Test

Aiways U5 im Test: Er kann richtig viel, nur Kälte nicht

Das China-SUV macht sehr viel richtig, aber im Winter muss man sich einschränken

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Was ist das?

Zumindest die ambitionierteren Elektroauto-Fans unter Ihnen dürften Bescheid wissen, wenn sie dem Auto mit dem “Fünferpasch”-Logo begegnen. Von außen hat der Aiways U5 ja so ein bisschen den Charme eines Baumarkt-Spezialangebots. Wäre aber auch möglich, dass Deutschlands größtes Boulevardblatt das neue “Volksauto” ausgerufen hat – “nur 29.99 im Monat, wenn Sie ein Plus-Abo haben”. So in der Richtung.

Aber ich höre schon auf, denn den Spott haben Auto und Unternehmen nun wirklich nicht verdient. Aiways gibt es ja erst seit 2017. Seit 2020 ist der U5 in Europa erhältlich. Das ist schon eine Leistung. Selbst wenn die Verkäufe bisher noch recht überschaubar sind. 3.000 Fahrzeuge hat man 2021 auf dem alten Kontinent abgesetzt (zu Hause in China waren es genauso viele). Größtenteils mit Hilfe der Elektronik-Kette Euronics. Gewartet wird übrigens bei ATU. So spart man sich – ganz neumodisch – das eigene Händlernetz.

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Wie das in Zukunft weitergehen soll, wird sich zeigen. Für 2022 strebt der Hersteller ein beträchtliches Wachstum an, will fünfstellig verkaufen. Dafür hat man auch das Management umstrukturiert. Der neue CEO kommt vom heimischen Konkurrenten Nio. Zudem wird mit dem U6, quasi der aufgebrezelten Coupé-Version des U5, ein zweites Modell eingeführt.

Aber zurück zu unserem Testkandidaten. Der U5 hat mit 4,68 Meter in etwa BMW-iX3- oder Mercedes-EQC-Format. Sein E-Motor, übrigens eine Eigenentwicklung, überträgt maximal 204 PS und 310 Nm an die Vorderräder. Den 63-kWh-Lithium-Ionen-Akku stellt der größte chinesische Hersteller CATL. Von 0-100 km/h geht es bestenfalls in 7,8 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit beträgt 160 km/h.

Offiziell gibt Aiways die Reichweite seines Erstlings mit knapp über 400 Kilometer an. Außerdem soll man ihn mit bis zu 90 kW laden können. Dazu schon jetzt ein kleiner Spoiler: An kälteren Tagen (und so kalt müssen die gar nicht sein) können Sie diese Werte aber mal so richtig vergessen.

Das macht den U5 nicht zwangsweise zur Gurke. Da gibt es so einige Premium-Kandidaten, die im Winter ebenfalls ordentlich die Hosen runter lassen müssen. Denen gegenüber hat der U5 einen immensen Vorteil: Er startet vor Umweltprämie bei 38.970 Euro. Mit absolut voller Hütte – und die ist dann wirklich ziemlich voll – liegt das Auto bei 42.070 Euro.

Wie fährt er?

Hier gibt es hauptsächlich Positives zu berichten. Bitte wähnen Sie sich nicht mehr in den 1990er-Jahren, als fragwürdige chinesische Kreationen Plastikdunst-intensive Premieren auf der Frankfurter IAA gaben, vermutlich nur, um die dreiste Industrie-Spionage gleich aus nächster Nähe betreiben zu können. Massenhaft chinesische Ingenieure mit beeindruckenden Messkoffern, artistisch unter deutschen Premiumprodukten kauernd – Sie erinnern sich vielleicht.

Aber wie gesagt, das hier ist eine andere Zeit und meilenweit von solchen Zuständen entfernt. Wie erläutert es der Kollege Hohmeyer so schön: Der U5 ist richtig gut darin, ein Auto zu sein. Ich stimme voll und ganz zu. Hier fährt kein windig zusammenkonstruierter Versuchsballon, sondern ein ziemlich kompetent abgestimmter Crossover.

Die Lenkung hat eine sehr schöne Gewichtung und gibt überraschend viel Feedback. Zudem liegt das Auto konstruktionsbedingt astrein. Der Frontantrieb fällt nicht negativ auf, falls Sie in diese Richtung Sorgen geplagt haben. Drückt man den U5 mal ein wenig ehrgeiziger in die Kurve, lehnt er sich zwar recht flauschig aufs kurvenäußere Vorderrad, aber er bleibt tapfer auf Kurs, schmiergelt nicht weg. Und das selbst auf Winterreifen.

