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BMW M2 (2023) im Prototypen-Test: Jetzt auch mit Traktion

Er wird der letzte unelektrifizierte M. Was kann der noch getarnte Baby-M4 auf dem Salzburgring?

bmw m2 (2023) im prototypen-test: jetzt auch mit traktion

Es muss absolut fürchterlich sein, einen Nachfolger für dieses Auto zu entwickeln. Jeder, und ich meine wirklich jeder, liebt den M2. Der Garchinger Pitbull ist eigentlich zu schön um wahr zu sein. Er sieht aus wie ein fahrender IFBB-Contest, er vernichtet mehr Gummi als ein olympisches Dorf während der Spiele und er bietet 410 PS für knapp über 60.000 Euro.

Er ist sowas wie der heilige Gral der Autoenthusiasten. Kompakt, zwei Türen, sehr sehr heckgetrieben, auf Wunsch mit drei Pedalen zu haben und vergleichsweise bezahlbar. Chris Harris hat zwei Stück gekauft. Mehr Ritterschlag geht eigentlich nicht.

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Wie in aller Welt soll man die zweite Generation also begehrenswerter machen? Nun, zum einen geht das natürlich über die Optik. Wir finden ja schon die normalen Versionen des neuen 2er Coupés in dieser Hinsicht ziemlich gelungen. Der M2 (interner Code: G87) dürfte das Ganze massiv auf die Spitze treiben.

Ich kann mir ein verschmunzeltes “Whoa” jedenfalls nicht verkneifen, als ich die beiden Prototypen sehe, die gerade noch faul in der Box des Salzburgrings dösen. Auf den bisherigen Erlkönigbildern kommt das gar nicht so richtig rüber, aber das Auto ist comichaft breit und kantig. Es wird auf jeden Fall eckiger – die Kotflügel zelebrieren irgendwas zwischen E30 M3 und aktuellem Audi RS 6. Um stattliche sechs Zentimeter wird die M-Version seitlich anschwellen. Die Frontschürze sieht auch mit Tarnfolie angsteinflößend aus. Dazu kommen hinten die vier dicken Endrohre vom M3/M4. Ich könnte mir vorstellen, das wird ziemlich gut.

Geschrumpfter M4

Apropos M3/M4: Die Technik – etwa Fahrwerk, der 3,0-Liter-Biturbo-Reihensechser (S58) und die Brake-by-Wire-Bremse (380mm-Scheiben und 6-Kolben-Sattel vorne, 370mm-Scheiben hinten) – stammt komplett von den großen Geschwistern, wird hier nur in eine gedrungenere Hülle gestopft. Auch die Spurweiten sind nahezu identisch, allerdings kommt der M2 mit elf Zentimeter weniger Radstand aus. Das wird ihn giftiger und lebendiger machen, wenn auch nicht ganz so giftig und lebendig wie den Vorgänger.

Dem gegenüber wächst der Abstand zwischen Vorder- und Hinterrädern nämlich um 54 Millimeter. Außerdem kriegt er deutlich breitere Schlappen. Die kommen ebenfalls vom M4 und messen nun 275/35/19 vorne und 285/30/20 hinten. Bisher wuselte und rutschte der M2 auf 245er und 265er 19-Zöllern durch die Gegend.

Eine Differenzierung zu M3/M4, sagt mir M2-Fahrdynamiker Sven Esch, wollte man vor allem über ein willigeres Einlenkverhalten aufbauen. “An der Vorderachse haben wir deswegen die Feder ein bisschen härter gemacht, an der Hinterachse dafür etwas weicher. Damit kriege ich eine schnellere Eindreh-Tendenz beim Einlenken. Zur Kompensierung, damit das nicht zu lose wird, verwenden wir hinten den Dämpfer des kommenden M3 Touring. Der kann höhere Dämpfkräfte entwickeln und macht die Hinterachse wiederum etwas fester.”

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Parameter wie ESC-Steuerung, die elektronische Hinterachssperre und die Lenkung wurden entsprechend, vor allem hinsichtlich des kürzeren Radstandes, angepasst. Wobei die Lenkübersetzung gleich bleibt.

Was die Leistung betrifft, lässt die M GmbH die Katze nur so halb aus dem Sack. “Auf M2 CS-Niveau” gibt man mir beim Vorab-Termin immerhin mit auf den Weg. Das wären dann 450 PS. Übrigens und nur so ganz nebenbei: Dieser M2 wird ziemlich sicher der letzte vollwertige M sein, der komplett ohne Elektrifizierung auskommt. Hat ja auch was irgendwie.

Eine Allrad-Variante wird es nicht geben. Neben der ZF-8-Gang-Automatik dürfen sich die Fans aber auch wieder über einen 6-Gang-Handschalter freuen. “Beim Vorgänger kamen wir da weltweit auf eine Quote von 25 Prozent, beim M2 CS waren es sogar 50 Prozent”, sagt Projektleiter Markus Schröder.

Stabiler und “erwachsener”

Das Speed-Dating mit den beiden Vorserien-M2 findet heute ausschließlich auf der Rennstrecke statt. Je vier Runden mit Handschalter- und Automatik-Version auf dem österreichischen Hochgeschwindigkeits-Oval.

Zum Start gibt es drei Pedale und einen Stock. Was direkt auffällt: Man rutscht tiefer rein ins Gefährt. Die Sitzposition ist ein paar Zentimeter nach unten gewandert. Das hilft ungemein, denn wenn ich mich recht entsinne, saß man im Vorgänger ein bisschen zu sehr drauf als drin.

