- Entwicklungstrends in den automobilen Kernregionen
- Elektro-Auslieferungen der Top 10 Automobilhersteller
- Newcomer unter Druck
Der weltweite Absatz von Elektroautos erreicht im Gesamtjahr 2023 trotz hoher Inflation, schwacher Konjunktur und geopolitischer Krisen einen neuen Rekordwert. Nach Schätzungen des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach wurden rund 9 Millionen reine E-Autos (etwa 10 Millionen inkl. leichte Nutzfahrzeuge) abgesetzt, was im Vergleich zum Vorjahr mit gut 7 Millionen Fahrzeugen einer Steigerungsrate von 29 Prozent entspricht. Damit wächst der Markt für E-Autos deutlich mehr als der Gesamtmarkt über alle Antriebsarten hinweg, der weltweit um nur gut 3 Prozent auf rund 74 Millionen Pkw zulegte.
China bleibt der Leitmarkt der Elektromobilität mit einem Weltmarktanteil von 57 Prozent, wobei die chinesischen Hersteller eine immer dominantere Stellung gewinnen. Im laufenden Jahr 2024 rechnet das CAM mit einem Wachstum auf 11 Millionen abgesetzte E-Autos. Das sind die zentralen Erkenntnisse der aktuellen Untersuchung „Globale Absatztrends der Elektromobilität“ im Rahmen des „Electromobility Report“.
Nach absoluten Zahlen hat China als weltweit größter Automarkt den stärksten Anteil an diesem Wachstum. Mit einem Neuzulassungsvolumen von 5,14 Millionen E-Autos (+21 Prozent) im Jahr 2023 klettert nicht nur der nationale Elektro-Marktanteil von 20,7 Prozent auf 23,7 Prozent. China bestätigt mit einem Weltmarktanteil von 57 Prozent aller E-Auto-Verkäufe (2022: 61 Prozent) weiterhin seine globale Stellung als Leitmarkt der Elektromobilität.
Die weiteren automobilen Kernregionen Europa (EU+EFTA+UK) und die USA steigern ihre E-Auto-Neuzulassungen zwar ebenfalls, wenn auch in geringeren Maßstäben. Für den europäischen Markt prognostiziert das CAM einen Elektroauto-Absatz von etwa 2 Millionen Pkw (+27 Prozent), der zu einer Steigerung des Elektro-Anteils von 12,2 Prozent auf 15,4 Prozent führt.
CAM
In den USA wurden rund 1,2 Millionen Elektroautos (+50 Prozent) ausgeliefert. Dort wächst der Anteil vollelektrischer Pkw am Gesamtzulassungsvolumen von 5,8 Prozent auf 7,7 Prozent. Damit machen Europa und die USA zusammen analog dem Vorjahreszeitraum etwas mehr als ein Drittel (35 Prozent) der weltweiten E-Auto-Neuzulassungen aus (2022: 34 Prozent).
Entwicklungstrends in den automobilen Kernregionen
Von den größten Automobilmärkten der Welt ist China bislang am stärksten elektrifiziert. Die Steigerung der E-Auto-Neuzulassungen auf 5,14 Millionen Einheiten hat dazu geführt, dass dort mittlerweile fast jeder vierte Neuwagen vollelektrisch betrieben wird. Hinzu kommen 2,59 Millionen neue Plug-in-Hybride, die mit einer Steigerungsrate von 82 Prozent stark überdurchschnittlich zulegen. Zusammen machen elektrifizierte Fahrzeuge (E-Autos sowie Plug-in-Hybride) in China bereits 35,7 Prozent der Neuzulassungen aus.
Plug-in-Hybride erfreuen sich anders als in Europa oder den USA in China einer steigenden Beliebtheit. Mit ein Grund dafür ist, dass die lokalen Akteure immer größere Reichweiten von teilweise mehr als 200 km (z.B. Lynk&Co 08, BYD Seal DM-i, Wey Mokka) verbauen bzw. Elektroautos vertreiben, die zusätzlich über einen Verbrennungsmotor als Stromgenerator verfügen, auch als Range Extender bekannt. Eine solche Variante gab es auch von BMWs erstem E-Auto, den i3 Rex. Die unter dem Kürzel EREV (Extended Range Electric Vehicle) bekannten Pkw verfügen analog zu vollelektrischen Fahrzeugen über große Hochvoltbatterien und werden ausschließlich durch Elektromotoren angetrieben. Dennoch haben sie zudem einen eher kompakten Verbrennungsmotor an Bord (der im i3 Rex hatte zwei Zylinder, 650 ccm Hubraum und 25 kW Leistung), der zwar keinen Kontakt zu den Antriebsachsen hat, aber im Notfall als Stromgenerator dient. In der Statistik werden diese Modelle den Plug-in-Hybriden zugerechnet.
Deutschland bleibt trotz eines unterdurchschnittlichen Wachstums von 11 Prozent auf gut 524.000 neue E-Autos der mengenmäßig größte Elektromarkt in Europa. Norwegen ist mit einem Elektro-Marktanteil von 82 Prozent weiterhin mit großem Abstand führend. In den USA werden die etwa 1,2 Millionen Elektroautos (+50 Prozent) durch weitere rund 250.000 Plug-in-Hybride (+32 Prozent) ergänzt. Gemessen an den Gesamtzulassungen erhöht sich der Anteil teil und komplett elektrifizierter Fahrzeuge dort jedoch nur geringfügig von 7,2 Prozent auf 9,3 Prozent.
