BMW

Test

BMW i4 schon gefahren: Model-3-Gegner im Vorserien-Test

eDrive40 und M50 sind fahrdynamisch eine Wohltat, so richtig nach BMW fühlen sie sich aber nicht an

bmw i4 schon gefahren: model-3-gegner im vorserien-test

Denken Sie mal wirklich weit zurück. Und dann noch ein bisschen weiter. Aber vermutlich werden Sie nicht viele BMW Limousinen finden, die dafür gehasst wurden, wie sie fahren. Das ist halt so das Ding bei den Münchnern. Das Fahrerlebnis muss passen. Die Emotionalität.

Das Problem ist: Das Fahrerlebnis ändert sich gerade so stark, wie es zuletzt beim Umstieg von Hufen auf Räder der Fall war. Und das mit der Emotionalität ist jetzt auch nicht so einfach, wenn plötzlich alles so furchtbar leise ist.

Auf der anderen Seite ist BMW ja inzwischen sowas wie der Veteran der Elektromobilität, auch wenn nach dem i3 und dem i8 gefühlt sehr viel Vorsprung verschludert wurde. So richtig ernst wird es aber erst jetzt. Die E-Offensive läuft auf Hochtouren. Das SUV iX3 ist auf dem Markt, der etwas *räusper* eigenwillige Crossover iX kommt ebenfalls in Kürze. Und dann ist da noch der neue i4. Nennen Sie ihn Limousine oder Gran Coupé oder wie auch immer, aber sein Segment, das ist die Herzkammer von BMW, da muss gezeigt werden, wer künftig den Hut auf hat.

bmw i4 schon gefahren: model-3-gegner im vorserien-test bmw i4 schon gefahren: model-3-gegner im vorserien-test

Entsprechend setzt es beim Vorab-Termin im Maisacher Entwicklungszentrum auch gleich die ersten Spitzen gegen die Konkurrenz. “Nur schnell geradeaus beschleunigen, das reicht nicht bei BMW”, heißt es in der Präsentation. Und der enthusiastische Projektleiter David Ferrufino verleiht seinem Baby dann auch gleich den üblichen BMW-Nimbus der “Ultimate Driving Machine”.

Die Anlagen dafür könnten wahrlich schlechter sein. Auch wenn es mit dem Baukasten durchaus ein wenig kompliziert ist. Grundsätzlich basiert der i4 auf dem 3er und 4er. Er sieht ja auch aus wie die SciFi-Version des kommenden 4er Gran Coupé. Allerdings sind die Doppelquerlenker-Vorderachse und die Mehrlenker-Hinterachse schon recht stark auf die geänderten Rahmenbedingungen angepasst.

Beide sind zum Beispiel fest mit dem Batteriegehäuse verschraubt, was einen Haufen Extra-Steifigkeit zur Folge hat. Außerdem wächst die Spur im Vergleich zum 3er in die Breite (vorne 26 Millimeter, hinten 12 Millimeter) und das Auto verfügt über einen wesentlich niedrigeren Schwerpunkt. 51 Millimeter sind es beim eDrive 40, 37 Millimeter beim M50. Die hubabhängigen Dämpfer übernimmt der i4 von seinen Verbrenner-Geschwistern. Hinten allerdings ist eine Luftfederung serienmäßig.

Zum Marktstart des i4 stehen zwei Modellvarianten zur Auswahl. Der eDrive40 mit einem Elektromotor hinten, einer Leistung von 340 PS und 430 Nm, “klassischem” Heckantrieb und einem Stromverbrauch nach WLTP von 16 bis 20 kWh/100 km. Vorläufiges Spitzenmodell ist der i4 M50 mit je einem E-Motor vorne (190 kW) und hinten (230 kW), einer maximalen Leistung von 544 PS und 795 Nm, elektrischem Allradantrieb und einem WLTP-Verbrauch von 19 bis 24 kWh/100 km.

