COMPUTER BILD hatte die Gelegenheit, mit einem 360 kW starken Genesis GV60 den legendären Col de Turini zu erklimmen. Am Berggipfel angekommen, war das Elektroauto fast leer. Und nun?
- Genesis GV60 auf den Col de Turini
- Start mit 45 Prozent – 53 Kilometer bis zum Gipfel
- 20 Kilometer Reichweite für 53 Kilometer Strecke?
- Nur zwei Prozent Verbrauch auf der Rückfahrt
- Fazit: Rekuperation am Berg
COMPUTER BILD ist mit dem Genesis GV60 den Col de Turini hochgefahren. Auto fast leer, Ladesäule im Streik …
Cockpitansicht des Genesis GV60 Sport Plus mit Head-up-Display, digitalen Außenspiegeln (1.400 Euro) und Boost-Knopf.
Genesis GV60 auf den Col de Turini
Die Route führte von Monaco aus über 53 Kilometer auf den Col de Turini und (falls möglich) zurück.
Start mit 45 Prozent – 53 Kilometer bis zum Gipfel
Bei Fahrtbeginn zeigte das Navi eine Entfernung von 27 Kilometer Luftlinie, in Monaco-Währung endet die Routenberechnung bei mindestens 53 Kilometern. Bei Fahrtantritt hatte der 77,4 kWh große Akku noch 45 Prozent zur Verfügung. Das sollte eigentlich locker reichen, immerhin verspricht die WLTP-Verbrauchsangabe unter optimalen Bedingungen eine Reichweite von 466 Kilometern. Nun ist aber die Kombination aus motiviertem Redakteur, Boost-Knopf und Steigungen im zweistelligen Prozentbereich genau das Gegenteil von optimalen Bedingungen. Es ist wirklich verblüffend, wie viel Fahrspaß man auf so engen Straßen haben kann, wenn man sich im legalen Rahmen von meist 80 km/h bewegt. Ab 22 Prozent Akkustand stieg der ohnehin selten gebrauchte Boost-Knopf aus. Aber kein Problem, es ging trotzdem flott weiter bergauf. Beschleunigen, bremsen, einlenken und gleich wieder von vorn. Toll für den Fahrer, schlecht für den Verbrauch.
Kurz vor dem Ziel erinnerte eine Warnung mit zehn Prozent Akkustand daran, sich doch langsam mal Gedanken über das Laden zu machen. Tatsächlich hielt der Gipfel eine Ladesäule bereit, die allerdings mehr daran interessiert war, Vorurteile über E-Mobilität zu schüren, indem sie die Kooperation mit der Ladekarte verweigerte, anstatt ihrer Bestimmung nachzugehen.
Plan A: Ladesäule und Ladekarte haben sich nicht verstanden.
20 Kilometer Reichweite für 53 Kilometer Strecke?
Plan B: Vehicle to load. Geht, aber dauert zu lange.
Allerdings ließ der Zeitplan nicht mehr als den Beweis zu, dass das Laden auf diese Art grundsätzlich funktioniert. Gut zu wissen, wenn wirklich mal der Strom ausgeht.Allein durch seine relative Position auf 1.749 Metern Höhe im Vergleich zum Ziel auf Meereshöhe hat der GV60 eine potenzielle Energie (Masse x Erdbeschleunigung x Höhe) von rund 11 kWh angespart. Da ein Elektroauto bei der Bergabfahrt nicht wie ein normaler Verbrenner in erster Linie die Bremsen zum Energieabbau malträtiert, sondern einen Teil der Energie über den Generator wieder dem Akku zuführt, war die Ausgangssituation auf den zweiten Blick weit weniger düster. Der routinierte Schweizer Kollege gab sich gleich zuversichtlich, dass die Rechnung mit einer Restreichweite von 20 Kilometern bei zu fahrenden 53 Kilometern locker aufgehe. Also ohne Laden gleich wieder retour.
Plan C: Mit 20 Kilometer Restreichweite auf die 53 Kilometer lange Rückfahrt.
Auf der Abfahrt ist es hilfreich, dass man die Rekuperationsstufe über die Schaltpaddel am Lenkrad im Handumdrehen an die jeweiligen Bedürfnisse und die Steigung anpassen kann. Die Verbrauchsanzeige blieb indes stur bei 0,1 kWh, aber nur weil sie offensichtlich keine negativen Verbrauchswerte anzeigen kann oder darf (warum?). Nach 27 Kilometern stieg der Akkustand auf zehn Prozent und die angegebene Restreichweite von 29 Kilometern deutete ein Happy End schon an. In Monaco hatten wir sogar noch Luft für eine Runde durch die Stadt.
Nur zwei Prozent Verbrauch auf der Rückfahrt
Am Zielort nahe Meeresniveau haben wir nach rund 60 Kilometern in Summe nur zwei Prozent Akku verbraucht und kamen mit sechs Prozent an. Der GV60 zeigte mit 20 Kilometern noch die gleiche Reichweite wie bei Fahrtbeginn oben auf dem Col de Turini. Auf der Abfahrt hat das Auto genug Energie gesammelt, um uns locker über den Autobahnabschnitt und durch den Stadtverkehr von Monaco zu bringen. Von 2.300 Höhenmetern ging es auf der Rückfahrt immerhin auch 700 Meter bergauf.
Fazit: Rekuperation am Berg
Die Routenplanung in topografisch anspruchsvollem Gelände ist speziell. Bergauf haben wir 37 Prozent der Kapazität verbraucht. Auf dem Rückweg waren es für die gleiche Strecke nur zwei Prozent. Bergauf lag die theoretische Reichweite des Genesis GV60 in diesem Beispiel also bei nur 143 Kilometern, bergab bei rechnerisch 3.000 Kilometern! Merke: Wer es mit einem Elektroauto auf einen Berg schafft, kommt höchstwahrscheinlich auch wieder runter. Dann ist es auch nicht so schlimm, wenn sich die Ladesäule auf dem Gipfel ziert.Die Teilnahme an der Reise wurde von Genesis unterstützt. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit.