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Der Eintakter aus Spanien

Innengine hat aus einem Jugendtraum einen funktionierenden Motor gemacht. Der Gegenkolbenmotor e-Rex arbeitet als 1-Takter und ohne Kurbelwelle.

Der Eintakter aus Spanien

In diesem Artikel:

Das Wort Zweitakter weckt Erinnerungen. Ohren und Nase fangen chancenlos an zu klingeln und zu jucken, wenn das Hirn an die Ölbrenner alter Tage denkt. Und für manche war und ist der Zweitakter das höchste Gut des Hubkolbenmotors. Doch es geht mit noch weniger Takten. Die Definition eines Zweitakters ist: Ein kompletter Umlauf oder ein Arbeitsspiel währt eine Kurbelwellenumdrehung. Durch die im Vergleich zum Viertakter doppelt besetzten Takte zündet ein Zweitakter pro Umdrehung einmal, ein Viertakter braucht pro Zündung zwei Umdrehungen.

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Der Gegenkolbenmotor von Innengine ist durch das Verhältnis von Zündungen und Umdrehungen ein 1-Takter, da er pro Arbeitsspiel nur eine halbe Umdrehung braucht. Er zündet also doppelt so oft wie der Zweitakter und vier Mal so oft wie ein Viertakter. Rechnerisch zündet er alle 180 Grad Kurbelwellenwinkel. Theoretisch, denn eigentlich hat der e-Rex-Motor gar keine Kurbelwelle.

Die Rettung des Verbrenners(?)

Gegenkolbenmotoren waren beim Motorrad nie verbreitet. Einzig DKW setzte diese Bauweise 1950 mit Kompressoren im Rennsport ein. Heute taucht er beim Auto immer mal wieder als Retter des Verbrenners auf, mit ungefähr dem gleichen langlebigen Erfolg wie in der DKW. Das Problem dieser Bauweise: Die gegenläufigen Kolben brauchen zwei Kurbelwellen oder eine Umlenkung auf eine Kurbwelle. Beides benötigt Bauraum und vor allem einen Massenausgleich. Trotzdem waren solche Triebwerke vor allem in den 1930er- bis 1960er-Jahren beliebt als Schiffs- oder Flugzeugmotoren und in den meisten Fällen als Zweitakter.Im Gegenkolbenmotor teilen sich zwei Kolben einen Brennraum, die gegenläufig ihren Hub ausführen. Sie brauchen keine aufwändige Ventilsteuerung oder Zylinderköpfe, was den Hauptvorteil darstellt. Die Brennraumoberfläche ist gering, was einen höheren thermischen Wirkungsgrad ergibt und eine sehr vollständige Spülung des Brennraums von Abgasen ohne Spülverluste. Zugleich ist das der größte Nachteil dieser Bauweise: Die Auslasssteuerung ist einer sehr hohen Abgastemperatur ausgesetzt.
Allerdings glänzt der Motor mit einem sehr gleichmäßigen und hohen Drehmoment, das entgegen üblichen Zweitaktern über den Füllgrad bestimmt wird und nicht über die Drehzahl. Wesentliche Nachteile sind die Baugröße des Gehäuses und die hohe mechanische Komplexität, da entweder zwei Kurbelwellen eingesetzt werden oder eine Umlenkung nötig ist, was dem Gegenkolbenmotor meist das Aus einbrachte. Und genau bei der Zahl der Kurbelwellen setzt nun Innengine an.

Vier Zylinder mit acht Kolben und keine Kurbelwelle

Innengine setzt gar keine Kurbelwelle ein, sondern zwei Nockenscheiben. Die Kolben übertragen die Kraft über eine Führungsnut direkt auf die Scheibe und drehen sie. Die Nockenscheiben laufen synchron, sind über eine innenliegende Welle verbunden und wirken so direkt auf die Antriebswelle. Da alle Kolben synchron laufen und je zwei Brennräume um 180 Grad versetzt zünden, hat der Motor einen äußerst gleichmäßigen Lauf.