Sollten Ihnen diese Verbrauchswerte vergleichsweise niedrig vorkommen, dann weil sie es auch sind. BMW verweist nicht ohne Stolz auf seine eDrive Antriebstechnologie der fünften Generation. Diese Antriebseinheit integriert Elektromotor, Leistungselektronik und Getriebe in einem gemeinsamen Gehäuse. Dieses Konstruktionsprinzip ermöglicht eine im Vergleich zu früheren Elektroantrieben um rund 40 Prozent höhere Leistungsdichte. Die von BMW in Eigenregie entwickelten Elektromotoren weisen in ihrer jüngsten Ausführung einen Wirkungsgrad von 93 Prozent auf. Außerdem verzichten sie auf Magneten und seltene Erden.

Die eDrive Technologie umfasst im i4 auch eine ziemlich raffiniert aufgebaute Hochvoltbatterie. Damit sie die “Coupé”-Form nicht zerstört, ist sie lediglich 110 Millimeter hoch. Sie besteht aus 811 prismatischen Zellen (die CO2-frei hergestellt werden) und hat einen Brutto-Energiegehalt von 83,9 kWh. Damit sind laut Hersteller im schwächeren eDrive40 bis zu 590 Kilometer Reichweite drin, im M50 sind es bis zu 510.

Sie sehen schon, das sind Werte, mit denen man eher Tesla auf den Geist geht. Mercedes und Audi haben in diesem Segment ja noch keinen direkten Konkurrenten, aber deren bisherige Erzeugnisse wie der EQC oder ein E-Tron schaffen deutlich weniger.

Gleichstrom kann mit einer Leistung von bis zu 200 kW geladen werden. So lässt sich der Ladezustand der Batterie in rund 30 Minuten von 10 auf 80 Prozent erhöhen. An der heimischen Wallbox soll das Auto mit 11kW in 8,5 Stunden voll sein.

Zum Full-Service-Konzept gehört auch die BMW Charging Card, mit der etwa an einer Ionity-Ladesäule beim AC-Laden ein kWh-Preis von 33 Cent garantiert wird. Beim DC-Laden sind es 35 Cent. Außerdem verspricht BMW eine sogenannte Total Cost of Ownership, also die Kosten von Kauf, Haltung, Wartung etc., die 30 Prozent unter denen eines 440i Gran Coupé liegen sollen. Die Preise starten übrigens bei 58.300 Euro für den eDrive40 und 69.900 für den M50. Los geht es im Herbst.

Deutlich mehr Informationen zu den technischen Details gewährt Ihnen dieser Artikel. Dort wird auch der Innenraum mit seinem neuen, ziemlich monumentalen Curved-Display behandelt. Im Vorserien-Testwagen war das gute Stück noch weitgehend getarnt. Ansonsten dürften sich Menschen, die den 3er kennen, auch im i4 gut zurecht finden.

Die vorderen Sitze sind wie gewohnt großartig, eine kurze Sitzprobe hinten demonstrierte anständige Beinfreiheit, aber eine relativ steil stehende, leicht spartanische Rückbank. Das Kofferraumvolumen beträgt 470-1.290 Liter und 1.600 Kilo können Sie maximal an den Haken nehmen, wenn Sie der Reichweite möglichst schnell beim Purzeln zusehen wollen.

So viel zur Theorie. Aber BMW will ja nicht nur ein sauberes und ethisch einwandfreies Reichweitenmonster auf die Straße stellen, sondern auch ein Auto, das hohe dynamische Ansprüche erfüllt.

bmw i4 schon gefahren: model-3-gegner im vorserien-test

Den Anfang macht der eDrive 40. Ich erspare Ihnen jetzt mal den Blödsinn mit “lautlos rollen wir vom Testgelände”. Und dass er auf die kleinste Berührung des Gaspedals relativ brachial nach vorne schießt, können Sie sich wahrscheinlich auch denken. Der 0-100-km/h-Wert beträgt offiziell 5,7 Sekunden.

Der Rest fühlt sich an, wie es sich in einem E-Auto nun mal so anfühlt. Die ersten zwei Sekunden drückt es sehr ordentlich (in diesem Fall nicht mehr, aber auch nicht weniger), dann irgendwie nicht mehr. Bis man kurz vom Gas geht und dann wieder reinlatscht. Dann beginnt das Spiel von vorne. Auch wenn man schon ganz gut Speed drauf hat. Fluch und Segen einer Leistungsentfaltung, die nicht mehr wirklich entfaltet. So weit, so vorhersehbar.

