Alfa Romeo

Alfa Romeo Tonale 1.5 T mit 130 PS im Test: Beta Romeo

Vernünftiger als im 130-PS-Tonale kannst du derzeit nicht Alfa fahren. Aber taugt das auch was?

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Was ist das?

Alfa Romeos x-ter Versuch, endlich für den tatsächlichen Markt zu entwickeln und nicht völlig an ihm vorbei in Schönheit zu sterben. Wobei – schön ist der Tonale ja durchaus, ich glaube, da können wir uns weitestgehend drauf einigen, oder?

Im aufgeblähten Dickicht des Kompakt-SUV-Segments sticht er auf jeden Fall positiv heraus. Näher an der eigenen (2019 in Genf gefeierten) Studie war ein Auto selten.

Was weitere Hoffnung in Richtung Verkaufszahlen und Einträglichkeit des Projekts schürt: Dieser Alfa ist überraschend normal. Keine milliardenschwere Neu-Plattform für ein einziges Modell. Keine 500-PS-Version, die gut fürs Ego, aber grauenvoll für die Bilanz ist. Zeitgemäße (elektrifizierte) Motoren mit Leistungsdaten, die gewöhnlichen Kunden völlig ausreichen. Ein modernes Bedien- und Infotainment-Konzept, das tatsächlich funktioniert. Ganz ohne Schreikrämpfe und Anflüge purer Verzweiflung. 

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Außerdem ist den Verantwortlichen der Innenraum verblüffend gut gelungen. In puncto Raum und vor allem, was die Anmutung betrifft. Damit hätten wir den rationalen Heilsbringer des Cuore Sportivo im Groben schon ganz gut umrissen. Die Frage ist halt, ob ein neues Normal der Marke genügt im Segment mit dem gefühlt größten Konkurrenzkampf von allen. 

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So ein BMW X1, Audi Q3, Volkswagen Tiguan, Volvo XC40 und wie sie nicht alle heißen, können das mit dem “Normal” nämlich ziemlich gut. Seit Ewigkeiten. Ob Alfa hier wirklich genug entgegenzusetzen hat, ist die spannende Frage. Obendrein sollte man bei aller Vernunft den sportlichen Markenkern ja nicht komplett aus den Augen verlieren. 

Zugegeben – selbigen bei unserem Testwagen ausfindig zu machen, erfordert ein gerüttelt Maß an Fantasie. Der Tonale rollte nämlich mit 130-PS-Basismotorisierung in die Redaktionsgarage. 1,5-Liter-Vierzylinder-Turbo, 7-Gang-Doppelkupplung mit integriertem Mini-Elektromotor (15 kW, 55 Nm), 48-Volt-Mildhybrid-System, Vorderradantrieb und als Grundgerüst das Gerippe des Jeep Compass. Hitzige Träume von ungezügelter Italianità sehen wahrlich anders aus.   

Zumal sich die stärkere 160-PS-Variante (Turbolader mit variabler Turbinengeometrie, gleiches Drehmoment von 240 Nm) in ersten Tests nicht komplett mit Ruhm bekleckerte. Eine massive Anfahrschwäche und weitere Ungereimtheiten in der Darbietung der Leistung wurden moniert. 

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Ob der schwächste Tonale womöglich die bessere Wahl ist, gilt es nun herauszufinden. Preislich liegt er in der Grundausstattung “Super” (ab 36.300 Euro) schon mal 6.500 Euro unter der günstigsten 160-PS-Version, bei der man mindestens zum gehobenen “ti”-Trimm greifen muss. 

Unser generös eingekleideter Testwagen, ein Edizione Speciale, inklusive Leder, wunderbarem 3-Schicht-Lack und 20-Zöllern (235/40) brachte es auf 43.950 Euro. Zum Vergleich: Der 136 PS starke BMW X1 18i kostet mindestens 41.100 Euro. Ein 150-PS-Audi Q3 mit Automatikgetriebe startet bei 39.650 Euro. Der identisch motorisierte Volkswagen Tiguan ist komplett ausstattungsbefreit ab 35.785 Euro zu haben.

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Wie fährt er?

Ich gebe zu, auf die Performance des Antriebs war ich besonders gespannt. Deswegen fange ich auch damit an. Kollege Hildebrandt, der die 160-PS-Variante bei der Fahrvorstellung im Mai bewegte, war nicht komplett angetan. Der ein oder andere Kollege der Konkurrenz urteilte wesentlich weniger gnädig.

Einem derart harten Urteil werde ich mich nach meiner Zeit mit dem Auto nicht anschließen. Besonders beseelt war ich vom ersten Alfa-Mildhybrid allerdings auch nicht. Er wirkt selbst für 130 PS ein wenig unterzuckert. 9,6 Sekunden von 0-100 km/h fühlten sich schon sehr oft schneller an als hier. Das dürfte zum einen am Kampfgewicht von 1.800 Kilo liegen (der größere Bruder Stelvio mit 280-PS-Benziner ist leichter).

