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Alexander Leopold & Stefan von Terzi im Interview: Was ist die Strategie der Erwin Hymer Group?

Im Juli übernahm Alexander Leopold (50) die Führung der Erwin Hymer Group. promobil sprach mit ihm und Stefan und Terzi (57), Marketing- und Kommunikationschef der EHG.

alexander leopold & stefan von terzi im interview: was ist die strategie der erwin hymer group?

© Karl-Heinz Augustin
Interview Alexander Leopold GesprŠchsrunde

alexander leopold & stefan von terzi im interview: was ist die strategie der erwin hymer group?

© Rolf Nachbar
Die Zentrale der Erwin Hymer Group am Stammsitz in der Holzstraße in Bad Waldsee.

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© Karl-Heinz Augustin
Große Runde: Alexander Leopold (rechts) beantwortet die Fragen der promobil-Redaktion.

alexander leopold & stefan von terzi im interview: was ist die strategie der erwin hymer group?

© Karl-Heinz Augustin
Stefan von Terzi, seit 2016 Marketing- und Kommunikationslei- ter der Erwin Hymer Group, hat die Marken-Positionierung wesentlich mit aufgebaut.

alexander leopold & stefan von terzi im interview: was ist die strategie der erwin hymer group?
Interview Alexander Leopold GesprŠchsrunde

Auf welche Innovationen und Trends setzt Deutschlands größter Reisemobil-Hersteller für die Zukunft? promobil befragte mit der Geschäftsführung der Erwin-Hymer-Group zur aktuellen Situation der Branche und zur Zukunft der Gruppe mit ihren elf deutschen Marken.

Das ausführliche Interview

Trends, Konzern-Strategien und Zukunftspläne – das plant die Geschäftsführung der Erwin-Hymer-Group.

Herr Leopold, als Sie CEO der EHG wurden: Was für ein Unternehmen haben Sie da vorgefunden?

AL: Ein Unternehmen, das ich schon vorher sehr gut kannte. Ich war als Geschäftsführer von Dethleffs ja Teil des Ganzen und wusste, dass die EHG eine gute Strategie, aber auch sehr viel Potenzial hat, das wir weiter ausbauen, damit die Produkte unserer Marken noch begehrter werden. Wir brauchen Freizeitfahrzeuge, die begeistern.

Und welche Weichenstellungen haben Sie in die Wege geleitet, um dieses Ziel zu erreichen?

AL: Wir haben drei strategische Handlungsfelder: Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Innovationen. Alle drei Themen werden wir vorantreiben. Intern wollen wir unsere Werte – Teamgeist, Unternehmertum und Innovationskraft – weiterentwickeln. Generell sollen die Marken wieder stärker im Vordergrund stehen. Die Holding wird sie im Hintergrund unterstützen, aber auch fordern und ihnen den Support liefern, den sie sonst von nirgendwo bekommen.

In der Gruppe können wir Entwicklungen vorantreiben, die kleinere Hersteller gar nicht leisten könnten. Nehmen wir unser SCU (die digitale System Control Unit zur Bedienung der Bordtechnik). Als EHG sind wir in der Lage, unsere Synergien zu nutzen, um so ein aufwendiges System zu entwickeln, und sukzessive können wir es dann allen Marken zur Verfügung stellen. Oder das Thema Nachhaltigkeit; wir haben zuletzt in nur einem halben Jahr an drei Standorten Hackschnitzelanlagen installiert. Wir können eben Kompetenzen bündeln, und diese Bündelung macht uns in vielen Bereichen auch schneller.

Und wie sieht das bei Produkten aus?

AL: Ein aktuelles Beispiel: In kurzer Zeit haben sechs Marken der Gruppe, Bürstner, Dethleffs, LMC, Etrusco, Sunlight und Carado, einen Camper Van auf Ford Transit herausgebracht. Da hat ein zentrales Team für alle anderen die Basisarbeit gemacht, und die einzelnen Teams haben dann individuell für ihre Marke den Ausbau, Möbelbau usw. fertig entwickelt.

