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Ford Fiesta ST (2022) im Dauertest (2): Die Performance-Party

Nach dem komfortablen Alltag kommt die knallharte Auszeit ...

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Ford war ja so verrückt und hat uns einen quasi brandneuen Fiesta ST zur Verfügung gestellt, damit wir innerhalb von zwei Monaten herausfinden können, wie er sich in Alltag, Freizeit und allen anderen Lebenslagen schlägt. Und während wir im ersten Teil die für die kleine Knallbüchse eher langweiligen Fahrdisziplinen abgearbeitet haben (hier geht’s zum komfortbewussten Testbericht), steigt jetzt endlich eine perfekte Performance-Party. Oder?

Sportliche Optik, sportliche Daten

Wie bei einer richtigen Fiesta, sind in den Ford dabei aber nur Gäste geladen, die über einen stabilen Magen verfügen. Denn was mit den schwarzen Lufteinlässen samt ST-Logo an der Front, dem “Ford Performance”-Schriftzug auf der Lippe darunter, den dunklen 18-Zoll-Felgen, der zweiflutigen Abgasanlage im Mini-Diffusor sowie dem Dachkanten-Spoiler schon optisch angekündigt wird, wird mit handfesten technischen Daten untermauert. Achtung, hier wird’s wild …

Ford Fiesta ST 1,5 l EcoBoost 5-Türer

Motor 3-Zylinder-Turbobenziner / 1.496 ccm

Getriebeart 6-Gang-Schaltgetriebe

Antrieb Vorderradantrieb

Leistung 200 PS (bei 6.000 U/min)

Max. Drehmoment 320 Nm (bei 1.600 – 4.000 U/min)

Beschleunigung 0-100 km/h 6,5 s

Höchstgeschwindigkeit 230 km/h

Verbrauch 6,7 – 6,8 l/100km (WLTP) // Testverbrauch: 8,0 l/100km

Emission 151 – 153 g/km (WLTP)

Länge 4.091 mm

Breite 1.735 mm

Höhe 1.487 mm

Leergewicht 1.280 kg

Zuladung 380 kg

Kofferraumvolumen 292 – 1.093 l

Basispreis 28.500 Euro

An die Mosel soll es für den zweiten Testteil gehen. Denn wo die Römer an steilen Hängen Wein kultiviert haben, haben sie auch Straßen angelegt. Sich abenteuerlich nach oben windende Buckelpisten, die – zum Glück – im Laufe der letzten 1.500 Jahre durch gut ausgebaute Verkehrswege ersetzt wurden. Und diese sind immer noch eng und kurvig, aber eben mittlerweile mit wenig Bodenfreiheit und 205/40er-Pilot-Sport-4-Bereifung von Michelin befahrbar. Nett.

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Die Anreise gestaltet sich wie gewohnt recht komfortabel. Der Tempomat hält die Geschwindigkeit, ein weiterer Assistent kümmert sich um die Haltung der Spur und die qualitativ hochwertige B&O-Anlage wird mit Musik über Apple CarPlay (Android Auto würde natürlich auch gehen) versorgt. Im “Eco”-Modus erreichen wir dieses Mal sogar einen Durchschnittsverbrauch von unter 7 Liter/100km. Entspannt.

Feuer frei … FIESTA

Im Zielgebiet angekommen switchen wir über die “S”-Taste am Lenkrad direkt in den “Sport”-Modus. Man hätte auch den daneben liegenden “Mode”-Schalter drücken können, würde so aber zuerst im “Normal”-Modus landen. Wie umständlich. Wirklich große Veränderungen merkt man dadurch allerdings nicht.

Die Rückstellkräfte der Lenkung werden etwas verstärkt und der eigentlich sowieso schon recht harmonische Motorsound wird noch einmal eine Note bassiger. Ansonsten geschehen die Sport-Anpassungen aber im verborgenen, indem die Stabilitätsprogramme den Fiesta ST etwas von der kurzen Leine nehmen.