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Dabei zündet jeder Brennraum pro Umdrehung zweimal. Die angesaugte Luft wird per Direkteinspritzung zu zündfähigem Gemisch, die Kolben auf der Auslassseite geben auf dem Weg zum unteren Totpunkt Schlitze frei, über die das expandierte Gas entweicht. Durch diesen Unterdruck im Brennraum wird über vom Kolben der Einlassseite freigegebene Schlitze Luft angesaugt. In dieser Zeit dreht sich die Nockenscheibe nur um 180 Grad. Beide Kolben verdichten auf dem Weg in Richtung oberen Totpunkt die Luft, Kraftstoff wird in Taschen in den Kolben direkt eingespritzt und gezündet. Die Nockenscheibe dreht zwischen zwei Zündungen nur um 360 Grad, was den 1-Takter als Prinzip ergibt.

Variable Verdichtung

Beim normalen Hubkolbenmotor ist die Verdichtung der goldene Schlüssel zum Wirkungsgrad: Je höher, desto besser. Allerdings nur bei hohen und höchsten Drehzahlen sind hohe Verdichtungsverhältnisse am wirksamsten. Bei Teillast, also unvollständiger Füllung, liegt nie die maximale Verdichtung an. Entsprechend gab es viele Versuche, die Verdichtung variabel zu gestalten – alle ohne echten Erfolg.

Innengine nutzt den aufwändigen und zugleich einfachen Motoraufbau und kann die variable Verdichtung umsetzen. Dazu drehen die Spanier eine Nockenscheibe, verkürzen den Weg der Kolben zueinander – simulieren ein längeres Pleuel -, verkleinern so den Brennraum und erhöhen damit die Verdichtung. Umgekehrt erhöhen sie die Ansaugzeit, wenn die Scheibe zurückgedreht wird. Im Prinzip kombiniert Innengine eine variable Verdichtung mit einer variablen “Steuerzeit”.

Rangeextender mit Wasserstoff

Innengine hat den e-Rex getauften Motor für den Einsatz im Auto konzipiert. Er agiert als Rangeextender mit einem direkt angeflanschten E-Motor, da beide Motoren ihre Kraft direkt als eine Drehbewegung erzeugen. Der e-Rex braucht also keine Transmission zwischen E-Motor und Rangeextender, was Gewicht und Bauraum spart. Der e-Rex wäre um 55 Prozent kleiner und 70 Prozent leichter als vergleichbare Verbrenner mit 2.000 Kubik, und zusammen mit der Universität von Valencia arbeite man derzeit an der Euro-7-Norm. Durch die Direkteinspritzung ist der Einsatz von Wasserstoff als Kraftstoff möglich. Im Vergleich: Der e-Rex mit 700 Kubik erzeugt ungefähr die Kraft eines konventionellen Saugmotors mit 2.000 Kubik. Und das klärt: Innengine möchte den Verbrenner in seiner aktuellen Form gar nicht retten, sondern die Elektrifizierung erleichtern, da der Gegenkolbenmotor und eine E-Maschine die gleiche Arbeitsrichtung haben.

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Fazit

Da ist er wieder, der Gegenkolbenmotor, der “Retter des Verbrenners”. Der Hubkolbenmotor versteht es einfach, sich in exotischsten Bauformen am Huben zu halten. Wobei das Konzept von Innengine einige Nachteile des Gegenkolbenmotors sehr geschickt zu vermeiden weiß. Und der e-Rex möchte den Verbrenner gar nicht retten, sondern die Elektrifizierung erleichtern. Als Rangeextender mit wenigen bis keinen Vibrationen bietet er mit wenig Gewicht Reichweite, wo sonst schwere Batterien nötig sind. Problem: Irgendetwas muss der e-Rex verbrennen. Fossiles Benzin soll es nicht sein, und Wasserstoff sollte es auch nicht sein, selbst wenn der “grün” ist.

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