Die Gruppe ist also im Bereich Produktentwicklung eine Plattform für den Wissenstransfer, damit die Marken voneinander lernen können. Das macht die Entwicklung günstiger und schneller, und wir können auch für unsere Kunden attraktive Preise realisieren. Der Wissenstransfer gilt aber ebenso für andere Bereiche wie Marketing, Entwicklung oder die Produktion.

Am Markt stehen die einzelnen Marken aber durchaus im Wettbewerb.

AL: Ja, klar, teilweise ist das auch gewünscht. Jede Marke kämpft um ihre Zielgruppe und ihre Kunden, und natürlich gibt es da in gewissen Bereichen Schnittpunkte. Aber das findet in einem gesunden Rahmen statt, und natürlich fordert es Marken auch. Wir tauschen zum Beispiel bestimmte Unternehmenskennzahlen (Kundenzufriedenheit, Servicequalität o.Ä.) aus. Das wiederum ermöglicht es den Marken, sich miteinander zu vergleichen, zu fragen, was machen die anderen besser und wo kann ich als Marke auch besser werden?

Woran messen Sie den Erfolg einer Marke?

AL: Auf der einen Seite gibt es den finanziellen Erfolg, das Ergebnis. Aber wir betrachten auch, wie sich eine Marke entwickelt. Relevant sind dabei natürlich die Kennzahlen aus dem Markt, mit denen wir vergleichen können. Wie verändert sich etwa der Marktanteil oder die Bekanntheit einer Marke? Da tauschen wir uns in der Gruppe offen aus und besprechen das zusammen. Aber wir machen kein internes Ranking. Es geht ja auch nicht immer nur nach oben.

Wir haben unterschiedliche Ansprüche an die Marken, und durch die unterschiedlichen Positionierungen ist das auch nur logisch. Es ist aber auch interessant, wie sich die Marken unter unterschiedlichen Voraussetzungen entwickeln. Wie läuft’s bei einer Marke, die ganz neu am Markt ist, zum Beispiel Etrusco oder Crosscamp? Wie bei den etablierten Herstellern?

Passt im Zusammenhang mit steigenden Preisen die Positionierung der EHG-Marken noch?

AL: Es ist wichtig, dass jede Marke ihr Zuhause hat. Zum einen, um eine Kannibalisierung zu vermeiden, zum anderen, um attraktiv für unser Handelsnetz zu sein. Eine präzise Positionierung gibt einer Marke aber auch eine stärkere Identität, sie kann ihre Kunden noch besser ansprechen.

SvT: Diesen Prozess der Markenpositionierung haben wir 2017 begonnen und immer weiter entwickelt. Das geht bis zur Auswahl von Themen, Bildsprache und Schlüsselwörtern in der Kommunikation. Da sind wir immer noch auf dem Weg, aber vieles ist auch schon gut gelungen.

AL: Prinzipiell passt die Positionierung nach wie vor. Wir sprechen alle Zielgruppen an, sind in allen Preisklassen vertreten, in den einzelnen Produktsegmenten sehr breit aufgestellt und von daher auch für die Zukunft gut gerüstet. Es gibt ja Phasen, da sind günstigere Produkte gefragt. Aktuell erfahren wir, dass renommierte Marken stark nachgefragt sind.

Welchen Weg schlägt die EHG bei den alternativen Antrieben ein?

AL: Das Angebot an entsprechenden Chassis ist insgesamt noch sehr begrenzt. Doch auf dem CSD (gemeint ist der Caravan Salon Düsseldorf, Anm. d. Red.) hat Bürstner den Lineo E-Transit vorgestellt. Crosscamp bietet seinen Campingbus auf Opel Zafira-e an. Wir bereiten uns darauf vor, zumindest bei den kompakten Mobilen elektrisch angetriebene Camper anbieten zu können.

Bei aufgebauten Reisemobilen gibt es schon lange Überlegungen. Hymer und Dethleffs haben bereits Prototypen mit E-Antrieb gezeigt, aber bis zur Serienreife dauert es oft Jahre. Ich sehe kurzfristig kein marktreifes Fahrzeug, außer im Camper-Van-Bereich. Ein Produkt muss den Kunden ja auch langfristig zufriedenstellen. Wenn wir das nicht garantieren können, hat es keinen Sinn, so ein Produkt zu bringen.

