde ihre Antriebskrone noch ein wenig höher auf der zerklüfteten Stirn tragen, als sie es eh schon tut.

Raseenduro mit unterschiedlicher Dynamik

Nun ist ein starker Motor – mathematisch gesprochen – zwar eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung für ebenso wirkmächtige Querdynamik. Glücklicherweise haben Reiseenduros hier qua Konzept immer die richtigen Variablen für die Lösungsgleichung parat: aufrechte Sitzposition für den totalen Überblick, breite Lenker für maximale Kontrolle und Handlichkeit und in aller Regel halt auch potente Motoren. Jede in diesem Trio taugt uneingeschränkt als amtliche Raseenduro, mit der sich die Egos der Piloten und Pilotinnen vermeintlich sportlicherer Zweiräder locker aus der Hüfte heraus pulverisieren lassen. Und doch sind alle drei Dynamik-Menüs unterschiedlich abgeschmeckt.

Harley am stabilsten

Am stabilsten lässt es sich mit der Harley jagen. Wie man es auch treibt, “da scheppert nix”, um einen längst in Ungnade gefallenen VW-Autoboss von einst zu zitieren. Allerdings zieht es mächtig in den Armen, wenn die Angriffsrichtung fix gewechselt werden muss. Und wenn man dabei zu arg in die vergleichsweise milde, aber grandios ABS-modulierende Bremserei greift, stellt es die vielen US-Kilos schwuppdiwupp auf. Viel Markentreue also auch hier. Gilt ebenso für die Reifen, die auf fast jeder Harley Michelin Scorcher heißen und auf fast jeder Harley spätestens im Nassen nur mit Vorsicht zu genießen sind.

Honda mit spitzenmäßig dosierbarer Bremse

Darüber kann die Bridgestone-bereifte Honda nur müde lächeln. Trotz echter Enduro-Dimensionierung mit 21-Zoll-Rad an der Front lenkt sie quick ein und lässt sich munter von Seite zu Seite werfen. Aber die ebenso echten Enduro-Federwege bringen – vor allem in den softeren Fahrwerkssettings – viel Bewegung in die Angelegenheit. Happy Schunkeling. Dafür gibt es echte Gewinnerqualitäten auf der Bremse. Wie beim Motor ist die Wirkung nicht überwältigend, aber spitzenmäßig dosierbar.

BMW geerdet wie Harley, agil wie Honda

Und die BMW R 1250 GS? Sie biegt geerdet ums Eck wie die Harley und wechselt agil die Neigungswinkel wie die Honda. Nur noch besser. Kurioserweise sendet ihr als entkoppelt verschriener Telelever in diesem Feld die authentischsten Asphalt-Infos zum Fahrerhirn, wo bei der Africa Twin viel in ihren langen Federwegen und bei der Pan America in ihrer etwas unsensiblen Gabel versandet. Dazu sticht sie am präzisesten ins Eck. Die tatsächlichen fünf Kilo Gewichtsvorteil auf den US-Kraxler plustern sich in Fahrt gefühlt aufs Zehnfache auf. Aber bevor die Schublade überquillt: Trotz der größten Bremsmacht lassen sich die Bayern-Anker nicht optimal dosieren. Sobald strammer Bremsdruck anliegt, “verhärtet” sich der Handhebel und lässt wenig Arbeitsweg zum Portionieren übrig. Irgendwas ist ja immer, selbst im verwöhnten München.

Pan America senkt sich bis zu 25 mm ab

Die Pan America bietet zwei passable Plätzchen, brennt auch mit 200 Sachen bolzstabil über die Bahn und liefert guten Windschutz. Extravaganzen wie das optionale “Adaptive Ride Height” sind dabei ebenso praktisch wie clever. Im Stand senkt sich das Fahrzeugniveau je nach Vorspannung am Heck um bis zu 25 Millimeter ab, um sicheren Stand und einfaches Auf- wie Absteigen zu ermöglichen. Nach dem Anfahren geht’s prompt wieder aufs ursprüngliche Niveau. Was in dieser tourenfreudigen Fahrzeugklasse jedoch problematisch sein könnte, ist das straffe Fahrwerkssetup. Auch sechs Modi der elektronisch gesteuerten Hardware können keinen klassengerechten Federungskomfort bieten.

Die Africa Twin ist ebenfalls eher firm gedämpft unterwegs, erreicht aber mit weniger Settings eine größere Spreizung. Geht es vor allem geradeaus, lässt es sich mit der Einstellung “Soft” gut leben. Vor den Lendenwirbeln melden sich eh die Pobacken. Die Sitzbank der Honda ist nämlich ganz offroadlike dünn, eckig und gefühlsecht.

Und dann gibt’s noch ein Motorrad, das mit nur zwei Settings die Straße glatt bügelt wie keine andere, die Passagiere wie auf einem Boxspring-Schlafabteil bettet und auf Wunsch sogar Gesäße bis Größe XXL flauschig durchwärmt: die BMW R 1250 GS. Um mal Relationen darzustellen: Selbst im härteren Dynamic-Setting ist ihr Fahrwerk gütiger als die Harley, wenn ihre Hardware auf “Comfort” gestellt worden ist.

Fazit

  1. BMW R 1250 GS: Alles beim Alten. Das Urmaß der Reiseenduros, es kam, kommt und wird vielleicht auch zukünftig aus München kommen. Näher kommt man ans perfekte Universaltool wohl nicht ran. Weswegen sie gleichermaßen geliebt wie gehasst werden kann.
  2. Honda CRF 1100 L Africa Twin Adventure Sports ES: Die Honda bleibt die maßvolle Allrounderin in der großen Klasse, garniert mit einem kernigen Schuss Wettbewerbsflair. Ihre Motorperformance rutscht aber langsam in Richtung der nächstkleineren Klasse um 900 Kubik.
  3. Harley-Davidson Pan America 1250 Special: Respekt, Harley, kein GS-Killer, aber eine charmante Alternative für schnabelgeplagte Individualisten. Und ein Ausrufezeichen der Company. Die Harley unter den Reiseenduros.

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