Der Salzburgring mit seinen unendlich ausladenden Rechtskurven ist nicht unbedingt die optimale Umgebung, um die ganze fahrdynamische Bandbreite des Autos auszuloten, aber einen Testzweck (sicher nicht ganz uneigennützig) erfüllt er mit Bravour: Man erkennt recht schnell, dass die Fuhre weitaus besser klebt als bisher.

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Die Vorderachse mit den deutlich breiteren Puschen ist enorm agil, führt aber bombenfest. Die Lenkung ist gewohnt hibbelig, lässt in den langen, kräftezehrenden Biegungen das Limit aber schön erkennen. Ein weitaus größerer Sprung ist jedoch an der Hinterachse gelungen. Wer den letzten M2 Competition und/oder M2 CS noch vor Augen hat, weiß, dass das Heck lieber mit guter Laune als mit hochseriösem Grip-Gebaren um sich warf.

Jetzt ist in allen Lagen ein erhebliches Traktionsplus zu attestieren. Selbst wenn du den Pinsel beim Rausbeschleunigen überschwänglich schon ein bisschen arg früh in den Boden rammst, geht der M2-Hintern nicht auf die Tanzfläche, sondern bleibt überraschend stoisch auf Kurs. Beim Vorgänger musstest du das Gaspedal ja nur anschauen …

Gleiches gilt in den beiden engen Schikanen der Strecke. Selbst wenn der Bremspunkt etwas arg optimistisch gewählt wurde und der Zug am Volant daher etwas panischer ausfällt, macht das Auto keinen Schabernack und bleibt erstaunlich stabil. Gleiches gilt für hartes Anbremsen nach den beiden langen Geraden, wo ja gut und gerne mal über 240 Sachen auf dem Tacho stehen.

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Ob dieses “erwachsenere” (so ein ausgelutschter Begriff), weniger halodriöse Fahrverhalten abseits der Rennstrecke zu Spaßeinbußen führt, weil man mehr Geschwindigkeit benötigt, um das Auto aus der Komfort- in die Spiel-Zone zu zwingen, werden wir später herausfinden müssen.

Auf dem Track jedenfalls macht der Neue einen überaus kompetenten Eindruck. Nicht nur, weil er – ich erwähnte es – besser gript. Nein, auch weil er seine Karosseriebewegungen besser im Griff hat. Da torkelte man bisher bei ambitionierten Richtungswechseln ja schon ein bisschen in der Weltgeschichte umher. Nun windet und kurvt sich der M2 gefühlt neigungsärmer und weniger wild durchs Leben.

Außerdem scheint die Bremse besser zu halten. Beim inzwischen ausgelaufenen M2 Competition konnte das Pedal auf der Strecke durchaus mal weich werden. Hier war davon gar nix zu spüren. Auch das Bremsgefühl ist – trotz elektronischer Verbindung – top.

Selber schalten oder besser performen?

Bliebe noch der Antrieb, der es auch in dieser Konstellation nicht an schneller Gasannahme, Durchzug und Drehlust vermissen lässt. Wir müssen ja davon ausgehen, dass der M2 dank M4-Knochenbau ein leidlich adipöser Geselle wird, der es gut und gerne auf 1.700 Kilo oder mehr bringen könnte. Nichts Genaues hat BMW noch nicht verkündet.

Brachial genug fühlt er sich im Vorwärtsdrang allemal an, da muss man sich keine Sorgen machen. Wobei auch hier wieder ein Phänomen auftritt, dass wir bereits bei M3/M4 zwischen den Varianten mit Schaltgetriebe und ZF-Autobox ausfindig machen mussten. Der Handschalter wird nicht nur auf dem Papier langsamer sein, er fühlt sich auch so an.

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Es mag, wie wir bereits beim Test des handgerissenen M4 analysierten, an der recht langen Übersetzung liegen. Jedenfalls vermittelt das Auto mit der 8-Gang-Box deutlich mehr Aggressivität, Spontanität und letztlich auch Performance.

Das Schaltgefühl selbst ist typisch BMW: eher langer Pedalweg, recht kurze Schaltwege mit etwas gummigem Einrastpunkt. Für mich persönlich kein explizites Highlight, aber das ist sicher Geschmackssache. Genauso, wie viele Fans des puren Fahrens ein paar Prozent Performance nur all zu gern gegen das Gefühl ehrlicher Hand- und Fußarbeit eintauschen werden.

Was kommt noch, wann und wie viel?

Was den professionellen Autor ausmacht, ist, dass er erst zum Ende merkt, was er noch vergessen hat. Dass der M2 das große Doppeldisplay für Instrumente und Infotainment bekommt zum Beispiel. Da dürften die normalen 2er Coupés auch bald nachziehen.

Dazu kommen diverse weitere Optionen aus dem M4. Da wären zum einen die knallharten Carbon-Schalensitze (die berüchtigte Testikel-Abladezone ist noch immer vorhanden), die noch tiefer im Auto (gut) und darüber hinaus wie ein Schraubstock sitzen, aber auf Dauer nicht wirklich bequem sind (weniger gut). Außerdem kriegt der Baby-M die 10-stufige Traktionskontrolle. Und das automatische Zwischengas beim Handschalter funktioniert nun auch, wenn man das ESP ausschaltet.

Wenn Sie jetzt gedacht haben “Ja mega, der Motor1.com hat die Bude schon gefahren, da kann das mit dem Marktstart ja nicht mehr so lange dauern”, dann liegen Sie leider komplett daneben. Bis April 2023 müssen sich die Freunde der heißen Garchinger Kompaktware noch gedulden. Vom Band läuft der M2 in Mexico. Zu den Preisen können wir natürlich auch noch nichts sagen. Es würde uns allerdings nicht wundern, wenn der Einstieg eher so in Richtung 70.000 Euro tendiert.

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