Elektro-Auslieferungen der Top 10 Automobilhersteller
Mehr als 80 Prozent des globalen Elektroauto-Absatzes im Jahr 2023 entfällt auf zehn Autohersteller. Allein die drei größten – Tesla, BYD und der VW-Konzern – sind zusammen bereits für knapp die Hälfte (46 Prozent) aller Neuzulassungen verantwortlich. Tesla steigert als globaler Marktführer seine Auslieferungen von 1,31 auf 1,81 Millionen Elektroautos, ein Plus von 38 Prozent).
Jedoch gerät der Elektropionier zunehmend unter Druck, da BYD seinen Wachstumskurs mit einer Steigerung von 73 Prozent auf 1,58 Millionen Elektroautos fortsetzt. Hinzu kommen knapp 1,44 Millionen Plug-in-Hybride, sodass BYD als erster Autohersteller weltweit den Meilenstein von 3 Millionen verkauften elektrifizierten Fahrzeugen innerhalb eines Jahres durchbricht.
Den Großteil seiner Absätze (92 Prozent) realisiert BYD noch immer auf dem chinesischen Heimatmarkt, allerdings haben sich die Exporte in andere Länder im Vergleich zu 2022 bereits mehr als verdreifacht. Es ist davon auszugehen, dass BYD seine Internationalisierungsstrategie in Europa, Südamerika sowie weiteren Märkten auch im Jahr 2024, u.a. mittels aggressiver Preispolitik, durchsetzen wird. Im vierten Quartal 2023 hat BYD erstmals mehr E-Autos verkauft als Tesla und es kann davon ausgegangen werden, dass die Chinesen den langjährigen Marktführer Tesla bei den Auslieferungen perspektivisch überholen wird – womöglich bereits 2024.
International kommen mit SAIC, Geely und GAC weitere chinesische Automobilkonzerne in die Top-6 des Jahres 2023. SAIC kann mit einem geschätzten Absatzplus von 4 Prozent nur geringfügig die sinkenden Absatzzahlen seiner einst populären Kleinstfahrzeuge (insb. Wuling Hongguang Mini EV) durch neue Produktanläufe (z.B. Wuling Bingo, Baojun Yunduo) und junge Marken (z.B. IM Motors) kompensieren. Geely steigert zusammen mit seinen europäischen Marken Volvo und Polestar seine E-Auto-Verkäufe um 34 Prozent auf schätzungsweise 510.000 Einheiten. GAC Aion (Platz 6), die Elektro-Marke der chinesischen GAC Group, realisiert mit einem Zuwachs von 77 Prozent einen neuen Auslieferungsrekord in Höhe von 480.000 Elektro-Pkw.
Hyundai-Kia-Genesis (Platz 7, +29 Prozent) und der 14 Automarken umfassende Stellantis-Konzern (Platz 9, +29 Prozent) können mit derartigen Steigerungsraten derzeit nicht mithalten. Die deutschen Premiumhersteller BMW und Mercedes-Benz hingegen weisen ein hohes E-Auto-Wachstum auf und kommen auf die Plätze 8 und 10: Während BMW 376.000 E-Autos absetzt (+74 Prozent), erreicht Mercedes-Benz rund 250.000 (+88 Prozent) vollelektrische Pkw-Auslieferungen.
Newcomer unter Druck
Für die zahlreichen, vorrangig chinesischen Newcomer war 2023 kein leichtes Jahr. Nio erreicht 160.000 Auslieferungen (+30 Prozent) und verfehlt sein ursprüngliches Ziel einer Verdopplung deutlich. Xpeng kommt auf 142.000 E-Autos (+17 Prozent) und setzt seinen zuletzt eher enttäuschenden Wachstumspfad fort. Hozon (Neta), eine weitere chinesische Marke, die neben reinen E-Autos auch verstärkt auf Range-Extender-Stromer setzt, vermeldet sogar einen Absatzrückgang um 16 Prozent auf nunmehr 127.000 elektrifizierte Fahrzeuge.
Li Auto mit seinen Range-Extender-E-Autos bildet hierbei mit einem Wachstum von 183 Prozent auf 376.000 Einheiten eine Ausnahme. Die Entwicklung bleibt spannend, da gerade der chinesische Elektrofahrzeugmarkt gegenwärtig durch einen harten Wettbewerb mit aggressiven Preisreduzierungen geprägt ist – den langfristig nicht alle Newcomer durchhalten werden.
„China und chinesische Hersteller dominieren neben Tesla bereits heute den Weltmarkt. In den Top 6 der absatzstärksten Elektroautohersteller befinden sich mit BYD, SAIC, Geely und GAC vier chinesische Hersteller“, so das Resümee von Studienleiter Stefan Bratzel. Vor allem BYD und Tesla profitieren demnach immer mehr von Skaleneffekten und ihrer im Wettbewerbsvergleich sehr guten Kostenposition. „Die Reduzierung der Kosten entlang der elektromobilen Wertschöpfungskette wird ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Hersteller, da für das Jahr 2024 mit einer Intensivierung des Preiskampfes gerechnet werden muss“, so der CAM-Leiter. Dies sei gerade für die deutschen Hersteller eine große Herausforderung bei der Ausweitung ihres Produktportfolios.
Für die unzähligen Newcomer-Marken hingegen schlage angesichts hoher Kapitalzinsen und fordernder Wettbewerbsbedingungen allmählich die Stunde der Wahrheit: „Gelingt es ihnen mittelfristig nicht, Skaleneffekte zu realisieren und ausreichend Investorengelder zu akquirieren, dann droht hier auf absehbare Zeit eine Insolvenzwelle“, so Bratzel.
Quelle: CAM – Pressemitteilung vom 11.01.2024