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Autodesigner antworten: Bastian Baudy, Mercedes Design

Bastian Baudy arbeitet als Teamleiter im Mercedes Exterieur Design und gibt Einblicke in seine Arbeit.

Wie sind Sie Autodesigner geworden?

Autos und Kunst haben mich schon immer fasziniert. Bereits in der Grundschule habe ich gerne gemalt und gezeichnet. Mit acht Jahren hatte ich ein besonderes Erlebnis: Ich sah zum ersten Mal einen Lamborghini Countach. Der fuhr unter einer Schranke durch – da er so flach war. Das hat mich total fasziniert. Durch die Begeisterung zur Malerei und der Gestaltung von Produkten wählte ich später Kunst als Leistungskurs.

Nach dem Abitur habe ich an der Uni Pforzheim Automobildesign studiert. 2010 habe ich meinen Abschluss gemacht. Danach konnte ich bei Mercedes-Benz im Advanced Design meine berufliche Laufbahn beginnen und arbeite mittlerweile als Teamleiter im Exterieur Design.

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Welche Kunstgattungen und -richtungen haben Sie beeinflusst?

Aus den klassischen Kunstrichtungen ganz klar Malerei und Architektur. Hinzu kommt bis heute das Modedesign, das großen Einfluss auf meine Kreativität hat. Als Designer ist man an allem interessiert, das optisch Neues schafft. Also zum Beispiel auch Film oder Grafikdesign. Kunst hat für mich einen Zweiklang: Es ist etwas Handwerkliches und Schönes wie in der Romantik und Renaissance.

Und es ist Ausdruck von Emotionalität und Dynamik wie im Expressionismus und Impressionismus. Beides findet sich im Automobildesign wieder: Ästhetik und Schönheit auf der einen Seite, Emotionen und Dynamik auf der anderen Seite. Das kommt bei einem Automobil zusammen wie in fast keinem anderen Produkt.

Welche Künstler haben Sie beeinflusst, beeinflussen Sie noch heute?

In der Malerei sind das in erster Linie die „Alten Meister“ – also zum Beispiel Michelangelo und weitere Künstler der Renaissance mit ihrer klassisch-schönen Ästhetik. Wir dürfen dabei nicht vergessen: Autodesign basiert viel auf Proportionen und gestaltetem Volumen.

Hinzu kommen die berühmten Vertreter des Expressionismus und Impressionismus, denen es mehr um Emotionen ging, als nur das klassisch Schöne abzubilden. Virgi Abloh war für die heutige Zeit wegweisend mit seinem revolutionären Ansatz, Street Culture und Luxury – also scheinbare Widersprüche – zu vereinen.

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Welches Autodesign war seiner Zeit voraus? Warum?

Da möchte ich differenzieren. Wenn wir vom Fahrzeugkonzept ausgehen, dann meiner Meinung nach sicher der smart fortwo und die erste Mercedes A-Klasse. Beide Baureihen waren ihrer Zeit voraus.

Aus reiner Design-Perspektive ist der Mercedes CLS der ersten Generation für mich ein wegweisendes Auto gewesen, für das ich extra in die nächst größere Stadt gefahren bin, um es als 15-Jähriger in Echt sehen zu können. Und heute sind die Mercedes Elektromodelle EQS und EQE die Trendsetter, die in Proportion und Gestaltung etwas so neuartiges zeigen, dass es auf der Straße noch nie gab.

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Welche Autos der Vergangenheit und heute sind Ihre Lieblinge im Design? Warum?

Design entwickelt sich ständig weiter. Ich verliebe mich immer wieder neu in die Projekte, an denen wir im Mercedes-Benz Designbereich arbeiten. Nur so kann ich die Leidenschaft entwickeln, die für gutes Design unverzichtbar ist. Aber wenn Sie mich nach meinem Favoriten in der Historie fragen, dann ist das der Ferrari 250 GTO von 1962. Als Frontmotorsportwagen mit langer Motorhaube und kompaktem Heck hat dieser Klassiker infach sensationelle Proportionen. Davon träumt jeder Autodesigner.

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Wie sieht der Prozeß vom ersten Entwurf bis zum finalen Design aus?

Es beginnt alles ganz traditionell mit Handskizzen verschiedener Designer. Zunächst zeichnen wir mit Bleistift auf Papier und dann digital am Computer. Die verschiedenen Entwürfe werden dann weiter konkretisiert und detailliert, bis aus der zweidimensionalen Vorlage ein dreidimensionales Claymodell entsteht. Das ist ein spezieller Werkstoff, ähnlich wie Ton oder Knetmasse, der bei Raumtemperatur gut bearbeitet werden kann, aber trotzdem formstabil bleibt.

Dann folgt viel Detailarbeit: Die technischen Anforderungen der Konstrukteure müssen wir genauso beachten, wie gesetzliche Zulassungsvorschriften rund um den Globus. Es entstehen zunächst Modelle im Maßstab 1:4 aus denen dann Alternativen im Maßstab 1:1 angefertigt werden. Am Ende entscheidet unser Chief Design Officer Gorden Wagener und wählt gemeinsam mit dem Vorstand aus den Entwürfen einen aus, der dann schließlich als Serienfahrzeug gebaut wird.

