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Die Wissenschaftler stellen ihre Ergebnisse in einem räumlich und zeitlich hochaufgelösten, interaktiven Transformationsatlas dar.
„Die Zukunft des Verkehrs ist elektrisch – vor allem mit direktelektrischen Antrieben auf der Straße, aber auch mit strombasierten PtX-Kraftstoffen im Flug- und Schiffsverkehr. Und auch in den anderen Sektoren ersetzen Strom sowie grüner Wasserstoff und seine PtX-Folgeprodukte die fossilen Energieträger“, erklärt Maximilian Pfennig, Projektleiter beim Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE in Kassel. „Wir haben untersucht, welche Herausforderungen damit für die Netze entstehen und wie sich diesen begegnen lässt. Damit schaffen wir eine Wissensbasis für die ganzheitliche, abgestimmte Planung unseres künftigen Energiesystems.“
Für die Analysen wurden laut den Forschern detaillierte szenariobasierte Modellierungen durchgeführt, mit einer zeitlich wie räumlich hochaufgelösten Darstellung der jeweiligen Erzeugungs-, Last- und Netzsituationen. Konkret bietet der Transformationsatlas des Fraunhofer IEE unter anderem verschiedene Szenarien bis 2045 mit jeweils einem ganzen Wetterjahr in stündlicher Auflösung, eine Darstellung des Leistungszuwachses und der Energiebilanzen auf Bundesländer- und später auch auf Landkreisebene sowie Stromnetzkarten mit der notwendigen Netzausbauplanung und Bewirtschaftung von verbleibenden Engpässen (Redispatch). Ebenso stellt der Atlas dar, welchen Beitrag Flexibilitätsoptionen zur Beseitigung von Netzengpässen leisten können.
Dabei macht der Atlas im Detail deutlich, wie sich neue Erzeuger und Verbraucher in räumlicher Hinsicht auf das Stromnetz auswirken – etwa leistungsstarke Elektrolyseure, Großspeicher, die Offshore-Windenergie oder die Elektromobilität. Auch zeigt er, welche Folgen eine regional sehr hohe Photovoltaik-Einspeisung sowie der europäische Stromhandel für die Netze haben.
Potenziale dezentraler Flexibilitäten nutzen
Aus den Analysen gehe zum Beispiel hervor, dass der Netzausbau allein vielerorts nicht genügt, um die Distanzen zwischen den neuen Erzeugungs- und Lastschwerpunkten zu überbrücken. Hier könnten etwa dezentrale Flexibilitäten Abhilfe schaffen – allen voran die Elektromobilität: „Die netzdienliche Aufnahme und Abgabe von Strom in die oder aus den Batterien der Fahrzeuge (‚Vehicle to Grid‘, kurz V2G) kann dazu beitragen, Netzengpässe zu beseitigen und so die Abregelung von Windrädern oder Photovoltaik-Anlagen zu vermeiden“, so die Forscher. „Auch ist es damit möglich, den Einsatz regelbarer thermischer Kraftwerke zu reduzieren. Solche Anlagen sind auch künftig unverzichtbar – sie springen ein, wenn die erneuerbaren Energien wetterbedingt nicht genug Strom liefern.“
Auch freie Kapazitäten von Photovoltaik-Speichern können für netzdienliche Leistungen herangezogen werden, wie sich aus dem Atlas ersehen lässt. Vor allem im Herbst und Winter bieten sie demnach häufig viel ungenutztes Redispatch-Potenzial, also der Anpassung der Einspeiseleistung bei Netzengpässen auf Anforderung der Übertragungsnetzbetreiber.