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Ferrari Roma im Test : Gran Turismo fürs Herz

Die klassische Essenz von Ferrari liegt in hochperformanten Mittelmotor-Flundern? Könnte man denken, aber tatsächlich beruht der Mythos der Marke neben Rennwagen vor allem auf feinen Gran Turismo. Genau so einer will auch der Roma sein und klassische Markentugenden in die Gegenwart holen.

ferrari roma im test : gran turismo fürs herz

Mit dem Roma zeigt Ferrari getreu der klassichen Markentugenden einen feinen Gran Turismo. Test des reisetauglichen Sportwagens.

Von 1959 bis 1963 baute Ferrari 955 Exemplare des 250 GTE 2+2, was ihn zum mit Abstand erfolgreichsten Ferrari der damals noch jungen Firmengeschichte machte. Solche komfortablen GT zementierten Ferraris Platz in der Welt der Reichen und Schönen, die weitaus selteneren, rennsportnäheren Modelle wie der GT SWB oder GTO taten es ihnen auf den Rennstrecken gleich. Beide Ausprägungen bildeten lange Jahre das Yin und Yang des Sportwagenbaus in Maranello und trieben die Legendenbildung hinter dem springenden Pferd an.

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Doch mehr Technologie bringt mehr Performance, die einstige Trennlinie verwischte zusehends. Was heutzutage einen eigentlich granturistischen 812 Superfast, nun, superfast über eine Rennstrecke toben und einem eigentlich rennstreckenorientierten F8 Tributo beeindruckende granturistische Eigenschaften angedeihen lässt.

Ein echter Ferrari Gran Tourismo

Was kommt also raus, wenn sich Ferrari voll auf das Thema GT fokussiert? Antwort: Der Roma. Da verwundert es auch nicht weiter, dass der Roma auf der Autobahn bei jedem wählbaren Tempo – und da ist die Auswahl natürlich reichlich – so sauber die Spur hält, als wäre er auf seinem Evolutionsweg einmal falsch in Richtung Limousine abgebogen. Die Lenkung spricht zwar hochdirekt an, lässt es aber um die Mittellage locker genug angehen, dass man nicht ständig korrigieren muss. Das MagneRide-Fahrwerk bügelt mit dem Manettino in Comfort-Stellung oberhalb von 80 km/h in einer beeindruckenden Souveränität und Konsistenz alles aus, was Kommunen und die Autobahn GmbH derzeit auf der To-do-Liste stehen haben. Stabilität geht dabei vor Komfort. Will heißen: Der Roma schwingt nicht, sondern beruhigt den Aufbau schnell, aber eben sehr präzise und sanft. Übrig bleibt eine straffe, aber immens souveräne Straßenlage. Spurrillen interessieren den mit 245ern vorn und 285ern hinten vergleichsweise konservativ bereiften Zweitürer nicht wirklich – zum Vergleich: Ein BMW M4 steht auf 275ern vorn und 285ern hinten.

Getrennt und assistiert

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Auf Wunsch hält der Roma via ACC den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug, warnt beim ungewollten Verlassen der Spur, vor unerwünschten Gästen im toten Winkel oder lässt sich zur Pause während der langen Reise dank Surround-View-Kameras entspannt einparken. Die sauber applizierten Systeme können bis auf die unpräzise Verkehrszeichenerkennung mit denen größerer Hersteller mithalten. Das gilt auch für das optionale Matrix-LED-Licht.

Und der Arbeitsplatz? Das Interieur trennt Fahrer und Beifahrer mit einem üppigen Raumteiler, der den wulstigen Infotainment-Screen und das von einer offenen Schaltkulisse inspirierte Getriebe-Bedienpanel trägt. Die Platzverhältnisse sind luftig, es gibt brauchbare Ablagen und eine zweite Sitzreihe, die sich dank der klappbaren Lehnen von der fantasievollen Idee, dort tatsächlich Menschen unterzubringen, zugunsten von mehr Stauraum schnell verabschiedet. Auch der Kofferraum setzt mit maximal 345 Litern Volumen ein weiteres Kreuzchen ins GT-Lastenheft. Das gilt ebenso für die Sitze. Ob untere oder obere Wangen, Schenkelauflage oder Lordosenstütze – sie bieten zahlreiche Einstellmöglichkeiten und beantworten jede Komfortfrage.

