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Nutzfahrzeug

Ford E-Transit im Test – auf zu neuen Ufern

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Elektrische Transporter eignen sich nur für den innerstädtischen Lieferverkehr. Zu wenig Reichweite, zu wenig Nutzlast. So zumindest das allgemeine Credo. Unser Fahrbericht soll zeigen, ob der Ford E-Transit, der gleichzeitig auch für eine neue Generation von E-Transportern steht, mit diesem Vorurteil aufräumen kann.

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Nach den kleinen Kastenwagen und Hochdachkombis findet die Elektrifizierung zunehmend auch bei den Transportern im „Sprinter“-Format statt. Zwar können mit den derzeitigen E-Transportern am Markt schon viele Einsätze – gerade in der KEP-Branche – bedient werden. Um jedoch noch mehr Routen abdecken bzw. Kunden erreichen zu können, müssen die elektrischen Lastenesel über einen ausreichend großen Akku und mehr Nutzlast verfügen.

Während die Wettbewerber bereits elektrische Varianten der „Sprinter-Klasse“ anbieten, scheint es so, als wäre Ford mit dem E-Transit reichlich spät dran. Doch der Blick auf die Konkurrenz und deren technischen Daten offenbart, dass der US-Hersteller das Feld scheinbar von hinten aufrollen will. Oder anders gesagt: Ford hat die Wettbewerber beobachtet. Und: Schon der konventionelle Transit ist seit Jahrzehnten eines der wichtigsten Transportermodelle auf dem Markt. Darüber hinaus ist der Name Transit in der Branche noch immer ein Trumpf. So gingen beispielsweise kurz nach der Ankündigung bei Ford mehr als 5.000 blinde Bestellungen für die rein elektrische Transit-Variante ein.

Ford definiert neuen Reichweiten-Maßstab

Keine Frage, für die innerstädtische Belieferung reichen viele der auf dem Markt erhältlichen E-Transporter aus. Die technischen Daten des StreetScooters sind genau auf die KEP-Branche bzw. in dem Fall Deutsche Post DHL zugeschnitten. Auch der eSprinter deckt mit seiner Reichweite von bis zu 158 Kilometern nach WLTP (kombiniert) einige Lieferbereiche ab. 50 bis 70 Kilometer pro Schicht sind im innerstädtischen Lieferverkehr an der Tagesordnung. Doch bei kalten bis winterlichen Temperaturen und größeren Einsatzgebieten kommt der eSprinter an seine Grenzen. Wie unser Test zeigte, lagen die Praxis-Reichweiten bei deutlich besseren Bedingungen eher zwischen 90 und maximal 140 Kilometern (im innerstädtischen Betrieb). Doch auch der Renault Master E-Tech bietet mit 200 Kilometern nach WLTP nur etwas mehr Reichweite. Ein Opel Movano-e bringt es immerhin auf bis zu 248 Kilometer. Und der Ford E-Transit? Der muss sich mit seinen maximal 317 Kilometern dem Maxus eDeliver 9 unterordnen, der mit dem größten Akku bis zu 353 Kilometer weit kommen soll. Im Test hatten wir allerdings die Transit-Version 350 L3H2, die eine WLTP-Reichweite von bis zu 255 Kilometer aufweist. Ob nun aber 317 oder nur 255 Kilometer nach WLTP, Monteure mit längerer Anfahrt werden wohl auch weiterhin dem Diesel den Vorzug geben (müssen).

Die von uns bei einer ersten Ausfahrt bereits geschätzten Verbrauchswerte wurden beim ausführlichen Test bei Temperaturen im einstelligen Bereich bestätigt – sowohl unbeladen als auch beladen. So schwankte dieser bei 24 bis 26 kWh/100 km im innerstädtischen und 30 bis 32 kWh/100 km bei überwiegenden Autobahnfahrten. Daraus resultieren Praxis-Reichweiten von bis zu 280 Kilometer bei Stadt und etwas über 200 Kilometer bei überwiegenden Autobahnfahrten.

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Möglich macht dies ein 68-kWh-Akku (netto). Im Vergleich zu anderen Herstellern bietet Ford aber nur eine Akku-Größe an. Ist die Batterie leer, kann dieser in knapp über acht Stunden an einer AC-Lademöglichkeit wieder aufgeladen werden. Die maximale Ladeleistung gibt Ford mit 11 kW (dreiphasig) an – ausreichend. Schneller geht es an einer DC-Säule. Mit einer maximalen Ladeleistung von 115 kW kann der Akku so innerhalb von 35 Minuten von 15 auf 80 Prozent geladen werden. Das schafft er auch bei kalten Temperaturen – unsere Erfahrung hat gezeigt, dass bereits eine kurze Fahrt auf der Autobahn ausreicht, um den Akku auf Temperatur zu bringen. Für einen Lade-Test fuhren wir bei 7 Grad und kaltem Akku rund 20 Kilometer auf der Autobahn, um mit 15 Prozent State of Charge (SoC) am Schnelllader anzukommen. Nach etwas über einer Minute am High Power Charger zeigte die Ladesäule zwar nur eine Ladeleistung von 105 kW an, die Anzeige im Fahrzeug versprach dennoch einen Ladestand von 80 Prozent nach gut 40 Minuten – und hat das auch eingehalten.

