Alfa Romeo

Alfa Romeo Giulia

Alfa Romeo Giulia Facelift (2023) im Test

Der 280-PS-Benziner fährt weiterhin großartig, aber altbekannte Schwächen wurden nicht behoben

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Was ist das?

Auch wenn man es ihr nicht anmerkt, weil sie immer noch verflucht gut aussieht, aber die Giulia ist inzwischen eine Dame im reifen Alter. Seit 2015 verdreht sie nun bereits Köpfe und Mundwinkel. Ersteres aufgrund ihrer Optik und Zweiteres, weil Sie nach wie vor wunderbar stimmig und unterhaltsam fährt.

Irgendwann sind aber – um in diesem etwas seichten Bild zu bleiben – auch die Attraktivsten und Fittesten nicht mehr davor gefeit, sich unters Messer zu legen. Zumindest, wenn sie ihren Glanz behalten wollen. In diesem Fall können wir es als eine Art Final Countdown sehen. Um die zwei bis drei Jahre wird die Giulia in ihrer aktuellen Form noch durchalten müssen, bevor bei Alfa Romeo mit der Nachfolgerin eine komplett neue, rein elektrische Ära startet.

Firmenchef Jean-Philippe Imparato hat erst kürzlich anklingen lassen, was uns da an wildem PS-Spektakel erwartet. Bis dahin dürfen sich die Freunde des Cuore Sportivo aber noch an den traditionellen Qualitäten der zierlich-quirligen Sportlimousine erfreuen.

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An denen hat sich mit dem jüngsten Update, so ehrlich muss man sein, kaum etwas geändert. Die großen Schlagzeilen für 2023 lauten: Neue adaptive Matrix-LED-Scheinwerfer mit je drei Leuchtmodulen im Stile des SZ Zagato aus den frühen 90ern (oder des Tonale, für die Jüngeren unter Ihnen). Außerdem gibt es ab sofort ein digitales Instrumentendisplay. Es misst 12,3 Zoll Bildschirmdiagonale und flattert ebenfalls vom Tonale herüber. Der Rest beschränkt sich auf neu geformte Einleger für den Grill und die Lufteinlässe in der Frontschürze.

Und natürlich hat man mal wieder die Angebotsstruktur gestrafft. Das passiert gefühlt in jedem Jahr, so dass sich nicht mal mehr der größte Fan im Wust von Ausstattungslinien und Motorenkombinationen zurecht findet. 2023 macht man es Alfisti und Händlern jedoch einfach. In Deutschland gibt es nämlich noch genau zwei Motoren (280-PS-Benziner und 210-PS-Diesel), einen Antrieb (Allrad) sowie drei Ausstattungslinien.

Den Einstieg bildet Sprint, es folgen die eher elegante Linie ti sowie die sportliche Ausstattung Veloce. Dazu kommt das Sondermodell Competizione, dass vor allem mit seinem matten Lackkleid in Grigio Lunare Opaco .. ähm .. “glänzt”. Die Modellpflege des 510 PS starken Quadrifoglio folgt Mitte des Jahres.

Markstart für die überarbeitete Giulia (und deren SUV-Bruder Stelvio) ist im März. Die Preise beginnen bei 54.250 Euro. Dafür erhält man den Sprint mit Zweiliter-Turbo-Benziner oder den ti als 2,2-Liter-Diesel. Zum Vergleich: Einer unserer Favoriten, der Genesis G70, kostet mit 245 PS und Allrad ab 49.670 Euro. Der BMW 330i xDrive mit ebenfalls 245 PS startet bei 58.300 Euro.

Fährt sie immer noch so wunderbar?

Sollen wir nicht erst einmal über die neuen Scheinwerfer sprechen? Die Form hat sich übrigens gar nicht geändert. Nur das Innenleben. Ob’s besser oder schlechter gefällt? Entscheiden Sie bitte selbst. Was die Fähigkeiten der modernen Funzeln betrifft, tappen wir in Ermangelung an Dunkelheit während des sonnigen Testtags weiterhin, naja, im Dunkeln.

Wenige Unklarheit herrscht bezüglich des Fahrspaßes. In der Leichtigkeit des fahrdynamischen Seins macht der Giulia noch immer keiner etwas vor. Man spürt einfach, dass dieses Auto ohne Fahrer gut unter 1.500 Kilo wiegt. Gefühlt schaut man das Lenkrad nur an und die Giulia schmeißt sich mit Wonne in die Kurve.