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Ihr schnellster Entwurf, aus dem ein Serienfahrzeug oder Concept Car entstand?

Ich hatte das große Glück als Designer am Projekt Mercedes-Benz AMG Vision Gran Turismo zu sein. Als Lead-Exterieur Designer hatte ich die Möglichkeit in einem tollen Team an der Entstehung dieses Showcars mitzuwirken. Die Skizzenphase war schon recht kurz und wir haben auf den Skizzen basierend ein schnelles Daten Modell gebaut.

Dieses wurde dann direkt in ein 1:1 Claymodell übersetzt und nach kurzer Zeit in ein fertiges Showcar verwandelt. Es war erstaunlich, was in einem so kurzen Zeitraum zu schaffen ist und welche Qualität wir in einem sehr starken und qualifizierten Team erreichen können. Zeitgleich ist das Showcar auch im gleichnamigen Playstation Game erschienen und wir hatten viel Spaß daran, es zu testen und in Aktion zu sehen.

Ihr bester Designentwurf? Warum?

Ebenfalls der Vision Gran Turismo – sehr flach, sehr emotional, sehr betonte Proportionen. Ich habe Gänsehaut bekommen, als das 3D-Modell fertig war. Das Projekt hat mich an meine Wahrnehmung in der Kindheit erinnert. Bis heute bekommt der Vision Grand Turismo große Resonanz in den sozialen Medien – ein Beweis für das sehr ikonische Design.

Wo und wann kommt die beste, entscheidende Idee?

Das kann man so nicht sagen. Das Ganze ist ein Prozess, der nie aufhört. So richtig sind wir nie im Feierabend: Man sieht ja ständig Autos auf der Straße und erkennt dann immer wieder neue Details. Im Auto, auf dem Weg zur oder von der Arbeit kommen mir oft Lösungen für ganz spezifische Designfragestellungen. Die spannendsten Ideen können jedoch wirklich unter der Dusche oder beim Einschlafen und Aufwachen kommen.

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Was ist zurzeit gute und schlechte „Automode“?

Ich möchte mich auf die positiven Aspekte beziehen: Gute Automode ist eine durchgehende Designsprache, die an jedem Detail eines Fahrzeug erkennbar ist. Da ist es natürlich von Vorteil, wenn man für eine so traditionsreiche Marke wie Mercedes-Benz arbeitet. Das zeigt auch, wie wichtig es ist, einen individuellen Charakter für eine Marke zu schaffen – oder auch für eine neue Technologie wie aktuell der Umstieg auf die batteriebetriebene E-Mobilität.

Warum ist Autodesign nicht oft mutiger?

Wir Designer wollen polarisieren. Ich fange morgens nicht mit der Arbeit an, um etwas Gewöhnliches oder Langweiliges zu kreieren. Aber das Design muss auch einer Vielzahl von Kunden gefallen. Bei Mercedes sind wir da schon sehr mutig und gehen an die Grenzen. Schauen Sie sich den EQS und EQE an. Durch den neuen Ansatz des One-Bow-Designs sind beide Fahrzeuge sehr auffällig. Und unsere Kunden honorieren mutiges Design.

Was zerstört einen guten Design-Entwurf?

Es ist immer eine Herausforderung, das Design mit den Vorgaben der Ingenieure, vor allem der Aerodynamiker, und den Anforderungen an immer bessere Effizienz zu verheiraten. Wir müssen den besten Mittelweg finden. Aber der VISION EQXX zeigt, dass ein zukunftsweisendes, hocheffizientes Auto mit Rekord-Aerodynamik verdammt cool aussehen kann.

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Wie wirkt sich die Elektrifizierung des Antriebsstrangs auf das Design aus?

In vielen Bereichen erhalten wir mehr Freiheit. Zum Beispiel in der Frontgestaltung, weil große Motorkühler wegfallen. Die Elektromotoren sind sehr kompakt. Das gibt uns die Möglichkeit für kürzere Überhänge. Außerdem können wir die Räder weiter nach außen bringen und so mehr Raum für Passagiere und Gepäck schaffen – auch bei kompakten Außenmaßen.

Ihr Tipp für einen zukünftigen Autodesigner?

Offen sein, sich selbst oft in Frage stellen – nur so entwickelt man sich weiter. Konstruktive Kritik annehmen und andere Meinungen mit einbeziehen, sonst stagniert man oder entwickelt sich sogar zurück. Das Lernen hört niemals auf in diesem Bereich. Nie seinen eigenen Fähigkeiten zu sehr vertrauen, immer wieder das Feedback im Team suchen.

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Darf er Sie etwas fragen?

Gerne, über:  Jennifer Armbruster, [email protected]

Bastian Baudy auf Instagram:

https://www.instagram.com/bastian.baudy/?hl=de

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