Muss öffentlich geladen werden, hilft das Navigationssystem bei der Suche nach einer Ladesäule. Bei der ersten Ausfahrt im Frühjahr 2022 gab es noch keine Routenplanung mit automatischen Ladestopps. Mittlerweile ist diese Funktion integriert. Stichproben ergaben dabei durchaus gut geplante Ladestopps. Für eine Strecke von knapp 400 Kilometern (fast nur über die Autobahn) plante das System beispielsweise drei Ladestopps ein. Die Navigation gibt dabei sowohl den SoC bei Ankunft am Ladepunkt an als auch ab welchem SoC weitergefahren werden kann. Auf der besagten Strecke resultierte daraus eine Reisezeit von gut 6,5 Stunden – die Ladezeit von insgesamt 1:45 Stunden eingeschlossen. Auch wenn sich die Relevanz einer solchen Funktion derzeit bei Transportern eher in Grenzen halten dürfte, so unterscheidet sich Ford auch hier von der Konkurrenz. Denn diese Art der Planung sucht man häufig vergebens.

Bei einem so großen Transporter spielt die Platzierung des Ladeports wohl eine noch größere Rolle als bei einem Pkw. Beim E-Transit handelt es sich um einen Nasenlader (Ladeport befindet sich an der Front). Während des Tests stellte sich aber ein Nachteil heraus, der nicht zuletzt auch aufgrund der Länge des Transporters zustande kam: Bei verschiedenen Baumärkten sorgte die Kombination aus Ladesäulen-Platzierung und Parkplatz-Gegebenheiten dafür, dass entweder das Laden gar nicht möglich war oder nur mit sehr großen Hindernissen. So musste im Test beispielsweise so geparkt werden, dass der Ausstieg nur über die Beifahrerseite gelang. Hier gilt es, Ladeinfrastruktur nicht nur für Elektroautos, sondern auch für E-Transporter zu planen.

Doch der E-Transit kann auch Strom abgeben. So gibt es beispielsweise zwei Haushaltssteckdosen in der nähe der Heckklappe, die jeweils eine Leistung von maximal 2,3 kW bereitstellen können. Ein Novum unter den E-Transportern.

Zwei Motorisierungen – mehr Power als der Diesel

Ford bietet insgesamt zwei Motorisierungen für den E-Transit an: Kunden haben die Wahl zwischen einem Motor mit einer Leistung von 135 kW – wie die von uns getestete Variante – und einem mit 198 kW. Doch selbst der kleinste E-Motor bietet mehr Leistung als der größte Dieselmotor für den Transit. Zum Vergleich: Der Mercedes eSprinter bringt es nur auf 85 kW, die Stellantis-Modelle auf 90 kW. Während beim eSprinter zumindest optional bis zu 120 km/h möglich sind, schaffen es die Stellantis-Transporter nur auf maximal 100 km/h. Bei Ford sind es – wenn auch nur bei der 3,5-Tonnen-Variante – bis zu 130 km/h. Die 4,25-Tonnen-Variante darf aufgrund der Einstufung als N2-Nutzfahrzeug gesetzlich nur maximal 90 km/h fahren.

Und: Während die Wettbewerber auf einen Frontantrieb setzen, hat sich Ford für einen Heckantrieb mit einer speziell angepassten Hinterachse und Einzelradaufhängung entschieden. Diese Entscheidung sorgt im Vergleich zum Wettbewerb für ein spürbar komfortableres Fahrgefühl, wie die Erfahrungen im Test offenbarten. „Pkw-Feeling“ in einem Transporter. Ja, so lässt es sich zusammenfassen. Und selbst bei der Höchstgeschwindigkeit machte der E-Transit eine gute Figur. Was nicht unerwähnt bleiben sollte: Bei einem SoC von etwa 16 Prozent wird die Höchstgeschwindigkeit gedrosselt. Die Motorleistung lässt spürbar nach und es ist schwer, noch an die 115-km/h-Grenze heranzukommen. Auf der Autobahn kann das ärgerlich sein. In der Stadt und auf Landstraßen spielt das freilich eine untergeordnete Rolle.

Ein Packesel unter den E-Transportern

Ford bietet den E-Transit als klassischen Kastenwagen, mit Doppelkabine und auch als Pritsche für diverse Aufbauten an. Kunden haben die Wahl zwischen den Längen L2 bis L4 und den Höhen H2 bis H3. Beim Laderaumvolumen sind je nach Version 7,2 bis 15,1 Kubikmeter möglich. Insgesamt stehen somit 25 Varianten zur Auswahl bereit.

