Sport & Szene

„CBX, sonst nix!“

Die erste Million ist immer die schwerste. Jürgen Hereth hat sie auf seiner CBX Pro Link geschafft. Seit 1986 ist er auf seiner Sechszylinder-Honda von 1983 unterwegs. Wir stellen euch Mensch und Maschine vor.

Endlich Millionär! Jürgen Hereth geht’s dabei nicht um den Konto-, sondern um den Kilometerstand. Ein echtes Glanzstück, diese CBX, eine Schönheit auf Rädern − wuchtig, aber elegant. Eine Million Kilometer? Sieht man ihr nicht an. Für Jürgen ist es echte Liebe: “Schau hi’, wie’s dahsteht, einfach geil! Wenn sie so frisch poliert in der Sonne glänzt, könnte ich sie stundenlang anschauen.” Er nennt sie zärtlich “mein Baby.” Riesen-Baby, oder? Nun, Jürgen ist ein großer, kräftiger Mann, ein Hüne, das Paar passt perfekt zusammen. Er beherrscht das schwere Motorrad, rangiert sein Sechszylinder-Trumm, als wenn es ein Spielzeug wäre. Stets bockt er es auf, benutzt fast nie den Seitenständer. Das Motorrad macht ihm eine “Riesen-Gaudi.”

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Zusammen werden sie 100

Jürgen war und ist eine echte Motorrad-Persönlichkeit, ein schwarzer Ritter auf seinem Stahlross: Er fährt immer in Cowboy-Stiefeln und schwarzem Leder − sogar im Dauerregen: “Wenn ich nass werde, werde ich auch wieder trocken”, erklärt er. Wenn er anhält, kramt er seinen klappbaren Hut unter der Lederjacke hervor. Und freut sich über “300 Kilogramm Heavy Metal.” Jürgen hat eine echte Schraube im Kopf − was er als Kompliment sieht.

Im Januar 2023 wird Jürgen 60, das Motorrad im selben Jahr 40. Zusammen sind sie dann 100. Stolz schmeißt er den Sixpack nochmal an. Der Leerlauf des Reihensechszylinders ist dank perfekten Massenausgleichs und penibler Einstellung herrlich gleichmäßig und geschmeidig. Man kann die Faszination verstehen. “CBX und sonst nix!” lautet Jürgens Wahlspruch. Wohl nur rund 400 Honda CBX Pro Link kamen 1981 nach Deutschland. Die Sechszylinder, 1978 noch eine Sensation, waren bereits überholt. Einen Zentner leichtere und dabei in Anschaffung wie Unterhalt deutlich günstigere Vierzylinder-Big-Bikes à la Suzuki GSX 1100 oder Yamaha XJ 900 F boten ebenbürtige, ja bessere Fahrleistungen. Für Jürgen aber war, ist und bleibt seine CBX SC 06 sein “Draum-Modorrad”, seit er sie 1986 gekauft hat. Es ist ein spätes Exemplar, 1983 zugelassen. Nur rund 6.000 Kilometer hatte es den in drei Jahren, bis Jürgen kam, abgespult. Das sollte sich in den folgenden 36 Jahren gründlich ändern.

Zelt ist stets dabei

Seit Herbst 1979 arbeitet der Nürnberger bei MAN. Hier lernte er Kessel- und Behälterbau, arbeitete als Stahlbauschlosser, CNC-Facharbeiter und Logistiker. Auch sich selbst blieb Jürgen immer treu. Urlaube? Verbringt er natürlich auf und mit der CBX, hat stets ein Zelt dabei. Nach Schottland, Irland und Schweden zog es ihn, nach Frankreich und Spanien, in die Niederlande und ans Nordkap. Bereits drei Mal war er auf der Isle of Man, 1996, 1997 und im Jahr 2000. Der Ex-Roadie einer Band ist glühender Fan von Marc Márquez.

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Zwar schwellt der Motor seiner Honda stolz die Brust, doch misst der Sechszylinder nicht mal 60 Zentimeter Breite. Jeder Zweiventill-BMW-Boxer ist gut 15 Zentimeter breiter. Dazu verwöhnt der Six-Pack mit gehobener Akustik aus der Sechs-in-zwei-Anlage, schnurrt wie ein Kätzchen. Der Sound ist sonor-dumpf-tieffrequent, unaufdringlich, aber satt. Da sind sich Mensch und mächtige Maschine wieder ganz ähnlich, ruhen in sich selbst. Der fauchende Grundton beim Losfahren (“Wrrroouumm”) erinnert an einen 330er-BMW, ohne jemals prollig zu werden.

„cbx, sonst nix!“ Tyson Jopson

Der “Highlander”, wie Jürgen Hereth sich auch nennt, hart im Nehmen wie die Bewohner der schottischen Highlands.

“Ich habe keine Wohnung, ich habe ein Ersatzteillager”

Teile für den nicht so häufigen Oldtimer zu beschaffen, ist eine Herausforderung. Manchen Ersatz kann man noch kaufen, etwa beim Six Center in Holland. Jürgen hortet Teile: “Ich habe keine Wohnung, ich habe ein Ersatzteillager.” Unterm Bett liegt noch eine nagelneue Originalauspuffanlage für den Fall des Falles. Wartung? Übernimmt Jürgen komplett selbst. “Ich kenne jede Schraube.” Alle 12.000 Kilometer kontrolliert er die 24 Ventile. “Mittlerweile bleiben die Werte konstant.” 5,5 Liter frischen Schmierstoff samt Filter spendiert er dem Sechszylinder alle 6.000 Kilometer. 6,5 bis 7,0 Liter Benzin im Schnitt nimmt sich der 1050er-Reihensechser auf 100 Kilometer. Nicht zu viel. Auf die Laufleistung gerechnet summiert sich das allerdings auf 65.000 bis 70.000 Liter Sprit.

Manchmal wünscht sich Jürgen “ein bisschen mehr Power”. Doch das ginge auf Kosten der Haltbarkeit. Motortuning kommt deshalb nicht in Frage. Allerdings nutzt er Vergaserbatterie und Einlassnockenwelle aus dem Urmodell CBX CB1 – “die hatte 105, nicht kastrierte 100 PS.” Die Lichtmaschine baute der Selfmade-Schrauber auf die stärkere, länger haltbare einer Kawasaki ZX-9R mit 320 statt 230 Watt um. Um die Funken kümmern sich eine Hallgeber-Zündanlage, Iridium-VX-Kerzen und rote NGK-Silikon-Zündkabel.

„cbx, sonst nix!“

Die ganze Geschichte gibt es auf 8 Seiten in MOTORRAD Classic 1+2/2023, die aktuell am Kiosk liegt. Oder online bestellt/runtergeladen werden kann (link ganz unten im Text).

Vier Milliarden Umdrehungen

Eine Million Kilometer sind eine ungeheure Beanspruchung für den Motor. Bei einer angenommenen Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 km/h und einer durchschnittlichen Drehzahl von 4.000/min ist die Kurbelwelle sagenhafte vier Milliarden Mal um sich selbst rotiert. Ganz abgesehen vom Auf und Ab der Kolben und Ventile. Da kann einem schwindelig werden.

Was Jürgen an der Honda noch alles optimiert hat, wie oft er sie komplett neu aufbauen musste, warum beide aus Portugal ausgeflogen werden mussten, warum er keine Heizgriffe möchte und wann er aufs Fahrrad steigt und wann auf seine XR 250 RF – lest ihr alles auf 8 Seiten in MOTORRAD CLassic 1+2/2023, hier digital oder gedruckt erhältlich.

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