Ein wenig anders verhält es sich mit der Querdynamik des elektrischen Gran Coupés. Hier hatte ich die derzeit so typische BMW-Hibbeligkeit erwartet. Eine extrem schnelle, sehr nervöse Lenkung, eine in Red Bull getränkte Gesamtagilität, die man mögen muss. Aber was bei traditionellen Verbrenner-Modellen wie dem neuen 4er oder dem Z4 zum guten Ton gehört, scheint im Falle eines rein elektrischen BMW keinerlei Bewandtnis zu haben. Das Ergebnis ist absolut wohltuend. Und sehr beeindruckend.

Die Lenkung zählt zum Besten, was die Münchner in der jüngeren Vergangenheit produziert haben. Sehr homogen, sehr natürlich, mit toller Gewichtung. Das Auto bewegt sich sehr sauber, sehr flach und in Anbetracht des Gewichts verblüffend agil, begeht dabei aber nicht den Fehler, die Insassen mit gekünstelter Sportlichkeit zu überschütten.

Man merkt auch hier wieder, wie unglaublich anders sich das E-Auto im Vergleich zum Verbrenner benimmt, einfach weil ein großer Teil des Gewichts sehr mittig und sehr weit unten im Fahrzeug angesiedelt ist. Karosseriebewegungen, dass es in schnellen Kurven mal ein wenig schwanken oder aufschaukeln würde, das kann man hier vergessen. Auch Traktionsprobleme sind – zumindest auf trockener Straße – kein Thema.

Der i4 pflegt eine sehr innige Beziehung zur Straße, erreicht beeindruckende Kurvengeschwindigkeiten, erkauft sich diese Dynamik allerdings nicht durch Nervosität oder ein hartes Abrollverhalten. Er federt satt, aber komfortabel. Und er fährt wunderbar ausgewogen.

Bildergalerie: BMW i4 M50 (2021) PreDrive

bmw i4 schon gefahren: model-3-gegner im vorserien-test bmw i4 schon gefahren: model-3-gegner im vorserien-test bmw i4 schon gefahren: model-3-gegner im vorserien-test bmw i4 schon gefahren: model-3-gegner im vorserien-test bmw i4 schon gefahren: model-3-gegner im vorserien-test bmw i4 schon gefahren: model-3-gegner im vorserien-test bmw i4 schon gefahren: model-3-gegner im vorserien-test

Gleiches gilt für das erste elektrische Gefährt mit einem “M” im Namen. Trotz des serienmäßigen Adaptiv-Sportfahrwerks, einer spezifisch getunten Lenkung, zusätzlichen Streben im Vorderwagen und mehr Negativsturz an der Vorderachse zeigt auch der i4 M50 keinerlei Anzeichen überengagierter Hyperaktivität. Stattdessen fährt er einfach nur sehr sehr rund und souverän. Und zugegebenermaßen DEUTLICH schneller als der eDrive40. Hier wird die Rückenlehne schon ganz anders malträtiert, wenn man den Pinsel durchdrückt.

3,9 Sekunden versprechen die Bayern für den 0-100-km/h-Sprint. Das sind keine Porsche Taycan Turbo S-Level an “Launch Control und ich muss brechen”, aber auch der M50 ist durchaus in der Lage, für flaue Mägen und blasse Wangen zu sorgen. Ein Launch Control-Start gehörte dann auch zur Vorführung auf dem Testgelände. Der arme M2 Competition, der das Drag Rennen mitmachen musste, fraß mehr Staub als eine Lastwagenladung fabrikneuer Dysons.

Schöne neue Welt. Und auch in diesem Fall fällt es relativ schwer, zu glauben, dass hier inklusive Fahrer fast 2,3 Tonnen unterwegs sind.

Am ehesten noch bei ambitionierter Gangart auf der Bremse. Selbige rekuperiert im M50 mit bis zu 195 kW (beim eDrive40 sind es 116 kW). Wenn Sie wollen, drücken Sie den Gangwahlhebel von D nach B, dann übernimmt der Anker ein deutlich rigoroseres Eigenleben und Sie können im Prinzip mit einem Pedal fahren. Für den Alltag am schlauesten ist es aber wohl einfach in den vom iX3 bekannten adaptiven Regenerationsmodus zu schalten, der für den i4 noch ein bisschen aufgebohrt wurde.

