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E-Fuels: „Technologische Offenheit statt Monokultur“

Die Politik setzt bei der Antriebswende auf batterieelektrische Antriebe. E-Fuels hingegen gelten als Irrweg zur klimaneutralen Mobilität. Zu Recht?

Das von der EU geplante Verbot für Neuwagen mit Verbrennungsmotoren bis 2035 hat eine Diskussion um synthetische Kraftstoffe entfacht. Die Chancen, die diese E-Fuels als klimaneutrale Treibstoffalternative bieten, sollten nicht ungenutzt bleiben. Ein Gastkommentar von Ulrich-Peter Thiesen und Ingo Behr vom Labor Verbrennungsmotoren des Fachbereichs Informatik und Ingenieurwissenschaften der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS).

e-fuels: „technologische offenheit statt monokultur“

Ulrich-Peter Thiesen (l.) und Ingo Behr forschen an der Frankfurt UAS zu Verbrennungsmotoren. Tiesen war früher Leiter der Verbrennungssystementwicklung bei der Deutz AG in Köln.  (Quelle: Frankfurt UAS/privat)

Im Bereich der kleinen Leistung bis etwa 50 kW ist die leichte Elektromobilität beziehungsweise das reine Elektrofahrzeug (BEV – Battery Electric Vehicle) gut geeignet. Die verwendeten Lithium-Ionen-Akkus in Kombination mit Elektromotoren haben mit Werten von bis zu 80 Prozent gegenüber modernen Pkw-Dieselmotoren mit einer Effizienz von bis zu 40 Prozent einen etwa doppelt so hohen Wirkungsgrad. Die Betriebsdauern dieser Fahrzeuge müssen allerdings sehr groß sein, um den höheren CO2-Anteil bei der Produktion auszugleichen.

Wirkungsgrad hängt von der Energieerzeugung ab

Traktoren, Erntemaschinen, schwere Bau- bzw. Arbeitsmaschinen und Nutzfahrzeuge werden aber in der Regel mit einer hohen Dauerleistung von mehr als 100 kW betrieben. Und im Höchstleistungsbereich der Hochseeschifffahrt sind sogar Antriebsleistungen von bis zu 45.000 kW üblich. In diesen Anwendungsbereichen sind die Antriebsmaschinen auch zukünftig auf Energieträger mit einer hohen Energiedichte angewiesen.

Mit flüssigen Kraftstoffen kann diese Anforderung realisiert werden, weshalb sogenannte Re-Fuels eine notwendige Lösung für CO2- neutrale Antriebe darstellen. Der Begriff „Re-Fuels“ bezeichnet allgemein Kraftstoffe, die auf der Grundlage von erneuerbaren Energien hergestellt werden. Das sind neben Wasserstoff auch wichtige flüssige Kraftstoffe, nämlich synthetisch hergestellte Kohlenwasserstoffe (E-Fuels) und nachhaltige Biokraftstoffe (Advanced Biofuels).

e-fuels: „technologische offenheit statt monokultur“

An der langen Leine John Deere arbeitet schon seit Jahren an elektrischen Antrieben für Landwirtschaftsmaschinen. 2018 präsentierte das Unternehmen ein autonom fahrendes Konzeptfahrzeug, bei dem der Fahrstrom nicht aus Akkus, sondern über ein Stromkabel bezogen wurde. Foto: John Deere

Der Nachteil von E-Fuels ist, dass bei der Herstellung dieser E-Kraftstoffe bei der eingesetzten Fischer-Tropsch-Synthese derzeit circa 50 Prozent der ursprünglich eingesetzten Stromenergie verloren geht. Dies könnte aber bei einer dezentralen Produktion von E-Fuels in naher Zukunft erheblich geringer werden. Der zusätzliche Bedarf an elektrischer Energie bei der Erzeugung von E-Fuels – im Vergleich zu einer direkten Nutzung im BEV – wäre unkritischer, wenn weltweit einfacher günstigere Standorte mit einer bis zu viermal höheren Effizienz bei der Anwendung von Photovoltaik und Wind (im Vergleich zu durchschnittlichen europäischen Standorten) genutzt werden könnten.

Re-Fuels reduzieren Emissionen der Bestandsfahrzeuge

Nachhaltige Biokraftstoffe, die in der 2. Generation nicht mehr in der Konkurrenz zu Lebensmitteln stehen und außerdem auch durch die Aufbereitung von biologischen Abfällen erzeugt werden können, sind durch die heutige siebenprozentige Beimischung in fossilem Dieselkraftstoff gut eingeführt und stellen zukünftig im lokalen Einsatz zum Beispiel in der Land- und Forstwirtschaft oder im Baubereich eine wertvolle Ergänzung dar. Bestandsfahrzeuge, die heute fast ausschließlich mit fossilen Kraftstoffen betrieben werden, können durch den Betrieb mit nachhaltigen Re-Fuels ganz erheblich zu einer schnellen CO2- Absenkung beitragen. Nur auf diese Weise ist es möglich, dass auch die auf dem Markt befindlichen Fahrzeuge ihren Beitrag zur Klimaneutralität leisten.

e-fuels: „technologische offenheit statt monokultur“

In Kooperation mit dem Branchendienst energate.

Mit einem intelligenten Mix verschiedener Technologien von BEV und Re-Fuels kann eine optimale Reduktion der gesamten CO2-Emissionen erzielt werden. Viele gesellschaftlich wichtige Transportlösungen beispielsweise bei Feuerwehr-, Rettungs- und Krankenfahrzeugen hängen von Verbrennungsmotoren ab. Bei diesen Bestandsfahrzeugen wäre mit Re-Fuels unverändert die ständige Dienstbereitschaft sichergestellt.

CO2-Reduktion braucht alle verfügbaren Technologiepfade

Weiterhin kann auch ein Hybrid-Antriebsstrang, also eine Kombination von Verbrennungs- und Elektromotor, mit CO2-Emissionen von deutlich unter 100 Gramm CO2 pro Kilometer zu einer Halbierung der heute bei Pkw üblichen Mittelwerte beitragen. Hybridtechnologie-Strategien können ebenfalls im Bereich der land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeuge und der Baumaschinen zukünftig Standard sein, um einerseits die Wirtschaftlichkeit zu steigern beziehungsweise die CO2-Emissionen zu reduzieren und andererseits praktischerweise die gute Regelbarkeit von elektrischen Antrieben auszunutzen.

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Versuchsanlage Haru Oni in Chile Gemeinsam mit Siemens Energy hat Porsche in Patagonien eine Industrieanlage zur Herstellung nahezu CO2-neutraler Kraftstoffe errichtet. Bis 2026 sollen hier jährlich 550 Millionen Liter Ökosprit mit Hilfe von Windkraft produziert werden. Foto: Siemens Energy

Ein Blick, wie ihn die EU auf die Fahrzeuge wirft – from Tank to Wheel (vom Tank zum Rad) -, greift erheblich zu kurz, da sowohl die CO2-Belastung der Stromerzeugung als auch die der Produktion des Fahrzeugs unbeachtet bleiben. Emissionen treten bei den verschiedenen Antriebstechnologien in unterschiedlichen Lebenszyklusphasen auf. Wie gut eine Technologie ist, hängt stets von der Bilanz über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs ab, also von der Erzeugung bis zur Wiederaufbereitung. Eine nachhaltige und schnell verfügbare Reduktion von CO2 braucht alle verfügbaren Technologiepfade bei gleichmäßiger Förderung aller Optionen durch die Politik.

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