Technik

Elektroantrieb: Mahle verdichtet Kraft im​ "Superior Continuous Torque"-Motor

Die Elektrifizierung verästelt sich in die Teilgebiete der Mobilität – etwa von speziellen Nutzfahrzeugen. Zulieferer Mahle setzt auf einen Hochleistungsmotor.

(Bild: Mahle)

Nach den für Elektroautos am besten geeigneten Motoren für den effizienten Teillastbereich bietet Mahle nun auch einen besonders kompakten Motor für eine kontinuierlich hohe Leistungsabgabe an. Passt diese Auslegung mit der Anwendung zusammen, etwa in Traktoren oder Baumaschinen, ergeben sich weitere Effizienzpunkte im Bereich ausdauernder Hochleistung. Damit erschließt der traditionelle Verbrennungsmotoren-Zulieferer eine wachsende Nische für seine Elektrifizierungssparte.

Die Antriebs-Wende kommt schneller als gedacht

Die schlechte Nachricht für die Automobilzulieferer mit Schwerpunkt “Antrieb”: Die Wende hin zum Elektroauto vollzieht sich schneller als lange gedacht. Die Halbwertszeit des über 136 Jahre angesammelten Fertigungswissens über die vielen Hochpräzisions-Einzelkomponenten eines Verbrennungsmotors mit ihren Toleranzen im Mikrometerbereich steigt gerade Richtung unendlich. Seit die Autoindustrie verstanden hat, dass ihre wirtschaftliche Zukunft im Elektroauto liegt, werden so gut wie keine neuen Verbrennungsmotoren mehr entwickelt.

Die Chance für die Zulieferer: Elektroantriebe sind – anders als Verbrennungsmotoren – äußerst einfach aufgebaut. Das bietet wenigstens den größeren Unternehmen eine Möglichkeit, sich durch einen Umstieg nicht zu überfordern.

Mahle ist groß und gut im Geschäft als einer der innovativsten Kolbenhersteller. Bei ihm sollte die Transformation nicht scheitern. Längst bietet er parallel zum traditionellen Programm auch elektrische Antriebskomponenten vom Elektromotor bis hin zum Komplettpaket, vom E-Bike-Antrieb bis hin zu Motoren für Lastwagen und Baumaschinen an.

Mahles “Superior Continuous Torque”

Die Bezeichnung “Superior Continuous Torque”, kurz SCT, legt eine hohe Kraftabgabe (“Torque”) nahe, doch schreibt Mahle ganz ausdrücklich, der “Superior Continuous Torque (SCT) E-Motor kann unbegrenzt lange mit hoher Leistung arbeiten”. Im gesamten folgenden Pressetext tauchen die Wörter “Kraft” oder “Drehmoment” nicht wieder auf, er bleibt konsequent bei “Leistung”. Das Ganze ist aber nicht mehr als eine Vorankündigung: Näheres sollen wir dazu auf der IAA Transportation im September 2022 in Hannover erfahren.

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Mahle SCT E-Motor (5 Bilder)

Der  “Superior Continuous Torque”-Motor auf dem Prüfstand. Durch die schwarzen Schläuche zirkuliert das kühlende Öl, der in der Mitte mündet in die Läuferwelle, der untere führt das Kühl- und Schmiermittel aus dem Gehäuse ab. (Bild: Mahle)

Halbe Last kann sinnvoll sein

Je nach Anwendung kann ein Elektromotor recht unterschiedlich ausgelegt werden. Bei den Elektroautos geht es vor allem um Reichweite – da sind Motoren gefragt, die in Bereichen arbeiten, in denen sie möglichst effizient laufen. Das führt dazu, dass in den meisten Pkw sehr kräftige Motoren sitzen. Sind diese nicht voll ausgelastet und laufen im Bereich bis etwas über halbe Last, verbrauchen sie am wenigsten Strom. Nebeneffekt: Die Rekuperationsleistung ist entsprechend hoch. Hersteller-Bonus: Damit der Kunde das Auto noch attraktiver findet, ermöglicht eine kurzfristige Überlast ein prickelndes Beschleunigungserlebnis. Fast jeder Hersteller baut das mittlerweile so.

Drehzahl-Optimum

Das Entwicklungsziel bei solchen Motoren ist ein gleichbleibend hoher Wirkungsgrad über einen möglichst weiten Drehzahlbereich, wie von Mahle erst vergangenes Jahr in hoher Vollendung vorgestellt. Dadurch können diese Antriebe in zivilen Pkw ohne Schaltgetriebe auskommen.

In Porsche Taycan und dem baugleichen Audi e-tron GT hingegen setzt man zwei Gänge ein, da lohnt es wegen der höheren Endgeschwindigkeit und wird von der fahrleistungshungrigen Zielgruppe (auch bei anderen Herstellern) unhinterfragt bezahlt. Typisch für Pkw bleibt dennoch ihr ausgeprägt hoher Teillastanteil mit seltenen Vollast-Spitzen.

Effizient bei hoher Dauerleistung

In Nutzfahrzeugen, Baumaschinen oder Traktoren (das sind die Beispiele, die Mahle nennt) gelten meist ganz andere Anforderungen. Ihre Antriebe laufen oft für Stunden knapp unter Vollast – man denke an einen Traktor beim Pflügen oder an einen Bagger auf einer Baustelle beim Umschichten eines Kiesbergs. Bei Verbrennungsmotoren sind das ideale Bedingungen für hohe Effizienz.

