Haas-GP-Fahrer Kevin Magnussen muss beim Baku-GP zuschauen: zu viele Strafpunkte angehäuft. Wie würde die FIA wohl urteilen, wenn ein Rennfahrer heute einem Rennleiter herzhaft in den Arsch treten würde?
Als mein viel zu früh verstorbener Freund und Kollege Gustav Büsing und ich Ideen für unser Buch über die Deutsche Rennsport-Meisterschaft («Einfach eine Geile Zeit») sammelten, stand bald fest, dass ein paar knackige Beiträge von wichtigen Persönlichkeiten der Szenerie dabei sein müssten.
Wir geben sie hier auszugsweise im Original-Wortlaut wieder, weil sie in dreifacher Hinsicht so bezeichnend ist. Zum einen umreißt sie die Kompetenz und den Respekt, die Alfred («Ali») Schatz wie manche seiner DRM-Rennleiter-Kollegen auszeichneten.
Zudem belegt sie die unbekümmerte Umsicht, wie sie kaum ein Anderer als der dreifache DRM-Champion Hans Heyer beherrschte. Letztlich erinnert sie auch noch einmal daran, wie man damals in kritischen Situationen miteinander umgehen konnte, wenn dies erforderlich war.
Hier also die Worte des unvergessenen Ali Schatz.
«Unser Ehrgeiz war es, den Zuschauern dort Motorsport von morgens 8.00 Uhr bis abends 18.00 Uhr zu bieten, ohne lange Pausen. Also fuhren die Autos von einem Rennen unten an der Südschleife zurück ins Fahrerlager und in den Parc fermé, während die Teilnehmer des nächsten Rennens schon oben am Start-Ziel-Turm vorbei auf die Gerade in die Startaufstellung rollten.»
«Also fragte ich vor dem Start der Rennsportmeisterschaft ab: ‚Ist die Strecke klar? Ist alles frei?’ Die Antwort hätte mein damaliger Leiter der Streckensicherheit, Werner Schulz, genannt Opa, geben müssen. Tatsächlich kam aus dem Gerät auch eine Stimme, die sagte: ‚Ja.’ Damit war für mich alles klar. Nur dass die Antwort gar nicht von Opa, sondern von irgendeinem der anderen Funktionäre kam, der möglicherweise gar nicht verstanden hatte, was ich überhaupt gefragt hatte. Das war ein Fehler, ein richtig böser Fehler.»
«Das Feld stand also aufgereiht, Hans Heyer im Escort auf der Pole. Einführungsrunden gab es nicht, ich zeigte die Fünf-Sekunden-Tafel und gab dann das Startzeichen. Heyer preschte los, behielt auch die Führung vor der ersten Kurve, bog ein auf die Gegengerade und sah dann wohl, dass da noch Abschleppwagen mit eingeschalteten gelben Rundumleuchten standen, die noch mit einer Bergung beschäftigt waren.»
«Solche Geistesgegenwart habe ich Rennfahrern normalerweise nicht zugetraut, aber der Heyer war immer schon ein pfiffiges Kerlchen. Der, clever wie er war, riss die Tür auf, stellte sich auf den Türschweller, lenkte mit der rechten Hand und gab mit dem linken Arm Signal und bremste so das ganze Feld. Wie er das im Einzelnen genau gemacht hat, weiß ich bis heute nicht, aber das ganze Feld folgte ihm wie ein Hündchen, keiner hat überholt.»
«Es war zwar genug Platz, um an den Abschleppwagen vorbei zu kommen, aber das hätte natürlich trotzdem böse ausgehen können. So rollte das ganze Feld wieder zurück in die Startaufstellung zu Start und Ziel. Nochmals gut gegangen!»
«Dort stieg Heyer aus dem Auto aus, kam zu mir und sagte: ‚Dreh Dich mal um.’ Dann hat er mir seelenruhig in den Hintern getreten. Normalerweise hätte das 5000 Mark gekostet, dazu eine Meldung an die Sportkommissare und vielleicht sogar Lizenzentzug. Stattdessen habe ich mich bei ihm bedankt: ‚Hans, etwas Besseres hättest du nicht tun können.’ Von dem Moment an fuhren wir wieder mit Grün und Rot!»