Welche Erwartung haben Sie an die weitere Entwicklung der Branche?

AL: Unsere Branche genießt aktuell einen positiven Trend, trotz mancher Schwierigkeiten etwa durch die Lieferengpässe. Die Urlaubsform passt perfekt zu anderen Trends wie Freiheit, Individualität, Unabhängigkeit, Natur, Nachhaltigkeit. Deshalb rechne ich auch mit einem langfristigen Erfolg.

SvT: Und alle bekannten Studien belegen, dass die Zahl der Deutschen und Europäer mit Camping-Affinität nach wie vor kontinuierlich ansteigt. Das hat sich stark gewandelt in den letzten sechs Jahren.

AL: Dazu kommen immer wieder Geschehnisse, die unserer Urlaubsform in die Karten spielen. Ich nenne nur steigende Preise bei Flugreisen, nicht ankommende Koffer in dem Zusammenhang, den Fachkräftemangel, der in der Hotellerie und Gastronomie zu einem Wandel beim Service führt.

Gehört dazu auch das Coronavirus?

SvT: Auch das war ein Impuls. Aber es gibt sicher nicht den einen Hauptgrund. Der Imagewandel ist ein Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren bis zum Herstellerverband. Dessen Kommunikationskampagnen haben für die ganze Branche eine ganz andere Wahrnehmung erzielt.

Während der Coronapandemie hat man ja beschlossen, nur noch alle zwei Jahre auf Messen zu gehen. Bleibt es dabei?

AL: Da müssen Sie die Marken fragen. Wir waren der Meinung, es ist die richtige Entscheidung. Wir haben nichts gegen Messen, aber wir glauben nicht, dass das Messegeschäft die nächsten 10 oder 15 Jahre so weiterlaufen wird. Wir glauben, dass der Kunde andere Ansprüche an Informationen und den Kaufprozess hat.

Wir schauen offen in die Zukunft. Auf der IAA Transportation waren deutlich weniger Aussteller, und diejenigen, die früher eine ganze Halle belegten, hatten jetzt einen kleinen Stand. Die Aussage dort: Wir brauchen die Messe, aber wir brauchen sie nicht mehr in der Größe wie bisher. Wir können uns vorstellen, dass auch wir in der Branche diesen Weg gehen. Was aber nicht für alle Marken gelten muss. Es kann sein, dass sich die ein oder andere Marke noch mehr auf den digitalen Vertriebs- und Kommunikationsweg konzentriert, aber auch diese Freiheiten geben wir unseren Marken. Sie entscheiden, was die richtige Vermarktungsstrategie für sie ist. Wer ein funktionierendes Händlernetz hat, ist natürlich nicht so abhängig von einer Verkaufsmesse.

Wir haben starke Marken und investieren viel in unsere Handelsnetze, und es liegt mir fern zu sagen, unsere Händler können nicht verkaufen, drum müssen wir auf eine Messe gehen. Dann würden wir ja alles falsch machen.

Kann die EHG unabhängig von ihrem amerikanischen Inhaber Thor agieren?

AL: Ein Eigentümer hat immer auch eine Renditeerwartung, und daraus ergeben sich bestimmte Rahmenbedingungen. Aber innerhalb dieser Rahmenbedingungen können wir uns sehr frei bewegen. Natürlich, wenn wir eine größere Investition haben, wird das abgestimmt und freigegeben – oder auch nicht. Was Produkte angeht, können wir komplett eigenständig entscheiden.

Was ist die EHG?

Die Erwin Hymer Group (EHG) ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft von Thor Industries. Zur Gruppe gehören 14 Reisemobil- und Caravan-Marken. In Deutschland vertreten sind Bürstner, Carado, Crosscamp, Dethleffs, Eriba, Etrusco, Hymer, Laika, LMC, Niesmann + Bischoff und Sunlight. Für Zubehör sind der Großhändler Movera und der Fahrwerkspezialist Goldschmitt zuständig. Die 8.880 Mitarbeitenden der Gruppe erwirtschaften einen jährlichen Umsatz von rund 2,7 Milliarden Euro.

Hier stellt promobil die wichtigsten Wohnmobil-Konzerne der deutschen Freizeitfahrzeug-Branche vor.

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