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Ford Explorer

Ford Explorer: Neustart mit VW-Elektroantrieb

Erste Ausfahrt mit dem vollelektrischen Ford Explorer, der auf der MEB-Plattform von Volkswagen aufbaut. Wie schlägt er sich so?

Ford erfindet sich zumindest auf dem europäischen Markt neu, schickt traditionelle Modelle wie Fiesta, Focus, Mondeo oder Galaxy in den Ruhestand und setzt nahezu sein gesamtes Portfolio neu auf. Die als Hybride verfügbaren Crossover Puma und Kuga sowie der mit US-Fokus entwickelte Mustang Mach E bekommen mit dem Explorer nun ein vollelektrisches Mittelklassemodell an die Seite gestellt, das wie die ID-Modelle von VW, wie der Skoda Enyaq, der neue Cupra Tavascan sowie der Audi Q4 e-tron auf der MEB-Plattform des Volkswagen-Konzerns aufbaut. Produziert wird der 4,47 Meter lange Neuling seit Anfang Juni in Köln – wegen der Umstellung auf einen neuen Batterietyp fast ein Jahr später als ursprünglich geplant.

Technisch bietet der Elektro-Explorer – nicht zu verwechseln mit dem als Plug-in Hybrid angebotenen gleichnamigen XXL-SUV aus den USA – deshalb keine großen Überraschungen. Die Akkus im Fahrzeugboden verfügen über eine Speicherkapazität von 77 kWh in der heckgetriebenen und 79 kWh in der Allradversion „Extended Range“. Und auch die Leistungsdaten kennt man bereits vom (Stief-)Schwestermodell VW ID.4. Während die Basisversion mit Hinterradantrieb 210 kW (286 PS) leistet und ein maximales Drehmoment von 585 Nm auf die Straße bringt, kommt der Allradler durch den zweiten kleineren Elektromotor an der Vorderachse auf eine Systemleistung von 250 kW oder 340 PS.

ford explorer: neustart mit vw-elektroantrieb

Gute Kurvenlage Der Ford Explorer hat dank der Batterie im Boden einen tiefen Schwerpunkt. Das Leergewicht von über zwei Tonnen merkt man allerdings im Fahrbetrieb auch. Zumal die Fahrwerksabstimmung nicht perfekt gelungen ist. Fotos: Ford

Beide Versionen unterscheiden sich zudem durch die Ladeleistung. Während die Topversion Gleichstrom mit bis zu 185 kW in den 79 kWh-Akku pumpen kann, fällt die Ladekurve des kleinen Modells schon bei 135 kW wieder ab.

Bis zu 600 Kilometer Reichweite

Bei ersten Testfahrten mit dem neuen Stromer in Slowenien haben wir beide Versionen kennengelernt. Der Explorer mit dem 210-kW-Hinterradantrieb beschleunigt aus dem Stand in 6,4 Sekunden auf Tempo 100 und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h. Der Normverbrauch von rund 14 kWh pro 100 Kilometer soll eine Reichweite von rund 600 Kilometern ermöglichen, bevor des wieder an den Ladestecker geht. In der Realität sind es nach den ersten Eindrücken wohl eher 480 Kilometer und die Allradversion schafft allenfalls die 400er-Marke. Viel flotter ist diese Allradversion mit den zusätzlichen 109 kW Leistung an der Vorderachse auch nicht unterwegs: Der Sprint aus dem Stand auf Tempo 100 benötigt damit nur 1,1 Sekunden weniger. Und eine Höchstgeschwindigkeit von 189 km/h machen den Braten auch nicht fetter.

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Mit Soundbar und „Tresor“ Die Interieur-Designer von Ford haben einen guten Job gemacht und sich einige originelle Lösungen einfallen lassen. Wie die Soundbar auf dem Cockpit und dem aufklappbaren Touchscreen, hinter dem sich eine große Ablage versteckt.

Im Innenraum erinnert der Explorer durchaus an einen VW, da einige Module vom Plattformgeber übernommen wurden: Fahrschalter, Bedienmodule und selbst die Warnsignale der Fahrassistenzsysteme kennt man bestens von Skoda, VW oder Audi. Für eine deutliche Differenzierung sorgt allerdings der 14,6-Zoll große Touchscreen des Infotainment-Bildschirm, hinter dem eine Art Geheimfach steckt: Nach Hochschwenken des Monitors lassen sich im 17 Liter fassenden Staufach der „Mega-Konsole“ Laptops, aber auch mittelgroße Damenhandtaschen vor neugierigen Blicken verstecken.

Wärmepumpe kostet Aufpreis

Fein auch: Die kleine Displayeinheit hinter dem Steuer kann (gegen Aufpreis) durch ein Head-Up-Displays ergänzt werden. Weniger fein: Die meisten Oberflächen sind nicht weich unterschäumt und die Innenseiten der Türtaschen nicht ausgekleidet, was dem Qualitätseindruck nicht zuträglich ist. Lediglich ein Mittelstreifen auf dem Armaturenbrett und an den Türen ist in der Premium-Version mit einer etwas weicheren Oberfläche ausgestattet.