Elektrisch angetriebene Maschinen mit ihrem typischen Teillast-Effizienzoptimum hingegen laufen genau dadurch außerhalb ihres Bestpunkts. Mahle stellt daher nun einen Motor vor, der darauf ausgelegt ist, eine hohe Dauerleistung möglichst sparsam zu erbringen. Das gilt aber auch hier innerhalb eines begrenzten Drehzahlbereichs. Mahle schreibt, seine “Dauerleistung beträgt über 90 Prozent der Spitzenleistung”. Als Beispiel nennt der Zulieferer eine Fahrt eines beladenen E-Lkw über Gebirgspässe und gibt zu bedenken, dass es Motoren mit einer solchen Auslegung bisher noch nicht gab. Der Hauptvorteil der Konstruktion besteht in einer bisher unerreichten Kompaktheit, die Mahle unter anderem durch eine Verbesserung der längst in Serie eingesetzten Ölkühlung erreicht.

Synchronmotor als effizienteste Bauweise

Obwohl Mahle bei der neuen E-Maschine von einem “Technologiesprung” spricht, ist es eigentlich eine Weiterentwicklung mithilfe der seit dem 19. Jahrhundert erprobten Konstruktionsprinzipien. Neu ist die Art der Kühlung. Es ist ein permanenterregter Synchronmotor, was ohnehin die effizienteste Bauweise ist.

Weil kein Strom in den Läufer geleitet wird, beschränkt sich mechanischer Verschleiß auf die Wellenlager und deren Abdichtung. Das Feld erzeugen in diesem Motor normalerweise Neodym-Magneten, die auf engstem Raum die höchsten Kräfte bewirken, was den Platzbedarf weiter senkt.

Auf Kundenwunsch bietet Mahle den Motor auch ohne Neodym an, weil es als seltene Erde einer erheblichen Abhängigkeit von den Rohstoffmärkten und der weit überwiegenden Förderung in China unterliegt. Dann soll der Motor “nur geringfügig mehr Bauraum beanspruchen”, wie Mahle schreibt. Die Effizienz sollte sich dabei nur im niedrigen einstelligen Prozentbereich verschlechtern.

Verbesserte Leistungsdichte

Mit einem gekühlten Motor lassen sich auf kleinerem Raum mit größerem Stromfluss höhere Kräfte erzeugen. Das erreicht Mahle damit, dass sowohl vom Läufer als auch vom Stator aktiv Wärme abgeführt wird. “Aktiv”, weil dazu auf einer Seite Öl axial in den Rotor eintritt und diesen auf der gegenüberliegenden Seite durch radial außen angeordnete Austrittsbohrungen in den Stator verlässt. Dort umströmt es die Wicklungen, führt deren Wärme ab und schmiert die nach außen mit Wellendichtringen gekapselten Lager, bevor es das Gehäuse an der Eintrittsseite unten wieder verlässt. Von dort nimmt es seinen Weg durch einen Wärmetauscher.

Die Zentrifugalkraft, die der umlaufende Rotor auf das Öl ausübt, macht die Elektromaschine zur Pumpe ihres eigenen Kühlmediums. Mahle nennt das ein “revolutionäres Kühlkonzept”, was hinsichtlich der zentrifugalen Funktionsweise ja auch akkurat passt.

Mantel und Welle

Die Kombination der beiden bekannten Prinzipien “Wellenkühlung” und “Mantelkühlung” nutzen beispielsweise Audi und Porsche allerdings schon seit 2019, wenn auch deutlich komplizierter. Bei ihrer Konstruktion tritt das Kühlmedium über eine zentral angeordnete Lanze in den Rotor ein und strömt um diese herum wieder aus, bevor es Richtung Mantel gepumpt wird. Diese Anordnung ermöglicht die gesteuerte Kühlung weiterer Komponenten wie der Leistungselektronik. Sie erfordert aber auch einen größeren Aufwand bei der Abdichtung und zusätzlich Pumpen.

Ob aus dem Volkswagen-Konzern oder von Mahle, der gemeinsame konstruktive, wenn auch sehr überschaubare Nachteil der Rotorkühlung besteht darin, dass nur ein Wellenende zur Kraftabgabe zur Verfügung steht.

Neue Nischen

Die Neuentwicklung wird also eher nicht die Welt der Elektro-Pkw aufmischen, sondern erweitert die Angebotspalette in eine neue, schnell wachsende Nische. Mahle meint Traktoren und Baumaschinen, bei denen der Antrieb häufig unter annähernd Vollast arbeiten muss.

Für längere Arbeiten unter hoher Last fehlte es bislang an geeigneten Akkus, heißt es immer wieder. Allerdings dreht sich der Bereich zurzeit offenbar recht schnell. Während Mahle noch nichts über seinen ersten Kunden für den neuen Motor verlauten lässt, hat der Landmaschinenhersteller John Deere mit SESAM2 erst im März einen alltagstauglichen Megawattstunden-Traktor mit 515 kW vorgestellt. Der Hersteller sagt über den Prototypen: “Aufgrund der Leistungsdichte von Elektromotoren ist die Systemleistung des Traktors im Vergleich zu einem Standardtraktor deutlich höher, wodurch die Produktivität steigt”.

Dass das erst ein Anfang sein kann, zeigt eine Überschlagsrechnung. Noch fahren so große Maschinen als “Trolley-Traktor” besser an einem Kabel. Kleinere gehen derweil aber schon in Serie und die Akkutechnik schreitet voran. Mahle hat sich schon mal positioniert.

(fpi)

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