Die Lenkung selbst agiert wie gehabt sehr leicht und schnell, verändert aber über ihren kompletten Arbeitsbereich nicht wirklich das Handmoment. Rückmeldungsweltmeister wird sie also vermutlich nicht mehr werden. Das ist bei der Konkurrenz jedoch auch nicht anders. Immer noch top: Der Federungskomfort der adaptiven Dämpfer, die sich wie in den Superflundern aus Maranello per Knopfdruck am Fahrmodus-Schalter justieren lassen. Das unschlagbare Gefühl eine Art Mittelklasse-Ferrari zu fahren, bleibt also weiterhin bestehen.

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Das liegt auch an der großartigen Balance des Fahrzeugs. Keine Sorge wegen des kompletten Wegfalls des Hinterradantriebs. Auch mit dem Q4-Allradantrieb fährt und tanzt und dribbelt die Giulia stark heckbetont. Aus früheren, unerwartet waghalsigen Manövern weiß ich noch, dass Alfas Vierradantrieb auf nasser Fahrbahn eine sehr eigenwillige Interpretation von Traktion an den Tag legt. Mit anderen Worten: Im Regen mutiert selbst die allradelnde 2,0-Liter-Giulia zum hinternschwingenden Filou.

Bei Trockenheit verhält es sich leider gänzlich anders. Nicht, weil sie nicht könnte, sondern weil sie nicht darf. Die Stabilitätskontrolle ist hier derart restriktiv, dass sie jegliche Form des Rutschens rüde im Keim erstickt. Eine ernsthaft sportliche Fahrweise bleibt so Wunschdenken. Ein Sport-ESP gibt es nach wie vor nicht. Die vollständige Deaktivierung des Rettungsankers bleibt dem Topmodell Quadrifoglio vorbehalten. Bei den überragenden dynamischen Fähigkeiten dieses Autos ist das ein Unding. Alfa hat auf die vielen Beschwerden nie reagiert. Auch fürs vermutlich finale Facelift nicht. Ein Jammer.

Eignet sich der Motor überhaupt für sportliche Einlagen?

Durchaus. Inzwischen muss man ja fast schon betonen, dass hier keinerlei Hybridisierung im Spiel ist. Es lohnt sich einfach nicht mehr. Von den absurden Euro 7-Reglementierungen lässt man sich entspannt gern haben, denn in gut zwei Jahren kommt ohnehin die Elektro-Giulia.

Bis dahin ist trotzdem (beinahe) alles tutti. Dieser Zweiliter-Vierzylinder ist noch immer einer von den Guten. Auch wenn er einen fast schon dieseligen Drehzahlbereich hat (er dreht gerade so 6.000 Touren). Er reagiert hervorragend auf Gasbefehle und sein Arbeitsfenster ist ungewöhnlich groß.

Bereits unter 2.000 Touren nimmt er schön Fahrt auf, zieht dann gleichmäßig (vielleicht ein bisschen zu gleichmäßig) und druckvoll hinauf bis in den Begrenzer. So ganz nehme ich ihm vom Bauchgefühl her die angegebenen 5,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h nicht ab, aber messen konnten wir es beim Fahrtermin auch nicht. Also “in dubio pro reo”.

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Der Klang, der von Motor und Auspuff so ans Ohr der Passagiere dringt, kann sich durchaus hören lassen. Außerdem ist die ZF-8-Gang-Box der gewohnte Fels in der Brandung. In der Alfa-Romeo-Applikation schaltet und waltet sie besonders schön. Extrem schnell und unauffällig, wenn man sich nicht damit beschäftigen will, Track-tauglich, wenn man es möchte.

Auffällig: Im Dynamik-Modus bringt sie beim Hochschalten mit kleinen “Der Gang ist jetzt drin!!!”-Rucklern Pepp in die Bude. Außerdem ist die Übersetzung schön kurz und relativ hilfreich für ambitioniertere Landstraßen-Ausflüge. Der zweite Gang geht bis 85, der Dritte bis 124 km/h. Und natürlich bleiben die gefrästen XL-Schaltpaddles im besten Maranello-Stil ein echtes Highlight. In wenigen anderen Autos greift man so gern und oft selbst ins Geschehen ein.

Wie ist sie innen?

