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Der unbekannte Auto-Gigant BYD

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Genügend Autos auf Halde: Der BYD-Konzern will dieses Jahr vier Millionen Elektroautos verkaufen, mehr als jeder andere Anbieter.

Sie sind im gleichen Alter. Doch die Welt, in die Deutschlands Autobosse hineingeboren wurden, war eine andere als die von Wang Chuanfu. Der Chinese, Chef des Autoherstellers BYD, will demnächst vier Millionen Fahrzeuge im Jahr verkaufen. Das ist etwa so viel, wie Volkswagen im vergangenen Jahr abgesetzt hat.

In Wang Chuanfus Kindheit kamen Autos kaum vor. Da gab es vor allem Armut und Terror. VW-Chef Oliver Blume dagegen hat einmal zu Protokoll gegeben, seine Jugend sei „toll“ gewesen. Ganz „normale Verhältnisse“ in Braunschweig, die Eltern angestellt im Supermarkt und in einer Bank. Der Vater des aus Heidelberg stammenden BMW-Chefs Oliver Zipse war Werksleiter bei Bosch. Der aus einem hübschen schwedischen Urlaubsörtchen stammende Daimler-Lenker Ola Källenius hat im feinen St. Gallen studiert.

der unbekannte auto-gigant byd

BYD auf der Chengdu Motor Show im August 2022

Doppelt so groß wie BMW

BYD stammt aus Shenzhen, einer Stadt in Südchina, gleich an der Grenze zu Hongkong. Gemessen am Börsenwert ist das Unternehmen doppelt so groß wie BMW und deutlich größer als Daimler und Volkswagen. Der Gigant, von dem in Deutschland bisher nur die wenigsten gehört haben dürften, ist das Lebenswerk von Wang Chuanfu. Als er im Februar 1966 in Wuhu geboren wurde, rund 400 Kilometer westlich von Schanghai, betrug in China die jährliche Wirtschaftsleistung pro Kopf 100 Dollar. Er war, wie die allermeisten Chinesen damals, das Kind von Bauern.

Der Vater von Tesla-Gründer Elon Musk hat früher eine Edelsteinmine besessen. Über die Kindheit des späteren Tesla-Gründers hat er einmal behauptet, die Familie sei so wohlhabend gewesen, „dass wir unseren Safe nicht zubekamen“.

Als Wang Chuanfu geboren wird, wütet in China die Kulturrevolution. Republikgründer Mao lässt jeden verfolgen, der im Verdacht steht, ein Bürger oder Kapitalist zu sein. Am Ende sind Millionen Menschen tot.

Mit 13 Jahren Vollwaise

Wangs Vater hält die Familie mit Holzarbeiten über Wasser. Er stirbt, als sein Sohn Chuanfu 13 Jahre alt ist. Zwei Jahre später stirbt die Mutter. Nun sind acht Kinder ohne Eltern.

Der amerikanische Aktienguru Charlie Munger hat einmal erzählt, dass es vor allem die Lebensgeschichte von Wang Chuanfu war, die ihn fasziniert hat. So sehr, dass er 2008 seinem Geschäftspartner Warren Buffet empfahl, zehn Prozent der Anteile an einem unbekannten Autobauer aus Shenzhen zu kaufen.

Die Lehre des chinesischen Philosophen Konfuzius handelt von der Wahrung der Sitten, von Loyalität und der Verehrung der Angehörigen. Wo der jüngere dem älteren Bruder Respekt entgegenzubringen hat. In Wuhu nimmt nach dem Tod der Eltern Anfang der Achtzigerjahre der ältere Bruder von Wang Chuanfu die Familienangelegenheiten in die Hand.

Unterstützt vom großen Bruder

Die fünf älteren Schwestern verheiratet er, die jüngere gibt er an Pflegeeltern weg. So stellen es später chinesische Medien dar. Wang Chuanfu ist begabt, hat aber in der Schule Probleme aufgrund der harten Zeit daheim. Er will nicht mehr lernen, sondern arbeiten, um der Familie keine Last zu sein. Doch der Bruder, selbst bereits verheiratet, glaubt an das Talent des Jüngeren. Die Ehefrau macht ihre Mitgift zu Geld, der Bruder macht einen kleinen Laden auf, damit Chuanfu weiter zur Schule gehen kann.