Auch auf Leder müssen die Käufer des elektrischen Explorer verzichten. Immerhin verfügt die Topversion über Matrix-LED-Scheinwerfer, eine elektrische Heckklappe und 20-Zoll-Leichtmetallfelgen. Ein Panoramadach kostet aber ebenso Aufpreis (950 Euro) wie eine Wärmepumpe (1050 Euro) sowie Befestigungspunkte für ein Trennnetz im Kofferraum (50 Euro) – da merkt man schon, dass in Köln der Rotstift regiert.

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Vielversprechend Der Normverbrauch von 14 kWh/100km soll Reichweiten von bis zu 600 Kilometer ermöglichen. Im Alltagsverkehrs dürften es bei einem Schnitt um die 18 kWh/100 km maximal 500 Kilometer werden – bei einer Ladung von 80 Prozent nur etwa 400.

Immerhin: Dank des 2,77 Meter langen Radstandes ist das Platzangebot ordentlich. Auch im Fond bietet der Explorer ausreichend Lebensraum für Knie, Kopf und Schultern. Die Rücksitze lassen sich im Verhältnis 1/3 zu 2/3 umklappen, wobei der mittlere Sitz unabhängig davon abgesenkt werden kann, um einen Gegenstand aus dem 450 Liter großen Gepäckraum zu entnehmen. Das Ladekabel muss im Gepäckraum unter dem Ladeboden verstaut werden, da Ford auf einen praktischen Frunk unter der Fronthaube verzichtet. Immerhin gibt es da inzwischen auf dem freien Markt Lösungen zum Nachrüsten.

Bremse top, Lenkung diffus

Für welche Version sollte man sich nun entscheiden? Der Explorer 4×4 bringt seine Leistung nach den ersten Fahreindrücken zwar souveräner auf die Fahrbahn, ist jedoch im Alltag nicht viel dynamischer unterwegs. Zudem ist der Hecktriebler dank eines um einen Meter kleineren Wendekreises deutlich wendiger und auch deutlich komfortabler abgestimmt. Beiden gemein ist das ausgezeichnete Bremsgefühl: Die Rückmeldung kommt direkt und fällt linearer aus als man es sogar von einigen klassenhöheren Elektromodellen kennt.

ford explorer: neustart mit vw-elektroantrieb

Souverän auf der Fahrbahn Unser Autor bemängelte bei den Testfahrten mit dem neuen Ford Explorer in Slowenien unter anderem eine zu leichtgängige Lenkung. Die Bremsen hingegen überzeugen.

Was fällt sonst auf? Es gibt anders als in den Modellen von Volkswagen keine Schaltwippen am Lenkrad, um den Grad der regenerativen Verzögerung zu variieren. Das erfolgt im Ford Explorer allein über den Wechsel in den Fahrmodus B oder ins Sportprogramm. Und leider haben es die Ingenieure von Ford auch nicht geschafft, Fahrwerk und Lenkung des Stromers eine vergleichbar gute Abstimmung zu verpassen wie früheren Modellen mit Verbrennungsmotor. In jedem der Fahrmodi wirkt die Lenkung zu leichtgängig und zu unpräzise. Und variable Dämpfer hätten dem Modell sicher auch gut getan.

Preise starten bei 49.500 Euro – erst einmal

Auch da merkt man das Spardiktat der Finanzer. Womit wir bei den Preisen wären. Der Basispreis des Explorer mit 19 Zoll großen Rädern beträgt 49.500 Euro – zum Start gibt es aktuell noch einen Nachlass von 900 Euro. Für die „Premium“-Version (mit B&O-Soundsystem, elektrischer Heckklappe, Matrix-LED-Scheinwerfern und einigem anderen mehr) werden bereits 53.200 Euro aufgerufen. Und mit Allradantrieb kommen dann noch 4000 Euro obendrauf. Plus Wärmepumpe, Panoramadach, Anhängerkupplung und Assistenzpaket (Spurhalte-System, Head-up-Display und 360-Grad-Parkkamera lässt sich Ford extra bezahlen) stehen dann schon über 63.000 Euro auf der Rechnung.

Zum Vergleich: Ein VW ID.4 GTX 4Motion käme aktuell über 10.000 Euro günstiger. Immerhin folgt Ende des Jahres noch ein Einstiegsmodell des Ford Explorer mit 125 kW (170 PS) Leistung und einem 52-kWh-Akku zu Preisen ab 42.500 Euro. Für preissensible Kunden ohne großen Reichweitenansprüche (angepeilt wird eine Norm-Reichweite von knapp 350 Kilometer) könnte das eine interessante Alternative sein.

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