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Dynamik statt Reichweite

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Der RZ ist nicht der erste elektrische Lexus. Diese Ehre gebührt dem UX 300E. Der RZ kann sich jedoch rühmen, der erste Lexus zu sein, der als hundertprozentiges Elektrofahrzeug entwickelt wurde. Das Fahrzeug teilt sich dabei die Plattform mit dem Toyota BZ4X und dem Subaru Solterra. Das ist nicht unbedingt eine gute Nachricht, denn wie die AR bei ihrem Test feststellte, hinkt der BZ4X seinen Konkurrenten unter anderem bei der Reichweite hinterher. Dies ist jedoch ein entscheidender Faktor für den Erfolg von Elektrofahrzeugen. Die Frage, die sich vor dem ersten Kontakt stellt: Haben die Lexus-Ingenieure den RZ besser gemacht?

Die E-TNGA-Plattform, auf der Lexus seinen RZ aufbaut, bietet auch die Chance, dass er ab 2025 mit einer Steer-by-wire-Lenkung ausgestattet sein wird. Bei dieser ist das Lenkrad nicht mehr mechanisch mit den Rädern verbunden, sondern die Lenksäule wird entfernt und durch einen Kabelbaum ersetzt. Damit werden die elektrischen Aktuatoren angesteuert, die den Lenkeinschlag der Vorderräder übernehmen. Wie dieses revolutionäre System genau funktioniert, können Sie auf Seite 16/17 lesen.

Mit seinem typischen Diabolo-Frontgrill und seiner Motorhaube in Form einer Haifischnase weicht der RZ, der von der Grösse her zwischen NX und RX liegt, nicht von den stilistischen Codes des japanischen Premiumunternehmens ab. Da der Elektroantrieb nur sehr wenig Kühlluft benötigt, läuft der Kühlergrill spitz zu. Die Vorderseite ist ausserdem mit beweglichen Klappen versehen. Sie können sich öffnen und schliessen und verringern so den Luftwiderstand. Thema Aerodynamik: Der Luftwiderstandsbeiwert (cW) liegt bei 0.263. Dieser gute Wert wird insbesondere durch einen neuartigen, zweiteiligen Dachspoiler erreicht. Um die strukturelle Steifigkeit zu erhöhen, kamen ausgeklügelte Montagetechniken wie das Laser-Schraubschweissen zur Anwendung. Um das Gewicht nicht in die Höhe schnellen zu lassen und den Schwerpunkt tief zu halten, hat Lexus die Teile, die sich weiter oben im Fahrzeug befinden, leichter gemacht. Die Motorhaube zum Beispiel besteht aus Aluminium.

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Allradantrieb serienmässig

Der RZ 450E hat einen Allradantrieb, der durch zwei elektrische Maschinen gewährleistet wird, ­eine vorne mit 150 kW (204 PS) und eine hinten mit 80 kW (109 PS). Die kombinierte Leistung beträgt 230 kW (313 PS). Diese Synchronmaschinen mit Permanentmagneten werden von Aisin, einem japanischen Zulieferer aus dem Toyota-Konzern, hergestellt. Sie zeichnen sich durch eine maximale Drehzahl von 17 000 U/min aus. Die Batterie, die von Panasonic zusammengebaut wird, besteht aus 96 Zellen. Die Bruttokapazität ist mit 71.4 kWh genau dieselbe wie beim BZ4X. Die Nettokapazität beträgt 64 kWh, sagt Yoichiro Kasai, stellvertretender Chefingenieur für elektrifizierte Fahrzeuge bei Lexus. Er gibt unumwunden zu, dass «diese Kapazität, ehrlich gesagt, nicht sehr gross ist», aber dass sie das Bestreben von Lexus widerspiegle, «die beste Balance zwischen Reichweite, Effizienz, Kosten und Platzbedarf» zu bieten. Um seine Aussage zu untermauern, erklärt der Ingenieur, dass die aktuelle Batterie bereits 500 Kilogramm wiege. «Wenn wir 90-kWh-Akkus eingebaut hätten, wäre das Auto 100 Kilogramm schwerer geworden. Das hätte die Fahrdynamik erheblich beeinträchtigt.» Das SUV wiegt jetzt schon mehr als zwei Tonnen.

Theoretisch hat der RZ nach WLTP-Werten ­eine Reichweite von 404 Kilometern, wenn er auf 20-Zoll-Felgen fährt. Dieser Wert erhöht sich um 31 Kilometer, wenn 18-Zoll-Felgen montiert sind, weil der Verbrauch leicht auf rund 17 kWh/100 km sinkt. Allerdings werden diese Reichweiten nur bei  vollständiger Entladung der Batterie erreicht, sodass die im Kombiinstrument angezeigte Reichweite nie so hoch sein wird.