Der Jüngere nimmt sich vor, immer besser zu sein als die anderen, um dem Bruder später die Schuld zurückzahlen zu können. Er schafft es an die Universität in Changsha. Der Bruder und seine Frau suchen sich in der Nähe eine Arbeit, um für ihn da zu sein. Der Jüngere macht seinen Abschluss in physikalischer Chemie, arbeitet in Peking als Forscher für den Staat, langweilt sich und gründet 1995 BYD – an der Stelle, die geographisch und politisch am weitesten entfernt ist von der Hauptstadt, in Shenzhen im Süden des Landes.

Wang will wiederaufladbare Batterien produzieren. Er glaubt, dass die Japaner, die das Geschäft bisher beherrschen, sich anderen Dingen zuwenden werden. Das Startkapital, 2,5 Millionen Yuan oder 340 000 Euro nach heutigem Umrechnungskurs, hat der Bruder für ihn bei Verwandten eingesammelt. Der Hauptteil kommt von einem bereits wohlhabend gewordenen Cousin.

Heute ist der Cousin reich, sehr reich sogar. Seine Investition in BYD hat ihn zu einem der vermögendsten Männer der Welt gemacht. Die Nachrichtenagentur Bloomberg schätzt sein Vermögen auf 14,5 Milliarden Dollar. Der Bauernsohn Wang Chuanfu ist der Liste zufolge noch fünf Milliarden Dollar reicher.

Das Kürzel BYD steht für den chinesischen Namen des Konzerns, „Biyadi“. Weil der patente Wang Chuanfu irgendwann entschieden hat, der Slogan seines Unternehmens solle „Build your ­dreams“ lauten, ist heute oft zu lesen, der Firmenname sei ein Akronym aus den Anfangsbuchstaben des Satzes mit den Träumen. In Berichten aus Deutschland zum Beispiel, wo bis vor Kurzem kaum jemand wusste, dass BYD auf der Welt inzwischen mehr Elektrofahrzeuge verkauft als Tesla. Oder dass die Chinesen nun auch den Markt im Mutterland des Autos aufzurollen gedenken.

Wer Chinas Angriff auf die deutsche Autoindustrie live erleben will, der kann für 60 Euro am Tag den BYD-SUV „Atto 3“ mieten. Die Batterie verspricht 420 Kilometer Reichweite, der Elektromotor eine Beschleunigung von null auf hundert Stundenkilometer in 7,3 Sekunden. Der Bildschirm in der Mittelkonsole lässt sich von der Horizontalen in die Vertikale drehen und zeigt beim Einparken per Rundumkamera die Umgebung an.

Werbeeffekt durch Sixt

Zu mieten gibt es das Ganze derzeit zum Beispiel im Münchener Stadtteil Schwabing bei Sixt. Als der Autoverleiher im Oktober bekannt gab, er wolle 100.000 E-Autos von BYD kaufen, hörten viele Deutsche den Namen der Marke zum ersten Mal. Sixt hat mit der Elektrifizierung der Automobilindustrie lange gefremdelt, der Unternehmensgründer dem E-Auto keine Zukunft vorausgesagt. Inzwischen führen die Söhne das Unternehmen. Umfragen haben ergeben, dass die Deutschen gerne E-Autos mieten wollen, um sich an die neue Antriebsform zu gewöhnen. Nun will Sixt in sieben Jahren seine Flotte bis zu 90 Prozent elektrisch machen. Deutsche Hersteller können auf die Schnelle wegen des Chipmangels nicht liefern. Zudem kommen die Modelle von Daimler, Audi und BMW, die auf reinen E-Auto-Plattformen beruhen, erst in zwei Jahren. BYD soll die Lücke schließen.

Die 100 000 E-Autos stellen die Chinesen dem deutschen Verleiher nicht auf einmal vor die Tür. Die BYD-Fahrzeuge sind maximal ein Jahr im Dienst und fließen eher tröpfchenweise in die Flotte ein, wo sie laut Unternehmensangaben gerade mal ein Prozent der Fahrzeuge ausmachen sollen. Der Werbeeffekt ist trotzdem stark: Sixt gibt sich mit den als „spannend“ beworbenen China-Vehikeln weltoffen, während BYD darauf hoffen darf, dass die Mieter später einmal zu Käufern werden.