Hier liegt das Hauptaugenmerk natürlich auf dem neuen Bildschirm, der sich nun erstmals in diesem Auto hinter dem Lenkrad breitmacht. Das digitale Instrumentendisplay ist das gleiche wie im Tonale. Vermutlich um keinen Ärger mit den Traditionalisten zu bekommen, wird es nach wie vor von den typischen Alfa-Tuben eingerahmt.

Per Knopfdruck können Sie sich aussuchen, ob Sie Ihre Augen auf eine normale, eine reduzierte oder eine klassische Anzeige, im Stile umjubelter Alfas der 1960er und 1970er richten wollen. Darüber hinaus halten sich die Vorteile der Digi-Instrumente relativ in Grenzen. So ist es beispielsweise nicht möglich, die Ganganzeige derart zu platzieren, dass man sie auch sieht. Sie schlummert grundsätzlich links unten neben dem Drehzahlmesser und das auch noch winzig klein – nicht optimal für sportliches Fahren.

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Der Rest des Interieurs dürfte bekannt sein. Auch im inzwischen achten Jahr sieht die gute Stube noch frisch genug aus. Die Qualität von Verarbeitung und Materialien ist spätestens seit dem Modelljahrgang 2021 hervorragend. Man findet sich schnell zurecht und fühlt sich sofort wohl. Das Lenkrad liegt perfekt in der Hand, das Gestühl ist sehr gut, für manche aber vielleicht einen Hauch zu hoch montiert.

Nichtsdestotrotz: Innen passt das Auto wie ein Handschuh. In jeglicher Hinsicht übrigens, denn besonders luftig geht es nicht zu. Die Platzverhältnisse sind in Ordnung, verstehen Sie mich nicht falsch. Auch in Reihe Zwei knüllt man sich nicht zusammen wie in einem Jaguar XE. Trotzdem ist das Giulia-Interieur mehr Trainingsleiberl statt Schlabberpulli. Der Kofferraum fasst anständige 480 Liter.

Und das leidige Thema Infotainment? Ist seit dem größeren Facelift Mitte 2020 nicht mehr so wild, wie es einst war. Klar, im Vergleich zum messerscharfen Screen im Tonale sieht der 8,8-Zoll-Bildschirm aus wie 20. Jahrhundert. Aber die Bedienlogik passt inzwischen. Außerdem gibt es neben der Touch-Funktion einen Dreh-Drücksteller und echte Tasten und Rädchen für Klima und Co. Einfach nur peinlich dagegen: Die Auflösung der Rückfahrkamera. Da könnte man alternativ ein Kind auf den Heckstoßfänger setzen, dass ein abstraktes Gemälde der Umgebung anfertigt.

Fazit: 8/10

Das jüngste Facelift der Alfa Romeo Giulia ist ja mehr ein Faceliftchen. Die beiden neuen Features – Matrix-LED-Scheinwerfer und Digital-Instrumente – bringen das Auto ein bisschen mehr auf die Höhe der Zeit, ändern aber nichts am Gesamteindruck.

Das ist gut und ein bisschen ärgerlich zugleich. Die Giulia bleibt ein ausnehmend attraktives Stück Blech (und Carbon) mit einem Fahrverhalten, das glücklich macht. Es könnte allerdings noch viel mehr Glückseligkeit erzeugen, wenn man sich mal um teils völlig unverständliche Mängel wie die abstruse ESP-Regelung gekümmert hätte.

Und trotzdem: Wer gerne fährt und/oder absolut geschmackssicher auftreten will, ist mit diesem Auto noch immer bestens bedient. Wer den Technologie-Overkill auf Rädern sucht, wird eh den üblichen Verdächtigen aus heimischen Gefilden den Vorzug geben.

Technische Daten und Preise Alfa Romeo Giulia 2.0 Turbo 280 PS AT8 Q4

  • Motor: Vierzylinder-Turbo-Benziner; 1.995 ccm
  • Getriebeart: 8-Gang-Automatik
  • Antrieb: Allradantrieb
  • Leistung: 206 kW (280 PS) bei 5.250 U/min
  • Max. Drehmoment: 400 Nm bei 2.250 U/min
  • Beschleunigung 0-100 km/h: 5,2 Sekunden
  • Höchstgeschwindigkeit: 240 km/h
  • Leergewicht: 1.545 kg
  • Zuladung: xxx kg
  • Kofferraumvolumen: 380 Liter
  • Verbrauch: 8,1 Liter
  • Emission: 183 g/km CO2
  • Basispreis: 54.250 Euro

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