Zum anderen geht seine Bräsigkeit wohl auch aufs Konto der 7-Gang-Doppelkupplung. Die Schaltvorgänge sind an sich schnell, aber die Schaltstrategie und der dabei entstehende Klang erinnern oft an ein CVT. Das klaut dem Auto zusätzlich Momentum und lässt es angestrengter wirken, als es die Zahlen auf dem Tacho zeigen.

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Bei der 160 PS-Version wurde viel geschimpft über eine absurde Anfahrschwäche beziehungsweise Reaktionszeit zwischen Gasbefehl und Vortrieb. Hier empfand ich es nicht so arg, was aber auch daran liegen könnte, dass generell nicht viel nach vorne passiert.

Dass der Motor aber die Drehzahl beim vom Gas gehen teils von selbst noch kurz oben hält, und man noch einen kleinen Push bekommt, obwohl man bereits entschleunigen wollte, ist abenteuerlich und ergibt keinerlei Sinn. Die Drehzahl geht auch sehr langsam wieder runter, wenn man den Fuß vom Gas genommen hat. Diese seltsame Praxis teilen sich beide Varianten des 1,5-Liter-Turbo-Benziners. 

Beim Rangieren oder rollen fährt man mit diesem Mildhybrid tatsächlich häufiger ein paar Meter rein elektrisch. Leider schaltet sich der Benziner oft recht ruckhaft wieder zu. Da wäre noch etwas Feinschliff angesagt.

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Alles in allem eine eher belanglose Antriebsleistung, die vermutlich nicht in die Geschichte des “Cuore Sportivo” eingehen wird. Aber klar, ein Basis-Tonale ist nicht dazu da, massenhaft Gänsehaut zu erzeugen. Er soll sich für alle Seiten rechnen. Beim Verbrauch tut er das auch weitgehend. Im Schnitt kam ich auf 7,5 Liter, eine 6 vor dem Komma ist aber auch kein Problem.

Ärgerlich ist halt auch hier der etwas ungehobelte, unfertig wirkende Auftritt des Setups, vor allem, wenn man bedenkt, mit wie viel Verspätung der Tonale auf den Markt kam. Im November fahren wir die Plug-in-Hybrid-Version mit 275 PS und Allrad, die hoffentlich mehr vom traditionellen Alfa-Spirit freisetzt. 

Und fahrdynamisch? Bewahrt er sich den Alfa-Zauber? 

Wenn Sie damit meinen, ob er ähnlich talentiert und beseelt kurvt wie Giulia und Stelvio, dann kann es nur eine Antwort geben: Nein. Wie soll er auch?

Die beiden Erstgenannten rollen auf einer sündteuren, eigens für sie entwickelten Mega-Hecktriebler-Plattform und haben von Ferrari-Ingenieuren das Laufen und Dribbeln gelernt. Beim Tonale war man in erster Linie damit beschäftigt, das Offroadig-Schwerfällige des Jeep Compass in die Flucht zu schlagen und dem Auto Spielfreude einzuimpfen. Dass man sich mit Vorderradantrieb herumschlagen muss, hilft natürlich auch nicht unbedingt. 

Unter den gegebenen Voraussetzungen hat man das Fahrdynamische ziemlich ordentlich gelöst. Alfa versprach ja bei der Premiere des Autos nicht weniger als “das beste Handling der Klasse” liefern zu wollen. Dafür würde ich nach meinen Testeindrücken die Hand nicht ins Feuer legen wollen.

Es besteht kein Zweifel daran, dass der Tonale unfassbar schnell und direkt einlenkt. Da ist er sicher führend im Segment. Das Ganze – in derzeit typischer Alfa- (oder soll ich besser sagen Maranello-) Manier –  mit einer wattig-luftigen Leichtigkeit in der Lenkung die ihresgleichen sucht. Das birgt nicht nur Vorteile.

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Während sich das Auto wendig und wepsig anfühlt, liefert es über die Vorderachse nahezu null Infos und Gefühl in die Handballen. Das sind nicht nur Anflüge von Computerspiel. Schade drum, denn der Tonale liegt wirklich gut, erreicht mühelos und souverän hohe Kurvengeschwindigkeiten und hat sehr wenig Lust auf Untersteuern. 