Verkaufen will BYD in Deutschland in großem Stil. Schon 2026 wollen die Chinesen hierzulande 120.000 E-Autos absetzen und damit zehn Prozent des Markts erobern. Ein ehrgeiziges Ziel, auch wenn die Zahl im Vergleich zu der Menge, die das Unternehmen in der Heimat verkauft, kaum ins Gewicht fällt. 1,85 Millionen elektrisch angetriebene Fahrzeuge hat BYD im vergangenen Jahr insgesamt verkauft, drei Mal so viel wie im Jahr zuvor. 2023 müssten es vier Millionen werden, soll Gründer Wang Chuanfu seinen Leuten eingeschärft haben. In Schanghai berichten Mitarbeiter des Autozulieferers Bosch, BYD habe die Bestellung von Lenksystemen eben mal verzehnfacht und sei nun einer der besten Kunden des deutschen Zulieferers. Trotzdem ist das angepeilte Wachstum angesichts der Prognose, dass in China dieses Jahr insgesamt 10 Millionen Vehikel mit Elek­tro­motor verkauft werden, eine Herausforderung.

Will Warren Buffet seine BYD-Papiere loswerden?

Elon Musk hat den Fehler gemacht, die Chinesen zu unterschätzen. Als der Tesla-Chef 2011 im Nachrichtensender Bloomberg auf die Konkurrenz aus Shenzhen angesprochen wurde, brach er wiederholt in Gelächter aus. „Haben Sie ihr Auto gesehen?“, fragte Musk. „Hahahahaha.“ Die Chinesen hätten „kein gutes Produkt“. Da helfe es auch nichts, dass ein BYD auf der Investorenkonferenz von Berkshire Hathaway gezeigt worden sei, dem Unternehmen von Amerikas Aktienpapst Warren Buffet.

Wie es dazu kam, ist einen eigenen Absatz wert. Nachdem ihm sein Partner Charlie Munger gesagt hatte, BYD-Gründer Wang Chuanfu sei wie „Thomas Edison und Jack Welch in einer Person“, schickte Buffet einen Vertrauten nach Shenzhen, der ihm offensichtlich viel Gutes über das Batterieunternehmen berichtete, das inzwischen auch Autos baute. Kurz nach dem Fall der Lehman-Bank kaufte Buffet für 232 Millionen Dollar zehn Prozent der Anteile an dem Unternehmen. Noch mehr Geld wehrte Wang ab. Im vergangenen Jahr war der Anteil über acht Milliarden Dollar wert.

Nachdem Buffet 2022 einen geringen Teil seiner Aktien wieder auf den Markt geworfen hatte, sank der Börsenkurs von BYD prompt. Hartnäckig halten sich Gerüchte, das „Orakel aus Omaha“ wolle alle seine BYD-Papiere loswerden. Warum Buffet das tun sollte, ist indes nicht schlüssig.

An Tesla vorbeigezogen

Elon Musk lacht über die Chinesen jedenfalls schon länger nicht mehr. Er musste die Preise für seine Teslas in China gerade um 13 Prozent senken. Weltweit hat BYD die Amerikaner beim Verkauf der meisten E-Autos überholt.

Auch in Deutschland sollen jetzt viele neue Modelle aus Shenzhen auf den Markt kommen. Wie der „Seal“, eine schicke Limousine, die Teslas Model 3 mit Kampfpreisen Konkurrenz machen soll. Im Internet sind die Kommentare vieler Nutzer angesichts von Design und Technik euphorisch. Besonders die Batterie, die BYD als drittgrößter Batteriefabrikant der Welt selbst ausgetüftelt hat, gilt als Geniestreich. Der Preis, der in China bei umgerechnet 30.000 Euro liegt, könnte in der Bundesrepublik indes deutlich höher ausfallen.

Ein Unternehmen, das Träume bauen will, darf dennoch groß denken, besonders wenn es aus China stammt. Buffetts Kompagnon Munger, der sonst am liebsten alles kleinredet, holt im Fall von Wang Chuanfu ganz groß aus: Was der Bauernsohn aus Wuhu ge­schaffen habe, das sei ein „verdammtes Wunder“.

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