Touch macht es nicht besser

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Jedoch müssen Teile der Einstellungen über den etwas hakelig laufenden zentralen Touchscreen getätigt werden. Der bündelt seine Funktionen zwar kompakt in flachen Menüs, spricht aber nicht das letzte Wort in Sachen Tempo und Auflösung. Und während die Bedienung von Scheibenwischern, Licht und Blinker über das Lenkrad erstaunlich schnell zur Routine wird, erlag Ferrari mit seiner neuesten Lenkradgeneration der Versuchung, die Bedienung mit kapazitiven Tasten zu digitalisieren und damit zu verschlimmbessern.

Die Aktivierung des Tempomaten und die Steuerung des riesigen Tachodisplays werden so zur fummeligen Angelegenheit. Noch schlimmer: Der rote Lenkradstartknopf wurde ebenfalls durch ein Berührfeld ersetzt, was sich beim Motorstart in etwa so anfühlt, als würde man die teure Champagnerflasche mit einem Swipe entsperren, anstatt den Korken mit Fingerspitzengefühl in den Nachthimmel zu feuern. Mag das haptische Erlebnis des Motorstarts unter die Einsen und Nullen gefallen sein, das akustische lässt die Armhärchen sofort wieder stramm stehen.

Ein tolles Aggregat: 3,9l-V8

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Mit zornigem Aufbellen meldet sich der F154 genannte Biturbo-V8 zu Wort, bevor er in einen leicht unrunden Leerlauf fällt. Markentypisch rotiert im Zentrum des Aggregats eine Flatplane-Kurbelwelle, deren Kröpfungen alle in einer Ebene liegen. Die von Bank zu Bank springenden Zündungen sorgen für den heiseren Sound. Hinter der Vorderachse sitzt der 3,9-Liter-Motor, der mit 620 PS in seiner zweitschwächsten (!) Ausbaustufe ganz allein den Kauf eines Roma rechtfertigen kann.

Es beginnt mit der Gasannahme, die selbst bei Drehzahlen, bei denen andere Turbos noch im Tiefschlaf sind, eine solche Spontaneität erreicht, dass die beiden kugelgelagerten Lader lediglich zischelnd ihre Existenz kundtun. Und granturistische Auslegung hin oder her: Am Ende des Tages verlässt selbst ein Wagen, der mit dem zart schmelzenden Worten “La nuova Dolce Vita” beworben wird, das Werk in Maranello nicht ohne einen gewissen Performance-Anspruch. Dabei klotzt er dir seine 760 Nm nicht einfach vor die Füße, sie sprudeln scheinbar schwerelos aus ihm heraus. Je nach Gaspedalstellung als plätscherndes Bächlein oder als reißender Fluss.

Einer für die hohen Lagen

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Möglich macht es die elektronische Ladedrucksteuerung, die das maximale Drehmoment erst im siebten und achten Gang freigibt, immer mit dem Ziel, ein stetig anschwellendes Drehmoment und diese immense Drehfreude zu generieren. Das nimmt ihm aber nicht die Effizienz in der Beschleunigung.

Via Launch Control geht es in 3,5 Sekunden auf 100 km/h, aber erst danach entfaltet sich die volle Antriebswucht.Zwar verpasst der Roma mit 9,9 Sekunden auf 200 km/h die Werksangabe von 9,3 Sekunden, liegt aber zu diesem Zeitpunkt dank seines hemmungslosen Drehwillens bereits vor ziemlich allen Konkurrenten. Die Beschleunigung scheint vor allem in hohen Geschwindigkeitsregionen einfach nicht abreißen zu wollen. Der erst kürzlich getestete Mercedes-AMG SL 63 kriegt bis 280 km/h über acht Sekunden eingeschenkt, und selbst ein regulärer 911 Turbo muss obenraus klein beigeben.

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Dabei schmettert der Achtzylinder durch die Oktaven, vom morgenmuffeligen Brummeln untenherum über den Klangwechsel ins Heisere in der Mitte bis zum sich feurig intensivierenden Crescendo bei 7500 Umdrehungen. Außen bleibt der Roma noch halbwegs zurückhaltend, brüllt aber umso lautstärker in den Innenraum. Bei ruhiger Fahrweise wechselt das Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe die Gänge sanft mit Kupplungsschlupf und hält den V8 teilweise unter 1000 Umdrehungen. Kombiniert man “Sport” oder “Race” mit manuellen Eingriffen an den unwiderstehlich taktil klickenden Schaltsensen, schlagen die Gänge akustisch und physisch ein wie Blitze eines warmen Sommergewitters.