Obendrein ist er wirklich fantastisch gefedert. Selbst mit den traumhaft schönen 20-Zöllern unseres montrealgrünen (Verde Montreal – 1.500 Euro) Testwagens rollt er ab, wie man es sich für ein sportlich positioniertes Fahrzeug nur wünschen kann – verbindlich, aber nicht straff oder gar hart. Einfach sehr gut gedämpft, auch was die Sattheit des Aufbaus betrifft. Das übliche NVH-Gedöns (Noise, Vibration, Harshness) hat er sehr gut im Griff.

Das komplett eigenständige im Handling geht ihm halt ein wenig ab. Eine Giulia würdest du am Fahrverhalten auch mit verbundenen Augen enttarnen (bitte nicht ausprobieren!) und dich selbst sechs, sieben Jahre nach ihrer Premiere darüber wundern, wie gut es ist. Der Tonale fährt generischer, mehr wie ein Massenauto und weniger wie die egozentrische Diva. 

Wie ist er innen?

Hier liegt für mich, neben der Optik, ganz klar die Stärke des neuesten Alfa Romeo. Das Interieur ist in seiner Gesamtheit einfach ein sehr schöner Ort geworden. Qualitativ hat man spätestens mit dem letzten Facelift von Giulia und Stelvio nochmal einen gehörigen Sprung in die richtige Richtung gemacht. Der Tonale setzt hier gefühlt noch einen drauf. 

Die Materialien wirken solide, hochwertig und fassen sich gut an. Die hinterleuchtete Dekor-Leiste auf dem Armaturenbrett ist ein schickes Gimmick. Und die großen Schaltwippen, die man eins zu eins aus Giulia und Stelvio übernommen hat, sind für mich noch immer die attraktivste und beste Lösung auf dem Markt.

Die Sitzposition passt, das Gestühl selbst ist hervorragend – guter Halt gepaart mit hohem Langstreckenkomfort. Die Beinfreiheit im Fond ist nicht Tiguan-esk, aber in Ordnung. Die Birne haut man sich auch mit ausgestreckten 1,85 Meter nicht an. 

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Auch der Kofferraum reicht nicht an die Lagerhalle des Tiguan heran, kann sich mit 500 bis 1.550 Liter allerdings sehen lassen. Wir bewegen uns hier auf einem Niveau mit X1 und Q3. Ein Peugeot 3008 bietet etwas weniger. 

Ein bisschen Panik hatte ich zugegebenermaßen vor dem technologischen Standard und der Bedienung von Infotainment und Co. Hier – so ehrlich muss man sein – verspielen Giulia und Stelvio viel Kredit gegenüber der Konkurrenz. Beim Tonale allerdings scheinen die Italiener ihre Lektion gelernt zu haben. 

Den Dreh-Drück-Steller in der Mittelkonsole hat man sich leider Gottes gespart, dennoch kommt man im Umgang mit dem neuen System gut zurecht. Die Bedienung ist logisch und nicht zu verschachtelt. Außerdem hat man schlauerweise echte, richtige, vollwertige Schalter für die Klimasteuerung unter dem 10,25-Zoll-Touchscreen platziert. Dankeschön, es geht ja doch noch. Zudem sehen die digitalen Instrumente wirklich gut aus und die Fahrhilfen funktionieren zuverlässig.

Typische Alfa-Kopfschüttler gibt’s für diverse schräge Piepstöne. Man glaubt ja gar nicht, wie oft so ein Auto wegen irgendeiner vermeintlichen Gefahr losblöken kann. Und das so schrill, dass man regelrecht Panik bekommt. Sehr nervig ist auch, dass nach jedem Motorstart die Handbremse deaktiviert werden muss. Ansonsten aber wie gesagt – Top-Performance bei Innenraum und Bedienung. 

Fazit: 7/10

Anders als Giulia und Stelvio brennt sich der Alfa Romeo Tonale fahrdynamisch nicht wirklich nachhaltig ins Gedächtnis ein. Auch die 130-PS-Version des ersten Alfa-Mildhybrids wirkt ein wenig unausgegoren und unmotiviert. Querdynamisch ist er nicht untalentiert, fühlt sich aber etwas zu abgekoppelt an. 

Viele Pluspunkte sammelt das Auto bei Interieur und Bedienbarkeit. Techno- und logisch hat sich hier viel getan. Ebenso bei der Qualität. Das ist allemal Premium und muss sich vor niemandem verstecken. Angesichts dessen wirkt auch der Preis nicht mehr wild. Ein vergleichbar ausgestatteter deutscher Konkurrent wird diverse Tausender mehr kosten. 

Der normalste Alfa seit Ewigkeiten eben. Und abgesehen von der Optik gar nicht mal so Alfa-like. Durch die untypische Verteilung seiner Talente könnte er aber womöglich mehr von der dringend benötigten Kundschaft ansprechen.  

Technische Daten und Preise Alfa Romeo Tonale 1.5 T (130 PS)

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