Sprich: Er ist jetzt noch ein bisschen schlauer und weiß noch besser, in welchen Situationen rekuperierendes Bremsen oder Segeln angesagt ist. Funktioniert alles ganz prächtig, da kann man wirklich nicht meckern. Viel selbst in die Eisen gehen muss man wirklich nicht mehr, außer natürlich, man befindet sich auf einer Rennstrecke.

Oder einem relativ gut ausgebauten Handlingkurs in diesem Fall. Der eben noch windelweich geprügelte M2 plärrt vorne weg, der i4 M50 gleitet steril hinterher. Wendig ist er. Sehr sogar, da gibt es kein Vertun. Und er bleibt unglaublich gut auf Kurs. Traktion ist im Überfluss vorhanden. Ansonsten ist hauptsächlich Neutralität Trumpf.

Vom immer leicht verschmitzten, stark heckbetonten Verhalten des bekannten xDrive-Allrads in BMWs Verbrennern ist hier eher wenig zu spüren. Man merkt der superschlauen Leistungselektronik richtig an, wie sie bei auftretendem Schlupf an der Hinterachse die vordere Achse mit dazu nimmt. Weil hier aber nichts durch irgendwelche Kupplungen und Antriebswellen gehen muss, passiert das ganze so brutal schnell, dass es nicht wirklich zu Schlupf an der Hinterachse kommen kann. Zumindest scheint man es so programmiert zu haben.

bmw i4 schon gefahren: model-3-gegner im vorserien-test

Das ist sehr effizient, aber eben auch ein wenig fad und verkrampft. In Verbindung mit der gleichbleibenden Leistungsabgabe und dem Mangel an Klang, will sich so auf einer abgesperrten Strecke kein wirklich emotionales Erlebnis einstellen. Oder anders: Es ist mehr Verblüffung über das Ergebnis als Freude über den Weg dorthin. Käufer eines i4 sollten diesen kleinen Malus mehr als verkraften können.

Denn alles in allem ist den Münchnern mit dem i4 ein beeindruckender Sportlimousinen-Erstling gelungen. Das Schöne ist, dass man sich in puncto Handhabung gegenüber einem 3er oder 4er nicht sonderlich umgewöhnen muss. Auf der anderen Seite bietet dieses Auto eine unaufgeregte aber höchst agile und souveräne Fahrdynamik, die manchem sportlichem Verbrenner-BMW gut zu Gesicht stände.

Die Gewichtung zugunsten der Stromverbrauchsoptimierung und der Schonung von Ressourcen wirkt vorbildlich und gibt den Münchnern ein nicht zu vernachlässigendes Alleinstellungsmerkmal. Mal sehen, wie es dann wirklich in der Praxis aussieht. Das mit den Limousinen scheint man bei BMW halt einfach zu können. Auch wenn sich alles andere ändert.

Bildergalerie: BMW i4 eDrive40 (2021) PreDrive

bmw i4 schon gefahren: model-3-gegner im vorserien-test bmw i4 schon gefahren: model-3-gegner im vorserien-test bmw i4 schon gefahren: model-3-gegner im vorserien-test bmw i4 schon gefahren: model-3-gegner im vorserien-test bmw i4 schon gefahren: model-3-gegner im vorserien-test bmw i4 schon gefahren: model-3-gegner im vorserien-test bmw i4 schon gefahren: model-3-gegner im vorserien-test

Technische Daten und Preis BMW i4 M50

Motor Stromerregter Synchronmotor vorne und hinten

Leistung 258 PS vorne; 313 PS hinten; Systemleistung: max 544 PS

Max. Drehmoment 730 Nm (kurzzeitig 795 Nm)

Antrieb Allradantrieb

Beschleunigung 0-100 km/h 3,9 Sekunden

Höchstgeschwindigkeit 225 km/h

Batterie 83,9 kWh

Elektrische Reichweite 510 km (WLTP)

Leergewicht 2.290 kg

Zuladung 520 kg

Kofferraumvolumen 470-1.290 Liter

Basispreis 69.900 Euro

TOP STORIES

Top List in the World