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Abfahrt. Der Schaltknüppel rauscht wie gewohnt ohne nennenswerte Ungereimtheiten durch die Gassen, bis wir schon im dritten Gang und vor der ersten Haarnadelkurve in Richtung Bremmer Calmont nach weniger als sieben Sekunden Tempo 100 erreichen. Dabei zerrt bei solchen Beschleunigungsorgien der gesamte Antriebsstrang am Lenkrad und man hat das Gefühl, dass man hinterm Steuer immer ein wenig gegen den Fiesta ST um die Spur kämpfen muss. Egal in welcher Drehzahl. Dieser verfluchte EcoBoost-Dreizylinder ist ein Meisterwerk. Und mit seinem noch verfluchteren Turbo hat er einfach immer Power.

Verzögern ohne verzagen

Wir gehen abrupt vom Gas und weil wir uns im entsprechenden Modus befinden, erzeugt der Fiesta ST einige etwas synthetisch klingende Fehlzündungen. Süß. Der rechte Fuß wechselt auf die Bremse, der linke drückt die Kupplung und wir schalten schnell in den zweiten Gang zurück. Dabei ist es erstaunlich wie stark ein nur 1,5 Liter großer Motor mitverzögern kann und die bissige Bremsanlage unterstützt.

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Ohne weitere Impulse lenken wir ein und erschrecken prompt, dass uns der Fiesta ST im Kurvenscheitel beim geringsten Beschleunigungsversuch gerade völlig überraschend droht, über die Vorderachse abzuschmieren. Huch. Blinkendes ESP. Regelwut.

Ist aus dem fahraktiven Vorgänger etwa ein 1,3 Tonnen schwerer Bequemling mit viel zu komfortablen Fahrwerkskomponenten geworden, der beim Generationswechsel einfach vergessen hat, dass auch Autos mit Frontantrieb nicht immer gleich zwanghaft Untersteuern müssen?

Überdenken und neuer Versuch

Auf dem Weg zur nächsten Kurve bleiben ein paar Sekunden, um das Erlebte zu verarbeiten und wir erinnern uns, dass am Ende doch wir das Problem waren. Denn auch Mk7 (damals noch rund 100 kg leichter, mit 1,6-Liter-Vierzylinder-EcoBoost und als Dreitürer) konnte nur mit einer gewissen Taktik aus dem traurigen Tal der Frontkratzer befördert werden.

Bildergalerie: Ford Fiesta ST (2022) im Dauertest (2)

Also … neuer Versuch: Dieses Mal gehen wir kurz vor dem Einlenken erneut vom Gas und nutzen die Verzögerung des Motors an der Vorderachse, um dem Heck einen ordentlichen Schwung mitzugeben. Man merkt schließlich, wie es von hinten zu drücken beginnt und in dem Moment an lenken wir ein, lassen den leicht gewordenen Hintern in der Richtung der Vorderräder folgen.

Kurz bevor das Heck nun versucht, den Vorderwagen zu überholen, ist es für uns das Zeichen, wieder voll aufs Gas latschen zu können. Kein ESP-Eingriff, kein komisches Gefühl. Beherrschbar, fahraktiv und vor allem unfassbar spaßig. Eine gelungene Party.

Die perfekte Droge

Die Kehrseite der Medaille? Auf einer guten und präzise gelenkten Fiesta wird manchmal so viel getrunken, dass einem schlecht wird. Auch wenn es erst am nächsten Tag ist. An der Zapfsäule. Denn der drehfreudige Motor hängt halt gut am Glas … ähm … Gas, braucht aber bei einer solchen Fahrweise gerne 10 l/100km. Oder mehr.

Am Ende des Tages füttern wir aber lieber den gierigen Fiesta ST mit etwas mehr Sprit als uns mit zu viel Moselwein. Zumal wir gar nicht so viel Alkohol trinken könnten, um die gleiche berauschende Wirkung zu erzielen, die dieser großartige Kölner liefert. Die perfekte Droge. Und wir bekommen jetzt schon Entzugserscheinungen, wenn wir an die Rückgabe denken müssen. Allerdings gibt es auch den einen oder anderen Punkt, den wir am Fiesta ST nicht vermissen werden. Doch dazu später mehr in unserem großen Abschlussfazit …

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