Ein weiterer Punkt hebt den E-Transit – bis auf eine Ausnahme – von der Konkurrenz ab: die Nutzlast. Neben der Reichweite ein nicht ganz unwichtiges Kriterium. Diese liegt beim E-Transit zwischen 795 kg (L4H3) und maximal 1.685 kg (L3H2). Letztgenannte Variante kommt dadurch allerdings auf ein zulässiges Gesamtgewicht von 4,25 Tonnen und dürfte theoretisch nicht mehr mit dem Führerschein der Klasse B gefahren werden. Doch Nutzfahrzeuge mit einem alternativen Antrieb der Klasse N2 mit einem maximal zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 4,25 Tonnen können mit dem Pkw-Führerschein gefahren werden, wenn man diesen mindestens zwei Jahre hat. Eine generelle Anhebung ist jedoch geplant.

Wie sieht es bei den Wettbewerbern aus? Der eSprinter kommt eine maximale Zuladung von 848 kg, der Renault Master E-Tech kann bis zu 1.050 kg transportieren, die Stellantis-Modelle bringen es auf bis zu 1.110 kg und beim Maxus eDeliver 9 liegt der Maximalwert bei 1.275 kg. Nur der Fiat E-Ducato übertrumpft den Ford E-Transit mit einer Nutzlast von 1.910 kg.

So ganz nebenbei erwähnt: Für den E-Transit ist auch eine Anhängelast angegeben. Für die Varianten 350 L2H2, 350 L3H2, 350 L3H3 und 350 L4H3 beträgt diese 750 kg. Die Varianten 319 L3H2 und 425 L2H2 können hingegen keinen Anhänger ziehen.

Vielfalt gibt es auch beim Angebot an Assistenzsystemen. Im Vergleich zu den Diesel-Pendants bieten die einzelnen Ausstattungsvarianten bereits in der Basis einen höheren Lieferumfang. So ist im E-Transit die neue Ford-SYNC-Generation serienmäßig an Bord. Damit einher geht das serienmäßig verbaute 12-Zoll-Touch-Display, welches jedoch aus unserer Sicht deutlich mehr zum Fahrer geneigt sein müsste. Ebenfalls mit dabei ist in der „Basis“-Ausstattung eine Klimaautomatik, beheizbare Vordersitze und eine beheizbare Frontscheibe. Die Heizelemente in der Frontscheibe können gerade bei Dunkelheit und Regen als störend empfunden werden.

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Serienmäßig sind zudem Assistenten wie der Fahrspur-, Post-Collision-, Pre-Collision-, Berganfahr- oder auch Fernlicht-Assistent. Und dann wäre da noch der Müdigkeitswarner, der ebenfalls ab Werk verbaut ist. Hinzu kommen Over-the-Air-Updates, die das Navigationssystem und weitere Funktionen drahtlos aktualisieren. Besonders angetan hatten es uns aber der Kamera-Rückspiegel und die Rückfahrkamera mit Anzeige des Einschlagwinkels des Lenkrads. Selbst bei Dunkelheit war die Auflösung des Displays sehr gut. Und: Der LED-Strahler am Heck hat genügend Strahlkraft, um an dunklen Winterabenden für ausreichend Licht zu sorgen.

Fazit

So gut all das auch klingen mag, am Ende sind diese Daten und Features – inklusive des eigenen Ökosystems Ford Pro, welches wir für Sie hier aufbereitet haben – nicht kostenlos. Los geht es zwar schon bei 59.890 Euro (netto), unsere Test-Variante bei 60.490 Euro. Ein Movano-e startet bei 59.990 Euro, ein eSprinter gar bei 62.001 Euro. Ein Maxus eDeliver 9 mit vergleichbarer Akku-Größe startet bei 64.490 Euro. Noch teurer ist nur der Fiat E-Ducato, der es auf einen Basispreis von 73.250 Euro (DC-Laden noch einmal 2.500 Euro mehr) bringt. Damit wird klar: Ford will sich die Wurst nicht vom Brot nehmen lassen.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass ein vergleichbarer Diesel-Transit (bezogen auf die Motorleistung und Nutzlast) knapp 10.000 Euro günstiger ist. Nach Abzug der staatlichen Förderung (Umweltbonus) reduziert sich die Differenz jedoch. Hinzu kommt die bessere Ausstattung. Darüber hinaus gibt es weitere Förderprogramme, die beispielsweise die Differenz zu einem konventionellen Fahrzeug mit 40 bis 80 Prozent fördern. Von den Vorteilen bei den Betriebskosten während der Laufzeit ganz zu schweigen. Wenn der Fuhrparkleiter genau rechnet und auch die Ladezeit einkalkuliert, kann sich mal ein super Case (Über-Nacht-Laden) und mal ein schlechterer Case mit fast zwei Stunden DC-Laden auf 400 Kilometer ergeben.

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