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Der Federungskomfort ist ordentlich, das wirkt auch im Bereich NVH (Noise, Vibration, Harshness – sprich: rumpelt’s, lärmt’s, schlägt’s durch?) alles solide aufgebaut. Lediglich bei kurzen Schlägen, vor allem wenn die Räder dabei eingeschlagen sind, wabert eine Brise Kampfpreis durchs Gebälk in den Innenraum.

Erwähnen möchte ich auch, dass der Aiways mit um die 1.800 Kilo verblüffend leicht ist für einen Akku-durch-die-Gegend-Schlepper seines Ausmaßes. Das macht ihn nicht zum adrenalingeladenen Sportgerät, aber das, was er an Handling so hat, geht relativ leichtfüßig von der Hand.

Da reichen dann auch die 150 kW des E-Motors für eine zufriedenstellende Performance. Auch hier: Keine Gänsehaut (warum sollte er die auch liefern?), aber absolut ausreichender Vorwärtsdrang. Auch wenn Sie jetzt auf der Autobahn zwischen 120 und der Vmax von 160 keine Wunderdinge erwarten sollten. Tun Sie wahrscheinlich eh nicht, wenn Sie dieses Fahrzeug in Erwägung ziehen, also alles palletti.

Rekuperation? Lässt sich nach ein wenig Detektivarbeit im Infotainmentsystem dreistufig einstellen, die Unterschiede sind allerdings nicht allzu ausgeprägt. Generell wird nicht sonderlich aggressiv rekuperiert, Bremsleistung und -gefühl gehen aber d’accord.

Wie ist er innen? 

Auch hier können wir mit den Billigheimer-Vorurteilen schnell aufräumen. Das U5-Interieur ist zwar designt wie ein aktueller Chart-Hit (x-beliebig, haste nach 3 Minuten wieder vergessen), aber grundsolide zusammengestellt und montiert ist es allemal. Inklusive geschäumter Oberflächen, wo man sie an manchem deutschem Konkurrenzprodukt nicht findet.

Die Ausstattung der von uns getesteten “Premium”-Variante lässt nicht all zu viele Wünsche offen. Mit von der Partie sind unter anderem LED-Scheinwerfer, Panoramadach, Regen- und Lichtsensor, automatisches Fernlicht, Parkassistenten, Rundumkameras, Sitzheizung, Verkehrszeichenerkennung, Notbremsfunktionen, Spurhalte-Assi und ein Abstandstempomat.

Dazu sei erwähnt, dass das Halten der Fahrspur nicht wirklich zu den Stärken des Aiways gehört. Er torkelt schon ziemlich zwischen den Linien umher, wenn man ihm die Verantwortung überlässt und er überrascht auch teils mit sehr plötzlich und abgehakt ausgeführten Lenkeingriffen, wenn man sich einer Fahrbahnmarkierung nur nähert.

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Kritik verdient auch das Infotainmentsystem. Dass man ein Navi weder für Geld noch gute Worte bekommt, ist uns in diesem Zusammenhang relativ Latte. Der Hersteller weiß, wie die meisten Kunden inzwischen auch, dass das eigene Smartphone sowieso besser ans Ziel führt als jedes noch so tolle Premium-Navi. Spart halt auch einen Haufen Geld. An den USB-Port anschließen, Handy im Display spiegeln, fertig.

Allerdings hat die Bedienung des Zentraldisplays so ihre Tücken. Das Getouche in den einzelnen Untermenüs ist recht verwirrend und lenkt ab. Dazu kommen nervige Kleinigkeiten. Etwa, dass es Ewigkeiten dauert, bis das Bild der ständig angehenden Rundumkamera wieder verschwindet. Oder dass man nach jedem Start extra das Radio wieder anstellen muss. Diese Dinge plant Aiways aber bald im Rahmen einer Modellpflege abzustellen.

Auch mit Ablageflächen sieht es eher mittelprächtig aus. Ein Handschuhfach gibt es gar nicht. Zudem sind die Cupholder in der Mittelkonsole irgendwann mal deutlich zu heiß gewaschen worden. Das Handy verschwindet immerhin unter der Klappe für die Klimabedienung.