Da Lexus einen guten Ruf für seine Zuverlässigkeit hat (die Premium-Tochter des Toyota-Konzerns führte auch 2022 die Liste der sichersten Marken an), ist es nicht wahrscheinlich, dass dem Auto der Saft ausgeht, wenn die Reichweite auf dem Display auf null sinkt. Es gibt also vermutlich einen sehr grossen Sicherheitsspielraum. Apropos Zuverlässigkeit: Lexus garantiert, dass die Batterie auch nach zehn Jahren mindestens 70 Prozent ihrer Originalkapazität aufweist, versichert aber, dass die tatsächliche Kapazität zu diesem Zeitraum eher bei 90 Prozent liegen werde. Als maximale Ladeleistung gibt Lexus 150 kW an.

Gepflegter Innenraum

Der Innenraum des Lexus RZ unterscheidet sich von dem des BZ4X. Während im Toyota das Kombiinstrument über dem Lenkrad angeordnet ist, wird das digitale Display im Lexus durch den Lenkradkranz betrachtet – wenn es ihn gibt. Denn wer sich ab 2025 für die Steer-by-wire-Lenkung entscheidet, bekommt das flache Yoke-Lenkrad.

Lexus bietet einen angenehmen 14-Zoll-Bildschirm, der vollständig über den Touchscreen selbst bedient wird. Glücklicherweise gibt es zwei physische Drehregler, die dieser digitalen Flut widerstehen. Mit diesen lassen sich die Temperatur der Klimaanlage und die Lautstärke steuern. Die recht breite Mittelkonsole ist sehr praktisch. Sie verfügt über zwei Becherhalter, ein Induktions­ladesystem für das Telefon, den neuen Gangwahlschalter und einen grossen Stauraum unter der Armlehne. Letzterer ist umso willkommener, da Lexus das Handschuhfach einfach abgeschafft hat.

Die Verarbeitung ist im Allgemeinen gut, die meisten Kunststoffe sind geschäumt und die Materialien edel. Die Rücksitze sind bequem, die Passagiere darauf profitieren vom grossen Radstand (2850 mm) und der mehr als ausreichenden Kopffreiheit. Die geteilt umklappbare Sitzbank (60:40) ist jedoch nicht auf Schienen montiert und damit nicht variabel. Das Kofferraumvolumen beträgt 522 Liter (1451 l bei umgeklappter Sitzbank). Das ist viel besser als beim BZ4X, der nur 452 Liter bietet. Dennoch ist dies ein Wert im Mittelfeld dessen, was die Konkurrenz zu bieten hat. Das Fach verfügt über einen doppelten Boden, der beim Verstauen von Ladekabeln sehr praktisch ist.

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Reichweite bleibt das Manko

«Heute haben wir besonders schwierige Bedingungen, da es draussen fünf Grad hat. Wir verbrauchen also viel Energie, um den Innenraum zu erwärmen», warnt Yoichiro Kasai vor der Fahrt. Tatsächlich wird auf dem Kombiinstrument die Reichweite des RZ, dessen Batterie vollständig aufgeladen wurde, mit nur 270 Kilometern angegeben. Das ist zu wenig für ein SUV in diesem Segment und mit dieser Ausstattung. Glücklicherweise verflüchtigt sich dieser erste schlechte Eindruck schnell nach den ersten Kilometern, auf der Strasse ist das SUV angenehm zu fahren.

Die Reaktion des rechten Pedals ist sanft. Die Beschleunigung ist zwar deutlich, aber nie brutal, und damit ist die Traktion des Lexus RZ 450E nicht beeinträchtigt. Das von Lexus entwickelte Direct-4-System ist in der Lage, die Dreh­momentverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse variabel anzupassen. Je nach Fahrsituation kann die Dosierung zwischen Vorder- und Hinterachse in einem Verhältnis von 20:80 beim scharfen Anfahren bis zu einem Verhältnis von 75:25 bei Kurvenfahrten variieren.

Der niedrige Schwerpunkt des Fahrzeugs kommt dem Fahrverhalten zugute, weil das Fahrzeug in Kurven sehr ruhig auf der Strasse liegt. Auch an der Akustik wurde intensiv gearbeitet. So hat Lexus beispielsweise eine Dichtung um die vordere Haube angebracht. Diese verhindert, dass der Luftstrom durch die Zwischenräume unter die Haube gelangt. Im Dach, durch das die meisten störenden Geräusche in den Innenraum gelangen, haben die Ingenieure eine Isolierfolie angebracht, die Schallschwingungen dämpft. Die Front- und Heckscheiben sind aus Akustikglas gefertigt. Ausserdem verfügt der RZ über eine neue Version des Active-Sound-Control-Systems, das die Lautsprecher dazu nutzt, geräuschdämpfende Frequenzen in den Fahrgastraum abzugeben. Das Ergebnis all dieser einzelnen Massnahmen: Die Stille an Bord ist einfach königlich.

Das grösste Manko des RZ450E, den Lexus in der Schweiz ab 69 900 Franken anbietet, ist die begrenzte Reichweite, diese Schwachstelle bleibt. Kasai signalisiert jedoch für die Zukunft Besserung: «Die Berufung von Koji Sato an der Spitze des Konzerns wird die Entwicklung von Elektrofahrzeugen beschleunigen.» 

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