Rauschende Längsdynamik

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Die Gänge eins bis fünf sind dabei äußerst kurz gestuft, sodass der Kraftfluss reißend von Höhepunkt zu Höhepunkt hüpft, bevor die langen oberen Gänge den Roma entspannt bei 2500 Umdrehungen 180 km/h schnell cruisen lassen. Und für den an deutschen Tankstellen oft anzutreffenden Typus des “Was braucht’n der?”-Fragers: Super Plus, nicht wenig davon, aber eine angemessene Menge für die gebotene Leistung, siehe übernächste Seite.

Die serienmäßige Keramikbremse zeigt sich den ihr entgegengeworfenen Aufgaben mit hochpräziser ABS-Regelung und festem Pedalgefühl gewachsen. Die Bremswerte sind gut, ohne Ausrufezeichen in dieser Klasse zu setzen. Und als ob der Roma noch einen weiteren Beweis benötigt hätte, dass er ein wirklich gelungener GT ist, zeigt er seine Ausrichtung auch klar auf dem Handlingkurs: Dank der fast neutralen Gewichtsverteilung und noch akzeptabler 1653 Kilogramm tanzt er von seiner leichtgängigen wie präzisen Lenkung geführt neutral durch die Kurven. Dabei taucht er selbst in der härtesten Dämpferkennlinie (Race) leicht in die Federn und schiebt am Limit spürbar ins Untersteuern.

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Die Traktion ist der immensen Leistung im Trockenen gewachsen, auch dank der äußerst fein regelnden Traktionskontrolle. Das elektrische Sperrdifferenzial verteilt die Kraft ebenfalls feinfühlig und erlaubt bei deaktiviertem ESP gut kontrollierbare Drifts. Kurzum: Der Roma kann Rennstrecke, aber man merkt, dass seine Vorderachse mit der verhältnismäßig schmalen Bereifung für die Straße und nicht für Rundenrekorde abgestimmt ist. So ist er auch ausschließlich auf regulären UHP-Reifen erhältlich, auf nässeempfindliche Semislicks verzichtet Ferrari. Erst diese konsequente Ausrichtung macht ihn auch auf Landstraße und Autobahn zu einem so angenehmen wie stilvollen Begleiter, auch wenn die Landstraße ihm bei der gebotenen Power schnell zu eng wird. Der ausdrucksstarke Motor, das emotional schaltende Getriebe und das sämige Handling machen ihn zu einem Entertainer, der nicht immer nach dem Limit giert. Er begeistert bei moderaten, bei mittleren und bei hohen Geschwindigkeiten. Doch wir wären noch nicht am großen Happy End, an dem sich die Ragazzi schniefend in den Armen liegen, wenn nicht noch rund eineinhalb Spalten Text zu füllen wären.

Legende oder Realität?

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So fantastische Referenzen er auch mitbringt: Nicht alles an ihm folgt der granturistischen Zielsetzung vollumfänglich. Da wäre zum einen die Bremse, die zwar bei sportlicher Fahrweise mit ihrem festen Druckpunkt begeistert. Aber wenn der Roma einfach normal an einer Kreuzung anhalten soll, wird das mit der bissigen Kennlinie zur echten Herausforderung. Auch die Lautstärke innen schwankt zwischen laut und sehr laut, wenn sich in “Race” der Bypass im Klappenauspuff öffnet. Aufgrund seiner Zündfolge neigt der V8 zu Dröhnfrequenzen bei niedrigen Drehzahlen. Außerdem verlangt der Roma bei Nässe Respekt vor seiner Leistung, denn selbst im für diese Bedingungen abgestimmten Wet-Modus bricht der hinterradgetriebene GT auch mit aktiviertem ESP schon mal recht plötzlich aus.

Eines 200.000-Euro-Wagens unwürdig fällt die Verarbeitung aus. Wellige Tür- und Gummidichtungen, unsaubere Spaltmaße zwischen Motorhaube, Kotflügel und Frontstoßstange, Fältchenbildung im Armaturenbrettleder und eine Klimaautomatik, die nur kühlen, jedoch nicht heizen wollte, was bei sechs Grad für fröstelige Stimmung im Lederkokon sorgte. Ein Gegencheck beim Ferrari-Händler deutet auf einen Einzelfall hin, da beim dort ausgestellten Roma bis auf die Gummidichtungen kein weiterer Mangel auffiel. Gut möglich also, dass sich der Roma den Titel des erfolgreichsten Ferrari der Neuzeit holt.

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