Was der U5 richtig gut kann, ist Platz. Mein lieber Herr Gesangsverein, was kann man sich da hinten drin ausstrecken. Das ist im Vergleich zu den anderen SUVs dieser Größe nicht weniger als eine Demonstration. Vorne sitzt man okay, die Sitze könnten aber etwas stärker ausgeformt sein. Der Kofferraum hat mit 432 bis 1.555 Liter Standardmaß.

Blöd nur, dass das überbordende Raumangebot wesentlich weniger wert ist, als es sein könnte, weil sich der Hersteller bei der Zuladung einen absolut hanebüchenen Fauxpas geleistet hat. 310 Kilogramm bedeuten, dass der U5 mit fünf Personen an Bord eigentlich schon überladen ist. Ohne deren Gepäck wohlgemerkt. Hier sollte man schleunigst nachbessern.

Wie sieht es mit Reichweite und Laden aus?  

Während unseres Testzeitraums eher mau. Niedrige Temperaturen zwangen schon weit teurere Elektriker in die Knie, keine Frage. Aber der U5 reagiert doch recht sensibel auf deutsches Winterwetter. Dabei war es mit Temperaturen zwischen 0 und 6 Grad noch nicht mal so wirklich kalt.

Von den 410 Kilometer Reichweite respektive 17 kWh Durchschnittsverbrauch waren wir meilenweit entfernt. Die Realität bei solchen Temperaturen liegt eher im Bereich zwischen 23 und 27 kWh. Und dann ist halt nach deutlich unter 300 Kilometer Schicht im Batterieschacht.

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Ein ganz ähnliches Bild ergab sich beim Laden. Hoffnungsfroh fuhr der Autor an der Ionity-Ladesäule vor und rammte den Hypercharger-Schlauch in den vorderen Stoßfänger. Anstatt der versprochenen 90 Kilowatt gingen allerdings nicht mehr als 53. Die sich im Laufe des einstündigen Ladevorgangs auf wanderdüneske 23 Kilowatt reduzierten. Die meiste Zeit floss es mit um die 30 Kilowatt. Und wer ganz vollladen will, sollte großzügig bemessene Ladeverluste mit einrechnen. Immerhin hatte ich ein gutes Buch dabei.

Dass es bei besser gelauntem Thermometer hoffnungsvoller aussieht, sollte auch klar sein. In andere Tests ist hier von Ladevorgängen mit 75 bis 80 kW zu lesen.

Fazit: 7,5/10

Hier könnte man nochmal einen Satz vom Anfang dieses Tests aufgreifen. Und das mache ich auch direkt. Der Aiways U5 ist sehr gut darin, ein Auto zu sein. Ein bisschen weniger gut ist er darin, ein Elektroauto zu sein. Zumindest, wenn es kälter ist.

Fahreigenschaften, Innenraum und generelle Qualität sind eine echte Überraschung. Respekt Aiways, das haut alles in allem richtig gut hin. Reichweite und Ladeverhalten lassen allerdings zu wünschen übrig. Bei winterlichen Verhältnissen zumindest.

Wenn Sie damit leben können, kriegen Sie hier ein mehr als anständiges Fahrzeug mit einer Top-Ausstattung zu einem schwerst rekordverdächtigen Preis. Das kann man schon mal machen.

Bildergalerie: Aiways U5 (2022) im Test

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Technische Daten und Preise Aiways U5 Premium

Motor permanent magnetischer Elektro-Synchronmotor

Getriebeart 1-Gang-Automatik

Antrieb Vorderradantrieb

Leistung 150 kW (204 PS)

Max. Drehmoment 310 Nm

Beschleunigung 0-100 km/h 7,8 Sekunden

Höchstgeschwindigkeit 160 km/h

Länge 4,68 Meter

Breite 1,87 Meter

Höhe 1,70 Meter

Leergewicht 1.845 kg

Zuladung 310 kg

Anhängelast 1.500 kg

Kofferraumvolumen 432-1.555 Liter

Batterie 63 kWh

Ladeanschluss AC: 6,6 kW; DC: 90 kW

Aufladezeit Werksangabe: DC 20-80 % in 35 Minuten; im Test: DC 10-80 Prozent in 60 Minuten

Elektrische Reichweite WLTP: 410 km; im Test: 280 km

Verbrauch WLTP: 17 kWh/100 km; im Test: 24-26,5 kWh/100 km

Basispreis 42.070 Euro

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